Freitag, Juni 19, 2009

Protagoras: Abschnitte 314c - 327

Protokoll 15.06.09 Raphael von Varendorff

ʾʿ ˜ Αα ά Ά Ββ Γγ g alpha beta gamma
Δδd Εεέ Έ Ζζcz delta epsilon zeta
ΗηήΉ ee Θθϑ th Ιιί Ί ij eta theta jota

Κκ 10 Λλ L Μμ kappa lamda mü
Νν Ξξ chs Οοό Ό vü xi omikron
Ππ p Ρρ r Σ σϛ pi rho sigma

Ττ Υυύ Ύ 20 Φφ ph tau ypsilon phi
Χχ ch Ψψ ps Ωωώ Ώ chi psi omega


Im Anschluss an den Abschnitt 314c machen sich Hippokrates und Sokrates auf den Weg zu des Kallias Haus, um dort Protagoras zu treffen. Dort angekommen sehen sie Protagoras, Kallias und weitere Anwesende durch die Säulenhallen wandeln und philosophieren.
Diese Situation stellen wir in unserem Seminar nach. Wir nutzen den Uni-Gang, um das Gefühl des Auf- und Ab-Flanierens - und dabei Philosophieren - selbst an Leib und Seele zu spüren.
In Abschnitt 316 beginnt nun das Gespräch zwischen Sokrates und Protagoras. Sokrates leitet das Gespräch ein, indem er Protagoras berichtet, dass Hippokrates gerne unter der Anleitung von Protagoras noch hervorragender und tüchtiger werden möchte. Protagoras spricht zunächst über eine Vielzahl von Künstlern, die eigentlich Sophisten sind, aber unter einem Deckmantel arbeiten. Er erwähnt unter anderem die Dichter Homer, welcher die Odyssee und Ilias schrieb, und Hesiod, der über die Entstehung der Götter berichtete, aber auch den Sänger Orpheus, welcher seine Frau aus der Unterwelt schon befreit hatte, dann aber durch ungeduldiges (zu frühes) Sich-Umsehen endgültig verlor. Sie alle stellen nach Protagoras eigentlich Sophisten dar, die diese Wahrheit nur zu verschleiern versuchen, um nicht als Sophisten zu gelten. Nicht so Protagoras. Er spielt mit offenen Karten. Vgl. auch Roth/Staude (hg.), Das OrientierungsLos, Konstanz 2008, darin: p. 67 ...
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Protagoras möchte jetzt auf Sokrates genauer eingehen und vor der versammelten Zuhörerschaft sprechen. Sokrates fragt Protagoras in welcher Form Protagoras den Hippokrates tüchtiger machen könnte [318]. Protagoras antwortet, dass er darum Bittende generell das lehren will, was sie wünschen, aber im Speziellen lehrt er die Menschen gute Staatsbürger zu sein. Daraufhin wiederholt Sokrates die Anfangsfrage aus dem Buch Menon [319]: Ist Tüchtigkeit lehrbar, ist es möglich diese weiterzugeben? Er legt einige Gegenbeispiele dar, und fordert Protagoras auf einen Nachweis seiner Fähigkeiten zu geben. Protagoras will zunächst mit einem Mythos (und nicht mit einer Erörterung , einem Logos) antworten [320-323]:
Prometheus und Epimetheus wurde von den Göttern aufgetragen die gottgeschaffenen Lebewesen mit den nötigen Kräften auszustatten. Diese Aufgabe übernahm Epimetheus. Alle (über)lebensnützlichen natürlichen Fertigkeiten verteilte er umsichtig auf die Tiere. Für die Menschen war nichts mehr da. Nun half Prometheus dem schwachen Menschengeschlecht, indem er von Athene und Hephaistos die (handwerkstechnische) Weisheit und das Feuer stahl und an die Menschen übergab. Für diese Tat wurde Prometheus von den Göttern bestraft. Die so ausgestatten Menschen lebten nun in Städten zusammen, um sich besser vor wilden Tieren zu schützen. Da die Menschen aber nicht miteinander zu Recht kamen und unterzugehen drohten, befahl Zeus dem Götterboten Hermes ALLEN Menschen das Gefühl der Rücksichtnahme und der Gerechtigkeit zu schenken. So hatten alle Menschen die staatsbürgerliche Einsicht erhalten und jeder Einzelne war legitimiert seine Meinung zur (politischen) Tüchtigkeit zu äußern. Im Gegensatz dazu waren andere Fähigkeiten, wie zum Beispiel die Baukunst, die Kunst des Musizierens usw. ungleich über die Menschheit verteilt. Somit ist es nach Protagoras nachzuvollziehen, warum die Athener einem Unwissenden der Baukunst bei diesem Thema nur wenig Gehör schenken, bei dem Thema der Tüchtigkeit hingegen schon.
Protagoras erläutert, dass die Menschen tatsächlich überzeugt sind, dass Tugend nicht nur ein Geschenk der Natur ist, sondern auch lehrbar ist, denn warum sonst sollten Übeltäter bestraft werden [324]. Menschen werden für ihr Fehlverhalten bestraft, weil der Glaube besteht, dass sie zukünftig anders – tugendhafter – handeln. Protagoras wirkt an dieser Stelle wie ein Mediator, der das Handeln der Athener analysiert.
In den Abschnitten 324-328 versucht Protagoras nun zu erörtern, warum es oft so scheint, also ob es hervorragenden Männern misslingt ihre Söhne tugendhaft zu erziehen. Zunächst stellt er klar, dass diese Männer dies nicht vorsätzlich tun, sondern schon bei der Geburt des Kindes dafür Sorge tragen, dass es mittels allerlei tugendhaften Künste erzogen wird. Das Kind bekommt Unterricht in der Gedichtkunst, der Musikkunst, der Kunst der Gymnastik, wie auch in den richtigen Umgangsformen. Durch diese Erziehung erlernen die Menschen die Tugendhaftigkeit und es lässt sich somit kaum daran zweifeln, dass sich die Tugend somit nicht lehren lässt. Allerdings hängt die Kunstfertigkeit des Einzelnen nicht von seinen Vater, sondern von seiner Veranlagung ab. So kann der Sohn eines begabten Flötenspielers nur ein mittelmäßiger Musiker, ein Sohn eines mittelmäßigen Flötenspielers ein hervorragender Musiker werden. Protagoras weist an dieser Stelle aber auch daraufhin, dass selbst der Untugendhafteste in dieser zivilisierten Gesellschaft tugendhafter ist als ein Laie der nie eine vergleichbare Erziehung genossen hat. Protagoras argumentiert, dass sich für einen Laien leichter ein Lehrer finden lässt, da der Schüler nicht so hohe Ansprüche an den Lehrer stellt. Wenn der Schüler allerdings bereits einige Fähigkeiten erworben hat, kommen nur noch wenige als Lehrer in Frage und dies ist der Grund warum Protagoras ein so hohes Honorar für seine Lehren erhält und verdient. Protagoras scheint den Grund des Misslingens der Weitergabe von herausragender Tugendhaftigkeit an die Söhne am Mangel von fähigen Lehrern festzumachen.

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