Dienstag, September 25, 2007
Dienstag, August 28, 2007
Sonntag, August 05, 2007
In der Ausstellung Galerie 3art
3art-BesucherIn Susann:
"Der Pfiff kam wirklich rechtzeitig, da ich gerade wieder umdrehen wollte!
Das Motiv/ Kunstwerk "UNTERWEGS"
dies unten rechts im Bilde
hat mich besonders angesprochen!
hat mich besonders angesprochen!
Ich finde es interessant wie man Kunstwerke anderer Menschen doch immerwieder auf eigene Lebenssituationen/ Lebensabschnitte beziehen kann undsich angesprochen oder berührt fühlt! Obwohl der Künstler eventuell ganzandere Motive bei der Erschaffung der Kunstwerke im Kopf hatte!
Beim "SELBSTPORTRAIT"
Bildmitte oben
war ich dann vielleicht ein wenig überfordert, da ich nicht wusste wie ich Sie/dich jetzt in dieser Form finden soll und ob ich da überhaupt was finden darf/ soll!
Finde das Material Holz eine sehr schöne Möglichkeit der Welt etwasmitzuteilen, da man es berühren und spüren kann...und das Kunstwerk so etwas sehr Lebendiges und nicht so Abstraktes enthält oder darstellt! Bei dem ersten Stück gleich am Eingang hat der Holzwurm auch ganzgeräuschvoll zur Lebendigkeit beigetragen. Ich konnte ihn noch beim Sofa bei seiner Arbeit hören!
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Geru Müsch,
Lebensart
Dienstag, Juli 24, 2007
Was kann "Philosophisches Reisen" sein?
von Birger Dreher (Uni Konstanz)
I) Einleitung 1
II) Darstellung Vollbrechts Position zum philosophischen Reisen 2
II.1) Kritikpunkte an der Form des Aufsatzes 4
II.2) Kritikpunkte am Inhalt 5
III) Vier Modelle philosophischen Reisens 7
IV) Verschiedene Typen von Fragen 11
V) Schluss 14
Literatur 15
I) Einleitung
Was kann das Reisen im Sinne der Philosophie für uns bedeuten und was ist überhaupt philosophisches Reisen? Peter Vollbrecht veranstaltet solche Reisen, die den Teilnehmern philosophische Themen näher bringen sollen, die tiefgründige Diskussionen als ein Reiseziel nennen und die an solche Orte führen, die von einem genius loci bewohnt werden, einem Geist, hier im Speziellen einem Geist der Philosophie. Der vorliegende Text von P. Vollbrecht ist eine Art Programmschrift, die auch immer wieder theoretische und methodische Bezüge aufzeigt. Der relevante Inhalt für die vorliegende Diskussion wird zuerst in Kürze dargestellt, dann folgen eine Kritik und eine analytische Darstellung von vier Modellen philosophischen Reisens. Aus der Kritik entwickele ich den Anspruch zuerst zu erläutern, was mit der Philosophie beim philosophischen Reisen gemeint sein könnte und dann gebe ich im letzten Teil der Arbeit ein fiktives Beispiel davon, wie eine solche Reise ablaufen könnte und was das Philosophische daran ist in Abgrenzung zu anderen Fragestellungen.
Ich werde mich bei all meinen Ausführungen nur auf den Artikel von Peter Vollbrecht beziehen, und somit verweisen auch alle Seitenzahlen in den Klammern hinter den Zitaten auf diesen Text .
II.) Darstellung Vollbrechts Position zum philosophischen Reisen
"Reisen ist eine hochphilosophische Tätigkeit" (11) ist einer der ersten Sätze, die dem Leser des Artikels ins Auge fallen. Und er erläutert: "Fernweh und Heimweh, dahinein ist das Reisen philosophisch gespannt: die Lust auf das Fremde, auf das Offene, und der ziehende Schmerz, der die Seele ergreift, wenn sie nach Heimat sich sehnt, nach Ursprung, Ruhe und Ewigkeit. Beide Pole sind ganz wesentliche Dimensionen menschlicher Existenz, denn Existieren heißt, sich zu entwerfen auf etwas, das man noch nicht ist, wie auch – im Gegenzug – sich zu erinnern an etwas, das man nicht mehr ist. Existieren heißt, philosophisch gesprochen, hinauszustehen über Gegenwart und Präsenz […]. Existieren bedeutet, philosophisch gesehen, weniger ein Sein denn ein Werden und ein Sehen, und weil das so ist, deshalb ist Existieren immer auch wie ein Zustand des Reisens." (11f).
Beim Reisen tritt wie beim Philosophieren der Denkende irgendwann auf eine "Meta-Ebene", von der aus ihm klar wird, dass etwas als selbstverständlich Empfundenes nur so erscheint und dass es hinterfragt werden kann und auch sollte. Zu reisen kann also Reflexion erzeugen, weil man die Grenzen des Vertrauten und das Fremde und die Relativität der Zustände bewusst erlebt. Das regt dazu an, Überzeugungen jeglicher Art zu reflektieren und dadurch zu neuen zu gelangen. Die Meta-Ebene scheint für Vollbrecht vor allem der Ort philosophischen Denkens zu sein.
Eine solche Meta-Ebene nennt Vollbrecht "Gedankenlandschaft". Er erläutert: "Beim Philosophieren begegnet mir die Begeisterung bisweilen so, dass ich plötzlich eine Gedankenlandschaft kurz aufscheinen sehe, auf die hin sich das gerade Gedachte weitet und in die es sich hineinmodelliert zeigt. Mein Zugang zu dieser Gedankenlandschaft ist eher visuell als theoretisch, ja, es bereitet mir eine vergebliche Mühe, das Gesehene in dieser diskursiven Topographie zu denken." (12). Beim Versuch, den Totaleindruck dieser Landschaft zu begreifen, verschwimmt und verschwindet die Landschaft bis man nur noch einen "spröden Gedanken" in der Hand hält, "abgeschnitten von dem, was ihm Leben und Bedeutung gegeben hatte" (13). Aber das, "was meinem Denken 'eigentlich' Kraft, Motivation, Evidenz und Ausdrucksstärke gegeben hat, das kam von woanders her, das schwebte ein aus einer geistig zu visualisierenden Landschaft. Und ich kann darauf vertrauen, dass es mir erneut gelingen wird, mit meinen Gedanken philosophische Landschaften zu bereisen." (ebd.).
Für Vollbrecht ist besonders wichtig, dass Ereignisse auf das Mich des Reisenden bezogen werden können, sonst bleiben sie "kurzlebige Events auf einer kaleidoskopartigen Bühne" […]. Damit das, was ich sehe, mich auch wirklich angeht, damit das, was mir begegnet, mir begegnet, muss ich die bereiste Welt in eine Erzählung einflechten können – die wirkliche Reise wird dann begleitet von einer Reise im Kopf" (ebd.). Der Bezug zum Kontext, in dem spezielle Reiseerfahrungen gemacht werden, wird hergestellt durch die selbstständige Beschäftigung mit Themen, die mit dem jeweiligen Ort verbunden werden können. Das Reisen wirkt als synthetisierende Kraft, indem sie die einzelnen Erkenntnisse zu einem stimmigen Bild zusammenfügt.
Beim Reisen tritt der Reisende in sinnlich und geistig erfahrbare Szenerien ein. Auf einer philosophischen Reise harmonieren Thema und Ort. Die Praxis sieht so aus, dass man mit einer Gruppe irgendwohin reist, wo sich bei gutem Ambiente Themen besprechen lassen die so gewählt sind, dass sie irgendeinen Bezug zum Ort haben. Ausschlaggebende Größe ist die Kommunikation unter den Teilnehmern. Nach drei Tagen fängt die Gruppe an sich eine eigene diskursive Identität zu geben. Positionen werden bezogen und Möglichkeiten für den Rückbezug geschaffen. Der Seminarleiter ist Moderator. Er muss die Diskussion der Gruppe führen können, gerade dann, wenn ein sich verstärkender Dissens die gute Gesprächsethik zu stören droht. Dabei dürfen verschiedene Ansichten nicht nivelliert werden, aber nichtsdestotrotz müssen Anschlussmöglichkeiten für alle erhalten oder wieder geschaffen werden.
Der theoretische Gehalt dieses "Gruppenkonsens" tritt irgendwann in den Hintergrund und wird ersetzt durch die "emotionale Übereinkunft" (18). Auf dieser Basis sind auch gegenteilige Meinungen ohne anschließende Feindschaften möglich.
Es ist nun etwas schwierig, all die Ausführungen, die Petter Vollbrecht unter dem Stichwort "Philosophisches Reisen" in seinem Artikel macht, auf das philosophische Reisen zu beziehen. Ein großer Teil seines Artikels besteht darin, die Gruppendynamiken zu beschreiben. Es ist aber dabei immer noch sehr unklar, was er mit diesem speziellen Typ des Reisens eigentlich verbindet. Bei ihm überschneiden sich verschiedene Modelle des Reisens, und welches davon nun das philosophische Reisen betrifft ist schwer verständlich.
II.1) Kritikpunkte an der Form des Aufsatzes
Allgemein zu kritisieren ist, dass der Artikel sehr stark durch unterschiedliche Strategien des Schreibens gebrochen wirkt. Zum einen vermischt sich der Typ einer Programmschrift mit dem Typ eines werbenden Textes für philosophische Reisen. Dabei wird nie recht klar, welches nun die Ziele der Veranstaltungen sind, bzw. welche der mehreren Ziele den Begriff "Philosophisches Reisen" schärfen. Das wird deutlich, als Vollbrecht selbst zugibt: Ist das angenehme Gesprächsklima das Ziel der Veranstaltung oder das explorative Gespräch (17)? Das Problem hierbei ist, dass man nicht klar sieht um was es beim philosophischen Reisen vor allem gehen sollte. Was erwartet den Teilnehmer? Eine Fahrt, die unter der Flagge der Erkenntnis stattfindet oder eine Vergnügungsfahrt? Zu Erkenntnis zu kommen kann Vergnügen bereiten, aber oft muss man für einen Zugewinn an Erkenntnis hart und diszipliniert bleiben, und das Vergnügen bleibt aus. Das Verhältnis von Vergnügen und Arbeit hätte in dem vorliegenden Artikel besser geklärt werden müssen.
Die andere Problematik ist die, dass sich ein wissenschaftlicher Duktus des Schreibens mit einem eher literarischen und "vagen" Schreiben vermischt. Was mag der Satz bedeuten: "Das Subjekt wird von einem Geist ergriffen und lädt sich philosophisch auf." (12)? Die Schwierigkeit äußert sich darin, dass man an der Stelle, an denen man genau auf die Worte schauen sollte, weil es sich bei dieser Stelle um eine Beschreibung oder Definition wesentlicher Elemente Vollbrechts Theorie über die philosophische Reise handelt, nicht mehr als solche erkennt oder sich nicht darauf verlassen kann, dass man ihn hier genauestens beim Wort nehmen darf. Abgesehen davon wird das Verständnis des Textes durch diese Art zu schreiben stark erschwert. Das Problem des Schreibstils ist verzahnt mit dem der Textgattung. Peter Vollbrecht vermischt die Arten des Redens bzw. Schreibens, die dem wissenschaftlichen Text und dem literarischen oder werbenden Text eigen sind und übersieht dabei, dass die beiden Textsorten verschiedene Ansprüche an den Leser haben und umgekehrt, der Leser mit verschiedene Ansprüche an die beiden Textgattungen herangeht; beim wissenschaftlichen Text wird er definitive, klare und erläuternde Aussagen erwarten, beim literarischen Text auratische, vage und deutende Sätze.
II.2) Kritikpunkte am Inhalt
Einige zentrale Aspekte beim philosophischen Reisen werden nicht klar. Unerwähnt bleibt, was für den Autor Philosophie überhaupt ist. Das festzulegen ist schwierig, denn wie wir wissen hat die Philosophie weder einen eindeutigen Gegenstand noch eindeutige Methoden. Dennoch könnte man einen Versuch wagen, der ganz konkret an das philosophische Reisen gebunden ist und auch nur im Zusammenhang damit gedacht werden sollte. Angenommen, im Zusammenhang mit dem philosophischen Reisen ist Philosophie das Stellen einer Menge von Fragen, die einen speziellen Charakter haben, der noch zu bestimmen ist, und das Bestreben im Denken darauf eine Antwort zu finden. Diese Annahme werde ich dem Autor in Zukunft aus guten Gründen unterstellen. Die guten Gründe ergeben sich aus Vollbrechts Vorgehen, das darin besteht, durch philosophische Literatur Fragen bei den Teilnehmern zu evozieren, die diesen speziellen Charakter haben. An dieser Stelle muss noch nicht klar sein, worin dieser spezielle Charakter zu bestehen hat. Es ist ja so, dass die Fragen im Rahmen des philosophischen Reisens bei Vollbrecht grundsätzlich philosophisch sind, denn sie entstammen der Philosophie der gelesenen Autoren.
Ein weiterer inhaltlicher Kritikpunkt ist die mangelhafte Bestimmung dessen, was Peter Vollbrecht als eine "Gedankenlandschaft" erläutert (12). Man vermutet augenblicklich, dass damit ein konsistenter Zusammenhang aus einzelnen Erkenntnissen gemeint ist, der dem Denkenden etwas klarmacht, etwas begreifen lässt. Und man vermutet auch, dass man diese Landschaft abgehen kann, Gedanke für Gedanke. Aber er scheint etwas ganz anderes damit zu meinen. Eher einen Eindruck von etwas, das vage Empfinden davon, dass etwas Sinn macht. Vielleicht ist darunter zu verstehen, dass jemand plötzlich weiß, "wie die Dinge laufen", es aber nicht anderen und sich selbst klarmachen kann. Der Begriff der Gedankenlandschaft oder "Ideenlandschaft" (ebd.) ist dafür aber ungeeignet, denn eine Landschaft kann doch üblicherweise abgegangen und überschaut werden. Bei Vollbrecht ist sie hingegen so fragil, dass man, wenn man das beschreitet, aus was sie bestehen soll, nämlich Gedanken und Ideen, einfach verschwimmt oder verschwindet. Das ist völlig unplausibel, wenn man die Metapher der Gedankenlandschaft ernst nimmt.
Vermutlich will der Autor hier nicht so ernst genommen werden und ich würde mich mit diesem Punkt auch nicht so abmühen, wenn ich darin nicht so viel von dem vermuten würde, was das Konzept des philosophischen Reisens eigentlich ausmachen könnte. Hier geht es nämlich um eine Reise, die im Kopf stattfindet, und nicht auf Land. Und es scheint auch so, dass das, was innerhalb der Gruppe der philosophisch Reisenden passiert, mit dem Begriff der Gedankenlandschaft sehr viel zu tun haben kann. Bei der gemeinsamen Diskussion lassen die Teilnehmer Stück für Stück eine Gedankenlandschaft entstehen, eine Landschaft aus Ideen und Begriffen und ihren Zusammenhängen. In diese scheinen sie allesamt hineingestellt zu sein, Tag für Tag mehr, sonst würden sie ja immer aneinander vorbei reden. Nur ist es in diesem Fall nicht so, dass die Landschaft von Anfang an für alle gegeben ist, sondern vielmehr, dass sie entweder erst erschaffen wird oder gefunden wird. Die erste Möglichkeit scheint plausibler zu sein, denn wenn es darum geht eine philosophische Position oder Theorie zu verstehen, muss man sie für sich selbst erst einmal neu erdenken – sie ist ja noch nicht im eigenen Kopf angelegt.
III) Vier Modelle philosophischen Reisens
Peter Vollbrecht verwendet drei oder vier verschiedene Modelle bzw. hat drei oder vier verschiedene Vorstellungen in seinem Artikel, die möglicherweise seiner Meinung nach nicht alle zutreffen mögen oder nur Teilaspekte eines Modells sind, dass dann aber mindestens mit einer großen Unklarheit behaftet ist, und zwar ob die eigentlich philosophische Reise primär im Kopf stattfindet und sekundär in der realen Welt oder umgekehrt. Ich will nun kurz die vier möglichen Modelle vorstellen.
1. Man philosophiert im Zusammenhang mit philosophischer Lektüre an den Orten, an denen sich die Autoren der Lektüren zu Lebzeiten auch aufgehalten haben und an denen diese Autoren die entsprechende Lektüre auch entwickelt haben. Z.B. liest man Nietzsches Moralphilosophie in Sils Maria in der Schweiz, wo er einst auf Kur war. Durch die Geschichte der Orte ist die Atmosphäre mit einem genius loci aufgeladen (14), das ist ein geistiges Klima, das an einem bestimmten Ort herrscht. Auf diese Weise stimuliert, eine Verknüpfung aus Ort und Autor, bekommt die Diskussion eine zusätzliche Bedeutung, die die Teilnehmer motiviert. Dabei ist wieder etwas unklar, ob die reale Reise lediglich sekundär ist, und die Reise durch Nietzsches Ideenwelt primär. Wie gesagt: diese Unterscheidung ist aber wichtig, wenn es darum geht zu klären, welche Stellung das Philosophische hat in dem Konzept des philosophischen Reisens.
Es kann auch darum gehen, die inspirierenden Kräfte der Atmosphäre dazu zu nutzen, die philosophischen Anstrengungen der örtlichen "Ideenschmieden" zu reflektieren. Damit ist gemeint, dass man in die Toskana fährt um die Renaissancephilosophie zu diskutieren und zu erörtern. Hier befindet man sich an dem Entstehungsort eines Themas oder einer Schule, deren Autoren nicht unbedingt in diesen Gebieten ihre Texte geschrieben haben müssen. Das Prinzip der beiden ersten Modelle ist das Stimulieren des gehobenen Denkens durch die Aura eines Ortes.
2. Im zweiten Modell "[…] kommt dem Wandern die Bedeutung zu, der Stimme der Natur zu lauschen – unverstellt von philosophischen Theoremen. Im Wandern wird der Begriff herausgefordert; Wandern und Philosophieren bringen Kopf und Körper zusammen, Sinnlichkeit und Verstand, Wandern und Philosophieren meinen den ganzen Menschen." (15). Hier deutet sich ein Verständnis davon an, dass mit philosophischem Reisen mehr gemeint sein könnte als nur an einem ferneren Ort zu verweilen und zu philosophieren. Die Bewegung des Reisens, das Sich-Bewegen durch den Realraum führt bei diesem Modell dazu, dass philosophische Ideen evoziert werden. Außerdem spielt hier die Natur als Erscheinung eine Rolle. Insgesamt geht es darum die Lücke zwischen Geist und Körper, die Spannungen zwischen beiden Polen dazu zu nutzen, das Denken herauszufordern. Kurz gesagt, die Aktivität des Körpers fördert die Aktivität des Geistes. Und die Befreiung des Körpers aus der Starre befreit auch den Geist. Hier geht es um eine Technik, besser Denken zu können.
Es spielt hier auch die Idee eine Rolle, dass die Natur selbst Kenntnis von der Welt besitzt, weil sie selbst Welt ist. Wenn man nur ruhig wird und das Rauschen im eigenen Kopf einer Stille weicht, in die hinein die Natur ihre Weisheit sprechen kann, dann erkenne man auf sanftem Wege entscheidende Zusammenhänge.
Zuletzt spielt hier die Idee von einer ganzheitlichen Philosophie eine Rolle. Körper und Geist sind eine Einheit. Das eine funktioniert nur gut, wenn das andere in einem Gleichgewicht dazu steht.
3. Dann gibt es noch die Möglichkeit, dass man tatsächlich reist und dabei philosophiert. Diese wird von Peter Vollbrecht gar nicht so explizit genannt. Reisen kann auch bedeuten, unterwegs zu sein. Verbringt man eine Woche lang in Sils Maria, und jeweils einen halben Tag für Hin- und Rückreise, dann scheint es doch etwas fundamental anderes zu sein, wenn man sich auf eine Reise begibt, die einen über die Reisezeit immer wieder zu neuen Orten führt, bis man schließlich irgendwo ankommt und die Reise für einen zu Ende ist. Die Ruhe, die bei den anderen Modellen möglich ist, ist hier nur eingeschränkt gegeben. Unruhe und Impressionen, die stillen Momente der Verschnaufpausen oder der Zwangspausen beim Reisen reagieren dann mit den unausweichlich gemachten und gesammelten Erkenntnissen über die Welt, die an einem vorbeigezogen ist. Bei einer solchen Reise sind Begegnungen garantiert, Begegnungen mit der Natur aber auch mit Menschen, die aus völlig anderen Orten stammen, die jeweils andere Geschichten haben, sowohl individuelle Geschichten als auch Gemeinschaftsgeschichten. Man begegnet anderen Sitten, anderen Sprachen, anderen Weisheiten und vielem mehr. Bei dieser Art des Reisens wird man stärker anderen Sachverhalten gegenübergestellt als bei den vorherigen Modellen. Die Frequenz neuer Eindrücke muss nicht zwangsläufig höher sein, denn das hängt von der Verarbeitungsstrategie oder den Gewohnheiten des Reisenden ab. Auch während einer Woche in Sals Maria kann man theoretisch ebenso viele neuartige Eindrücke sammeln wie während einer Woche Reisen entlang der australischen Ostküste. Aber in dem Bergdorf trifft man auf eine Gemeinschaftsgeschichte, auf eine Sozialstruktur oder auf eine Infrastruktur. Vielleicht mag man die Erkenntnismöglichkeiten des dritten Modells eher als horizontal beschreiben, als flächig, und die des ersten und zweiten Modells eher als vertikal, als vertiefend.
4. Das mögliche vierte Modell ist die imaginäre Reise, auch kurz von Peter Vollbrecht angerissen (13). Dabei handelt es sich wahrscheinlich um das Erzeugen einer eigenen Ideenlandschaft, oder einer Gedankenlandschaft. Es geht darum, Erkenntnisse zu haben und aus ihnen auf grundsätzliche Aussagen zu kommen, indem man verschiedene Erkenntnisse durch Vergleiche hervorbringt und sie zueinander in Beziehung setzt. Es ist hier möglich sich überhaupt nicht im Realraum zu bewegen, also man kann auf das reale Reisen völlig verzichten. Hier geht es um eine innere Welt. Wobei diese innere Welt keine künstlerische oder sonst wie Geartete ist, sondern eine philosophische, die ihre Eigenheiten in den speziellen Fragen hat, die der Philosoph an die Welt stellt und an den Antworten, die er dafür als adäquat empfindet. Bei dieser Welt dreht es sich im besten Falle um eine elaborierte philosophische Theorie, ansonsten aber um eine Sammlung philosophischer Fragen und Erkenntnisse, die noch nicht in einem Zusammenhang stehen, vielleicht auch gar nicht stehen können, wenn sie sich auf ganz unterschiedliche Gegenstände beziehen. Aber wie auch immer, man kann das argumentative und konzeptionelle Denken, das sich aus philosophischen Fragestellungen ergibt, als eine philosophische Reise betrachten.
Es stellt sich allerdings unter dieser Perspektive die Frage, ob man nur alleine Reisen kann oder auch in der Gruppe. Die Frage muss wohl so beantwortete werden, dass eine philosophische Reise im Sinne des vierten Modells nur eine alleinige Reise sein kann, denn im eigenen Kopf denkt nur der Denker selbst. Und da es eine Reise ist, die nur über das Denken stattfindet, so wird man auf ihr alleine bleiben. Alles, was andere Menschen dazu beitragen können, sind Denkanstöße.
Bei allen vier Modellen ist die reale Reise keine Bedingung dafür, die letzten Endes stattfindende philosophische Diskussion (und Reise?) durchführen zu können. Trotzdem spielt bei Vollbrecht diese reale Reise natürlich eine dominante Rolle. Dass es einem Leser so erscheinen mag liegt vermutlich an der Textgattung, die ja wie schon erwähnt eine werbende Note hat, denn Peter Vollbrecht verdient mit diesen Reisen Geld und womöglich ist es die einzige Verdienstquelle. Die philosophische Reise erinnert einen deshalb in der Darstellung des Artikels eher an eine literarische Reise. Und so drängt sich einem das Gefühl auf, dass der Wert der Reise sehr viel mehr in ihrem Unterhaltungswert liegt als in dem Streben der Teilnehmer nach Bewusstseinserweiterung und Erkenntniszugewinn.
Nun sollte, aufbauend auf Vollbrechts Darstellung, der Frage nachgegangen werden, was eine philosophische Reise im Kern ausmachen müsste und inwieweit Vollbrechts Darstellung davon abweicht bzw. wo sie die Thematik unklar anreißt. Ich habe eingangs schon erwähnt, dass ich in dieser Arbeit Philosophie mit großer Vorsicht durch das Stellen spezieller Fragen und deren Beantworten und nur in Anlehnung an das philosophische Reisen charakterisieren will.
IV) Verschiedene Typen von Fragen
Es gibt unterschiedliche Typen von Fragen. Eine soziologische Frage wäre es, wenn man fragte 'wieso streben die Bolivianer nach Möglichkeiten im Ausland zu studieren oder zu arbeiten?'. Eine philosophische Frage, die sich an diese Frage anhängen lässt, aber auf einem viel abstrakteren Level steht, könnte sein 'wieso strebt der Mensch?'. Die erste Frage ist eindeutig eine sozialwissenschaftliche, wobei letztere das auch sein könnte, aber durchaus eine legitime Frage für einen Philosophen ist.
Dieses Beispiel soll auch zeigen, dass es unterschiedliche Frageinhalte gibt und dass man in dieser Menge nicht-philosophische Fragestellungen sehr gut erkennen und sie anderen Disziplinen zuordnen kann. Von Bedeutung ist allerdings, dass beim tatsächlich stattfindenden Reisen verschiedene Fragen erst entstehen und an die Umwelt gestellt werden, immer auch inspiriert durch die ständig wechselnde Szene, und dass es aber prinzipiell immer möglich ist, diese spezifischeren Fragen in generellere Fragen münden zu lassen. Die allgemeinen Fragen sind dann möglicherweise typisch philosophische Fragen, die durch ihre Diskussion in ein Thema der Philosophie münden. Die vier Fragen, auf die jede einzelne Frage, die in ihrem Kern philosophisch ist, zurückgeführt werden kann sind, sind die vier bekannten Kantschen Fragen: Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Was ist der Mensch? Ein anschauliches aber hypothetisches Beispiel sei dies:
Ein Deutscher reist nach und vielleicht auch durch Teile Schwarzafrikas. Dort bewundert er die Menschen für ihre Tänze und ihre Freude an der Bewegung. Er merkt auch, dass auf Konflikte zwischen Menschen oft erst weniger mit dem Kopf reagiert wird, denn als mit Kraft oder mit Wutausbrüchen. Ihm fällt auch auf, dass die Ausdrucksfähigkeit der Menschen dort eine andere ist, als die, die er von den Menschen seiner Heimat her kennt. In Schwarzafrika wird spontaner, lauter und freier gelacht, auch häufiger, allerdings wird auch Ärger sehr viel expressiver gezeigt. All diese beobachtbaren Differenzen bringen den Reisenden zum Nachdenken und zu der Frage 'woher diese Unterschiede?'. Dann mag er nach weiterem Nachdenken vermuten, dass wir kulturell anders "trainiert" sind, und zwar so, dass wir unser Nachdenken als Problemlöser ersten Ranges kultiviert haben, und im Zusammenhang damit spontane Reaktionen und deren Ausschlag stark zurückgedrängt wurden. Dann stellt sich die Frage, was wir unterdrücken und was sich bei den Schwarzafrikanern, die er beobachtet hat, in der Spontaneität äußert. Vielleicht stellt er für sich fest, dass bei den Schwarzafrikanern eher der Körper in der spontanen Reaktion auf plötzlich entstandene "Bauchgefühle" reagiert und dass man sich dort mehr durch körperliche Reaktionen auf Emotionen zu einem eher körperlichen Ausdruck hinreißen lässt, wobei es im Fall der anderen Gruppe eher der Geist ist, die Kategorie oder der Ort des intellektuellen Denkens, der sich im Ausdruck der Deutschen zeigt, auch oft im Ausbleiben von Körperausdruck oder im eingeschränkten Gebrauch dessen.
Und bei diesem Nachdenken landet der Reisende nun bei einem Thema, das man durchaus Geist-Seele Problem nennen kann. Um dorthin zu kommen war es u. a. wichtig, zwei relevante Phänomene miteinander zu vergleichen und mit dem Nachdenken nicht bei Erkenntnissen zu stoppen, die nur für den lokalen Gebrauch Gültigkeit besitzen.
Die philosophische Reise ist hier allerdings nicht das Reisen mit dem Körper von Deutschland nach Afrika oder von dort aus zurück. Die philosophische Reise fand hier und findet immer im Kopf statt. Von außen drang ja nur das Beobachtbare ein, und nur das Beobachtbare hing an Afrika oder an Deutschland und machte eine Reise notwendig. Die Schlüsse daraus entstanden durch Denkleistung, nicht durch die Leistung der Beine oder die von Transportmitteln.
Es handelt sich beim Denken um das Verknüpfen von Ideen durch eigene Leistung. Philosophisches Reisen wäre dann nichts anderes als das Fortschreiten von Idee zu Erkenntnis zu Idee usw.. Sie findet im Kopf des Denkenden statt und kann in den Augenblicken ihrer Unternehmung auch völlig ohne reales Reisen auskommen. Es ist auch legitim zu behaupten, dass philosophisches Reisen nicht an reales Reisen gebunden ist, denn die Informationen über die Welt, über die nachgedacht wird, müssen nicht durch Reisen erst gesammelt werden, vor allem nicht in unserem Zeitalter, in dem andere die Nachrichten aus fremden Ländern und fernen Gegenden für uns zu uns transportieren. Aber abgesehen davon ergeben sich bedenkenswürdige Situationen oft ums eigene Haus herum.
Jetzt stellt sich ernsthaft die Frage, ob Vollbrechts Verständnis von philosophischen Reisen nicht völlig kontraintuitiv ist oder viel zu wörtlich genommen. Kann man nicht vielmehr jeden Tag philosophisch reisen, durch die eigene Lebenseinstellung, die unter anderem darin besteht, eigene philosophische Fragen zu formulieren und ihnen nachzugehen, denkend? Vollbrechts Artikel erklärt nicht genau genug – für eine sinnvolle Abgrenzung – ob mit dem Reisen die reale Reise gemeint ist oder vielmehr die der "Ideenreise", die im Kopf stattfindet. Schließlich führt er seine Teilnehmer durchaus nicht nur an fremde Orte dieser Welt, sondern auch an fremde Orte in ihren Köpfen.
Sollte eine philosophische Reise zum Ziel haben, die eigene philosophische Weisheit zu finden? Die vorsichtige Antwort: wenn eine philosophische Reise ein Ziel haben muss, dann wohl nur die eigene Weisheit zu finden. Die Frage ist, kann man philosophisch Reisen ohne Ziel. Das sollte man nicht ausschließen, denn immerhin existiert rein hypothetisch der Fall, dass sich (philosophische) Erkenntnis einstellt unabhängig davon, dass man dabei zielstrebig vorgegangen ist. Die Reise definiert sich also nicht durch ein Ziel. Sie kann unfreiwillig stattfinden, sogar unbewusst, und auch ein Nebenprodukt ganz anderer Bestrebungen sein. Einer philosophischen Reise ist aber immer eigen, dass der Reisende Ideen über die Welt formuliert, sozusagen produziert. Er produziert Erkenntnis, und zwar eine Erkenntnis mit bestimmen qualitativen Merkmalen: allgemein (überindividuell, global), abstrakt und die vier Kantschen Fragen betreffend. Eine philosophische Reise ist immer bewusstseinserweiternd.
Nach all diesen Erläuterungen und der Kritik erscheint die Philosophie in Vollbrechts Vorstellung des Philosophischen Reisens eher als eine Etikette. Es scheint ihm in dem Aufsatz eher um die reale Reise zu gehen, zumindest dominieren die Beschreibungen der Realreisen den Text. Tatsächlich ist das aber nur der Rahmen für eine Reise im Kopf. Im Grunde ist Vollbrecht aber gleich zweimal Reiseveranstalter: Reiseleiter und Moderator. Er führt seine Gruppe durch die Lande und durch imaginäre Räume, in denen Ideen leben und in denen sich der Mensch durchs Denken fortbewegt.
V) Schluss
Ich habe zu zeigen versucht, dass im vorliegenden Artikel einige Unklarheiten und Verständnisprobleme dadurch entstehen, dass der Schreibstil und die Textgattung gemischt ist und zwischen Wissenschaftlichkeit und Werbung, zwischen Prägnanz und Vagheit. Unklar bleibt auch, was Vollbrecht unter Philosophie genau versehen möchte und was in diesem Zusammenhang philosophisch Reisen bedeuten kann. Möglicherweise hat er selbst keine klare Vorstellung, denn verschiedenen Ideen und Modelle überschneiden sich in seinem Artikel. Ich hatte versucht, vier Grundtypen des Reisens herauszustellen und an ihnen weiterzuarbeiten im Hinblick auf eine plausible und trennscharfe Vorstellung einer philosophischen Reise. Hierbei hat sich vor allem gezeigt, dass die Realreise und die imaginäre Reise für das philosophische Reisen eine Rolle spielen, allerdings ist die Realreise der imaginären nachgeordnet. Denn es geht beim Betreiben von Philosophie um das Stellen philosophischer Fragen und Bearbeiten dieser Fragen allein im Denken des Menschen. Dieses Denken kann stimuliert werden, es kann positiven Einflüssen unterstehen, wie z.B. einem genius loci oder der anregenden Bewegung des eigenen Körpers, aber die eigentliche philosophische Reise findet im Kopf statt, und gereist wird denkend.
Ich denke, dass es durchaus möglich wäre, ein klares Bild vom philosophischen Reisen zu entwickeln, ähnlich wie ich es hier versucht habe, und dennoch das Konzept werbewirksam einzusetzen, ohne Abstriche an Klarheit und Kohärenz und ohne einen – für ungeübte Leser wissenschaftlicher Literatur – langweiligen Text zu produzieren. Gerade die Funktion einer Reise in Bezug auf das Formulieren philosophischer Ansprüche müsste noch sehr viel klarer dargestellt werden, denn hierbei dreht es sich um eine elementare Frage: wie kommen wir zu Erkenntnis? Und im Sinne der Praktiker: was können wir tun um philosophisch zu er-leben und zu leben?
Literatur
Vollbrecht, Peter 2005: Alles Existieren ist Unterwegssein. Erfahrungen mit dem Experiment 'Philosophische Reisen'. In: Detlef Staude (Hg.): Lebendiges Philosophier
I) Einleitung 1
II) Darstellung Vollbrechts Position zum philosophischen Reisen 2
II.1) Kritikpunkte an der Form des Aufsatzes 4
II.2) Kritikpunkte am Inhalt 5
III) Vier Modelle philosophischen Reisens 7
IV) Verschiedene Typen von Fragen 11
V) Schluss 14
Literatur 15
I) Einleitung
Was kann das Reisen im Sinne der Philosophie für uns bedeuten und was ist überhaupt philosophisches Reisen? Peter Vollbrecht veranstaltet solche Reisen, die den Teilnehmern philosophische Themen näher bringen sollen, die tiefgründige Diskussionen als ein Reiseziel nennen und die an solche Orte führen, die von einem genius loci bewohnt werden, einem Geist, hier im Speziellen einem Geist der Philosophie. Der vorliegende Text von P. Vollbrecht ist eine Art Programmschrift, die auch immer wieder theoretische und methodische Bezüge aufzeigt. Der relevante Inhalt für die vorliegende Diskussion wird zuerst in Kürze dargestellt, dann folgen eine Kritik und eine analytische Darstellung von vier Modellen philosophischen Reisens. Aus der Kritik entwickele ich den Anspruch zuerst zu erläutern, was mit der Philosophie beim philosophischen Reisen gemeint sein könnte und dann gebe ich im letzten Teil der Arbeit ein fiktives Beispiel davon, wie eine solche Reise ablaufen könnte und was das Philosophische daran ist in Abgrenzung zu anderen Fragestellungen.
Ich werde mich bei all meinen Ausführungen nur auf den Artikel von Peter Vollbrecht beziehen, und somit verweisen auch alle Seitenzahlen in den Klammern hinter den Zitaten auf diesen Text .
II.) Darstellung Vollbrechts Position zum philosophischen Reisen
"Reisen ist eine hochphilosophische Tätigkeit" (11) ist einer der ersten Sätze, die dem Leser des Artikels ins Auge fallen. Und er erläutert: "Fernweh und Heimweh, dahinein ist das Reisen philosophisch gespannt: die Lust auf das Fremde, auf das Offene, und der ziehende Schmerz, der die Seele ergreift, wenn sie nach Heimat sich sehnt, nach Ursprung, Ruhe und Ewigkeit. Beide Pole sind ganz wesentliche Dimensionen menschlicher Existenz, denn Existieren heißt, sich zu entwerfen auf etwas, das man noch nicht ist, wie auch – im Gegenzug – sich zu erinnern an etwas, das man nicht mehr ist. Existieren heißt, philosophisch gesprochen, hinauszustehen über Gegenwart und Präsenz […]. Existieren bedeutet, philosophisch gesehen, weniger ein Sein denn ein Werden und ein Sehen, und weil das so ist, deshalb ist Existieren immer auch wie ein Zustand des Reisens." (11f).
Beim Reisen tritt wie beim Philosophieren der Denkende irgendwann auf eine "Meta-Ebene", von der aus ihm klar wird, dass etwas als selbstverständlich Empfundenes nur so erscheint und dass es hinterfragt werden kann und auch sollte. Zu reisen kann also Reflexion erzeugen, weil man die Grenzen des Vertrauten und das Fremde und die Relativität der Zustände bewusst erlebt. Das regt dazu an, Überzeugungen jeglicher Art zu reflektieren und dadurch zu neuen zu gelangen. Die Meta-Ebene scheint für Vollbrecht vor allem der Ort philosophischen Denkens zu sein.
Eine solche Meta-Ebene nennt Vollbrecht "Gedankenlandschaft". Er erläutert: "Beim Philosophieren begegnet mir die Begeisterung bisweilen so, dass ich plötzlich eine Gedankenlandschaft kurz aufscheinen sehe, auf die hin sich das gerade Gedachte weitet und in die es sich hineinmodelliert zeigt. Mein Zugang zu dieser Gedankenlandschaft ist eher visuell als theoretisch, ja, es bereitet mir eine vergebliche Mühe, das Gesehene in dieser diskursiven Topographie zu denken." (12). Beim Versuch, den Totaleindruck dieser Landschaft zu begreifen, verschwimmt und verschwindet die Landschaft bis man nur noch einen "spröden Gedanken" in der Hand hält, "abgeschnitten von dem, was ihm Leben und Bedeutung gegeben hatte" (13). Aber das, "was meinem Denken 'eigentlich' Kraft, Motivation, Evidenz und Ausdrucksstärke gegeben hat, das kam von woanders her, das schwebte ein aus einer geistig zu visualisierenden Landschaft. Und ich kann darauf vertrauen, dass es mir erneut gelingen wird, mit meinen Gedanken philosophische Landschaften zu bereisen." (ebd.).
Für Vollbrecht ist besonders wichtig, dass Ereignisse auf das Mich des Reisenden bezogen werden können, sonst bleiben sie "kurzlebige Events auf einer kaleidoskopartigen Bühne" […]. Damit das, was ich sehe, mich auch wirklich angeht, damit das, was mir begegnet, mir begegnet, muss ich die bereiste Welt in eine Erzählung einflechten können – die wirkliche Reise wird dann begleitet von einer Reise im Kopf" (ebd.). Der Bezug zum Kontext, in dem spezielle Reiseerfahrungen gemacht werden, wird hergestellt durch die selbstständige Beschäftigung mit Themen, die mit dem jeweiligen Ort verbunden werden können. Das Reisen wirkt als synthetisierende Kraft, indem sie die einzelnen Erkenntnisse zu einem stimmigen Bild zusammenfügt.
Beim Reisen tritt der Reisende in sinnlich und geistig erfahrbare Szenerien ein. Auf einer philosophischen Reise harmonieren Thema und Ort. Die Praxis sieht so aus, dass man mit einer Gruppe irgendwohin reist, wo sich bei gutem Ambiente Themen besprechen lassen die so gewählt sind, dass sie irgendeinen Bezug zum Ort haben. Ausschlaggebende Größe ist die Kommunikation unter den Teilnehmern. Nach drei Tagen fängt die Gruppe an sich eine eigene diskursive Identität zu geben. Positionen werden bezogen und Möglichkeiten für den Rückbezug geschaffen. Der Seminarleiter ist Moderator. Er muss die Diskussion der Gruppe führen können, gerade dann, wenn ein sich verstärkender Dissens die gute Gesprächsethik zu stören droht. Dabei dürfen verschiedene Ansichten nicht nivelliert werden, aber nichtsdestotrotz müssen Anschlussmöglichkeiten für alle erhalten oder wieder geschaffen werden.
Der theoretische Gehalt dieses "Gruppenkonsens" tritt irgendwann in den Hintergrund und wird ersetzt durch die "emotionale Übereinkunft" (18). Auf dieser Basis sind auch gegenteilige Meinungen ohne anschließende Feindschaften möglich.
Es ist nun etwas schwierig, all die Ausführungen, die Petter Vollbrecht unter dem Stichwort "Philosophisches Reisen" in seinem Artikel macht, auf das philosophische Reisen zu beziehen. Ein großer Teil seines Artikels besteht darin, die Gruppendynamiken zu beschreiben. Es ist aber dabei immer noch sehr unklar, was er mit diesem speziellen Typ des Reisens eigentlich verbindet. Bei ihm überschneiden sich verschiedene Modelle des Reisens, und welches davon nun das philosophische Reisen betrifft ist schwer verständlich.
II.1) Kritikpunkte an der Form des Aufsatzes
Allgemein zu kritisieren ist, dass der Artikel sehr stark durch unterschiedliche Strategien des Schreibens gebrochen wirkt. Zum einen vermischt sich der Typ einer Programmschrift mit dem Typ eines werbenden Textes für philosophische Reisen. Dabei wird nie recht klar, welches nun die Ziele der Veranstaltungen sind, bzw. welche der mehreren Ziele den Begriff "Philosophisches Reisen" schärfen. Das wird deutlich, als Vollbrecht selbst zugibt: Ist das angenehme Gesprächsklima das Ziel der Veranstaltung oder das explorative Gespräch (17)? Das Problem hierbei ist, dass man nicht klar sieht um was es beim philosophischen Reisen vor allem gehen sollte. Was erwartet den Teilnehmer? Eine Fahrt, die unter der Flagge der Erkenntnis stattfindet oder eine Vergnügungsfahrt? Zu Erkenntnis zu kommen kann Vergnügen bereiten, aber oft muss man für einen Zugewinn an Erkenntnis hart und diszipliniert bleiben, und das Vergnügen bleibt aus. Das Verhältnis von Vergnügen und Arbeit hätte in dem vorliegenden Artikel besser geklärt werden müssen.
Die andere Problematik ist die, dass sich ein wissenschaftlicher Duktus des Schreibens mit einem eher literarischen und "vagen" Schreiben vermischt. Was mag der Satz bedeuten: "Das Subjekt wird von einem Geist ergriffen und lädt sich philosophisch auf." (12)? Die Schwierigkeit äußert sich darin, dass man an der Stelle, an denen man genau auf die Worte schauen sollte, weil es sich bei dieser Stelle um eine Beschreibung oder Definition wesentlicher Elemente Vollbrechts Theorie über die philosophische Reise handelt, nicht mehr als solche erkennt oder sich nicht darauf verlassen kann, dass man ihn hier genauestens beim Wort nehmen darf. Abgesehen davon wird das Verständnis des Textes durch diese Art zu schreiben stark erschwert. Das Problem des Schreibstils ist verzahnt mit dem der Textgattung. Peter Vollbrecht vermischt die Arten des Redens bzw. Schreibens, die dem wissenschaftlichen Text und dem literarischen oder werbenden Text eigen sind und übersieht dabei, dass die beiden Textsorten verschiedene Ansprüche an den Leser haben und umgekehrt, der Leser mit verschiedene Ansprüche an die beiden Textgattungen herangeht; beim wissenschaftlichen Text wird er definitive, klare und erläuternde Aussagen erwarten, beim literarischen Text auratische, vage und deutende Sätze.
II.2) Kritikpunkte am Inhalt
Einige zentrale Aspekte beim philosophischen Reisen werden nicht klar. Unerwähnt bleibt, was für den Autor Philosophie überhaupt ist. Das festzulegen ist schwierig, denn wie wir wissen hat die Philosophie weder einen eindeutigen Gegenstand noch eindeutige Methoden. Dennoch könnte man einen Versuch wagen, der ganz konkret an das philosophische Reisen gebunden ist und auch nur im Zusammenhang damit gedacht werden sollte. Angenommen, im Zusammenhang mit dem philosophischen Reisen ist Philosophie das Stellen einer Menge von Fragen, die einen speziellen Charakter haben, der noch zu bestimmen ist, und das Bestreben im Denken darauf eine Antwort zu finden. Diese Annahme werde ich dem Autor in Zukunft aus guten Gründen unterstellen. Die guten Gründe ergeben sich aus Vollbrechts Vorgehen, das darin besteht, durch philosophische Literatur Fragen bei den Teilnehmern zu evozieren, die diesen speziellen Charakter haben. An dieser Stelle muss noch nicht klar sein, worin dieser spezielle Charakter zu bestehen hat. Es ist ja so, dass die Fragen im Rahmen des philosophischen Reisens bei Vollbrecht grundsätzlich philosophisch sind, denn sie entstammen der Philosophie der gelesenen Autoren.
Ein weiterer inhaltlicher Kritikpunkt ist die mangelhafte Bestimmung dessen, was Peter Vollbrecht als eine "Gedankenlandschaft" erläutert (12). Man vermutet augenblicklich, dass damit ein konsistenter Zusammenhang aus einzelnen Erkenntnissen gemeint ist, der dem Denkenden etwas klarmacht, etwas begreifen lässt. Und man vermutet auch, dass man diese Landschaft abgehen kann, Gedanke für Gedanke. Aber er scheint etwas ganz anderes damit zu meinen. Eher einen Eindruck von etwas, das vage Empfinden davon, dass etwas Sinn macht. Vielleicht ist darunter zu verstehen, dass jemand plötzlich weiß, "wie die Dinge laufen", es aber nicht anderen und sich selbst klarmachen kann. Der Begriff der Gedankenlandschaft oder "Ideenlandschaft" (ebd.) ist dafür aber ungeeignet, denn eine Landschaft kann doch üblicherweise abgegangen und überschaut werden. Bei Vollbrecht ist sie hingegen so fragil, dass man, wenn man das beschreitet, aus was sie bestehen soll, nämlich Gedanken und Ideen, einfach verschwimmt oder verschwindet. Das ist völlig unplausibel, wenn man die Metapher der Gedankenlandschaft ernst nimmt.
Vermutlich will der Autor hier nicht so ernst genommen werden und ich würde mich mit diesem Punkt auch nicht so abmühen, wenn ich darin nicht so viel von dem vermuten würde, was das Konzept des philosophischen Reisens eigentlich ausmachen könnte. Hier geht es nämlich um eine Reise, die im Kopf stattfindet, und nicht auf Land. Und es scheint auch so, dass das, was innerhalb der Gruppe der philosophisch Reisenden passiert, mit dem Begriff der Gedankenlandschaft sehr viel zu tun haben kann. Bei der gemeinsamen Diskussion lassen die Teilnehmer Stück für Stück eine Gedankenlandschaft entstehen, eine Landschaft aus Ideen und Begriffen und ihren Zusammenhängen. In diese scheinen sie allesamt hineingestellt zu sein, Tag für Tag mehr, sonst würden sie ja immer aneinander vorbei reden. Nur ist es in diesem Fall nicht so, dass die Landschaft von Anfang an für alle gegeben ist, sondern vielmehr, dass sie entweder erst erschaffen wird oder gefunden wird. Die erste Möglichkeit scheint plausibler zu sein, denn wenn es darum geht eine philosophische Position oder Theorie zu verstehen, muss man sie für sich selbst erst einmal neu erdenken – sie ist ja noch nicht im eigenen Kopf angelegt.
III) Vier Modelle philosophischen Reisens
Peter Vollbrecht verwendet drei oder vier verschiedene Modelle bzw. hat drei oder vier verschiedene Vorstellungen in seinem Artikel, die möglicherweise seiner Meinung nach nicht alle zutreffen mögen oder nur Teilaspekte eines Modells sind, dass dann aber mindestens mit einer großen Unklarheit behaftet ist, und zwar ob die eigentlich philosophische Reise primär im Kopf stattfindet und sekundär in der realen Welt oder umgekehrt. Ich will nun kurz die vier möglichen Modelle vorstellen.
1. Man philosophiert im Zusammenhang mit philosophischer Lektüre an den Orten, an denen sich die Autoren der Lektüren zu Lebzeiten auch aufgehalten haben und an denen diese Autoren die entsprechende Lektüre auch entwickelt haben. Z.B. liest man Nietzsches Moralphilosophie in Sils Maria in der Schweiz, wo er einst auf Kur war. Durch die Geschichte der Orte ist die Atmosphäre mit einem genius loci aufgeladen (14), das ist ein geistiges Klima, das an einem bestimmten Ort herrscht. Auf diese Weise stimuliert, eine Verknüpfung aus Ort und Autor, bekommt die Diskussion eine zusätzliche Bedeutung, die die Teilnehmer motiviert. Dabei ist wieder etwas unklar, ob die reale Reise lediglich sekundär ist, und die Reise durch Nietzsches Ideenwelt primär. Wie gesagt: diese Unterscheidung ist aber wichtig, wenn es darum geht zu klären, welche Stellung das Philosophische hat in dem Konzept des philosophischen Reisens.
Es kann auch darum gehen, die inspirierenden Kräfte der Atmosphäre dazu zu nutzen, die philosophischen Anstrengungen der örtlichen "Ideenschmieden" zu reflektieren. Damit ist gemeint, dass man in die Toskana fährt um die Renaissancephilosophie zu diskutieren und zu erörtern. Hier befindet man sich an dem Entstehungsort eines Themas oder einer Schule, deren Autoren nicht unbedingt in diesen Gebieten ihre Texte geschrieben haben müssen. Das Prinzip der beiden ersten Modelle ist das Stimulieren des gehobenen Denkens durch die Aura eines Ortes.
2. Im zweiten Modell "[…] kommt dem Wandern die Bedeutung zu, der Stimme der Natur zu lauschen – unverstellt von philosophischen Theoremen. Im Wandern wird der Begriff herausgefordert; Wandern und Philosophieren bringen Kopf und Körper zusammen, Sinnlichkeit und Verstand, Wandern und Philosophieren meinen den ganzen Menschen." (15). Hier deutet sich ein Verständnis davon an, dass mit philosophischem Reisen mehr gemeint sein könnte als nur an einem ferneren Ort zu verweilen und zu philosophieren. Die Bewegung des Reisens, das Sich-Bewegen durch den Realraum führt bei diesem Modell dazu, dass philosophische Ideen evoziert werden. Außerdem spielt hier die Natur als Erscheinung eine Rolle. Insgesamt geht es darum die Lücke zwischen Geist und Körper, die Spannungen zwischen beiden Polen dazu zu nutzen, das Denken herauszufordern. Kurz gesagt, die Aktivität des Körpers fördert die Aktivität des Geistes. Und die Befreiung des Körpers aus der Starre befreit auch den Geist. Hier geht es um eine Technik, besser Denken zu können.
Es spielt hier auch die Idee eine Rolle, dass die Natur selbst Kenntnis von der Welt besitzt, weil sie selbst Welt ist. Wenn man nur ruhig wird und das Rauschen im eigenen Kopf einer Stille weicht, in die hinein die Natur ihre Weisheit sprechen kann, dann erkenne man auf sanftem Wege entscheidende Zusammenhänge.
Zuletzt spielt hier die Idee von einer ganzheitlichen Philosophie eine Rolle. Körper und Geist sind eine Einheit. Das eine funktioniert nur gut, wenn das andere in einem Gleichgewicht dazu steht.
3. Dann gibt es noch die Möglichkeit, dass man tatsächlich reist und dabei philosophiert. Diese wird von Peter Vollbrecht gar nicht so explizit genannt. Reisen kann auch bedeuten, unterwegs zu sein. Verbringt man eine Woche lang in Sils Maria, und jeweils einen halben Tag für Hin- und Rückreise, dann scheint es doch etwas fundamental anderes zu sein, wenn man sich auf eine Reise begibt, die einen über die Reisezeit immer wieder zu neuen Orten führt, bis man schließlich irgendwo ankommt und die Reise für einen zu Ende ist. Die Ruhe, die bei den anderen Modellen möglich ist, ist hier nur eingeschränkt gegeben. Unruhe und Impressionen, die stillen Momente der Verschnaufpausen oder der Zwangspausen beim Reisen reagieren dann mit den unausweichlich gemachten und gesammelten Erkenntnissen über die Welt, die an einem vorbeigezogen ist. Bei einer solchen Reise sind Begegnungen garantiert, Begegnungen mit der Natur aber auch mit Menschen, die aus völlig anderen Orten stammen, die jeweils andere Geschichten haben, sowohl individuelle Geschichten als auch Gemeinschaftsgeschichten. Man begegnet anderen Sitten, anderen Sprachen, anderen Weisheiten und vielem mehr. Bei dieser Art des Reisens wird man stärker anderen Sachverhalten gegenübergestellt als bei den vorherigen Modellen. Die Frequenz neuer Eindrücke muss nicht zwangsläufig höher sein, denn das hängt von der Verarbeitungsstrategie oder den Gewohnheiten des Reisenden ab. Auch während einer Woche in Sals Maria kann man theoretisch ebenso viele neuartige Eindrücke sammeln wie während einer Woche Reisen entlang der australischen Ostküste. Aber in dem Bergdorf trifft man auf eine Gemeinschaftsgeschichte, auf eine Sozialstruktur oder auf eine Infrastruktur. Vielleicht mag man die Erkenntnismöglichkeiten des dritten Modells eher als horizontal beschreiben, als flächig, und die des ersten und zweiten Modells eher als vertikal, als vertiefend.
4. Das mögliche vierte Modell ist die imaginäre Reise, auch kurz von Peter Vollbrecht angerissen (13). Dabei handelt es sich wahrscheinlich um das Erzeugen einer eigenen Ideenlandschaft, oder einer Gedankenlandschaft. Es geht darum, Erkenntnisse zu haben und aus ihnen auf grundsätzliche Aussagen zu kommen, indem man verschiedene Erkenntnisse durch Vergleiche hervorbringt und sie zueinander in Beziehung setzt. Es ist hier möglich sich überhaupt nicht im Realraum zu bewegen, also man kann auf das reale Reisen völlig verzichten. Hier geht es um eine innere Welt. Wobei diese innere Welt keine künstlerische oder sonst wie Geartete ist, sondern eine philosophische, die ihre Eigenheiten in den speziellen Fragen hat, die der Philosoph an die Welt stellt und an den Antworten, die er dafür als adäquat empfindet. Bei dieser Welt dreht es sich im besten Falle um eine elaborierte philosophische Theorie, ansonsten aber um eine Sammlung philosophischer Fragen und Erkenntnisse, die noch nicht in einem Zusammenhang stehen, vielleicht auch gar nicht stehen können, wenn sie sich auf ganz unterschiedliche Gegenstände beziehen. Aber wie auch immer, man kann das argumentative und konzeptionelle Denken, das sich aus philosophischen Fragestellungen ergibt, als eine philosophische Reise betrachten.
Es stellt sich allerdings unter dieser Perspektive die Frage, ob man nur alleine Reisen kann oder auch in der Gruppe. Die Frage muss wohl so beantwortete werden, dass eine philosophische Reise im Sinne des vierten Modells nur eine alleinige Reise sein kann, denn im eigenen Kopf denkt nur der Denker selbst. Und da es eine Reise ist, die nur über das Denken stattfindet, so wird man auf ihr alleine bleiben. Alles, was andere Menschen dazu beitragen können, sind Denkanstöße.
Bei allen vier Modellen ist die reale Reise keine Bedingung dafür, die letzten Endes stattfindende philosophische Diskussion (und Reise?) durchführen zu können. Trotzdem spielt bei Vollbrecht diese reale Reise natürlich eine dominante Rolle. Dass es einem Leser so erscheinen mag liegt vermutlich an der Textgattung, die ja wie schon erwähnt eine werbende Note hat, denn Peter Vollbrecht verdient mit diesen Reisen Geld und womöglich ist es die einzige Verdienstquelle. Die philosophische Reise erinnert einen deshalb in der Darstellung des Artikels eher an eine literarische Reise. Und so drängt sich einem das Gefühl auf, dass der Wert der Reise sehr viel mehr in ihrem Unterhaltungswert liegt als in dem Streben der Teilnehmer nach Bewusstseinserweiterung und Erkenntniszugewinn.
Nun sollte, aufbauend auf Vollbrechts Darstellung, der Frage nachgegangen werden, was eine philosophische Reise im Kern ausmachen müsste und inwieweit Vollbrechts Darstellung davon abweicht bzw. wo sie die Thematik unklar anreißt. Ich habe eingangs schon erwähnt, dass ich in dieser Arbeit Philosophie mit großer Vorsicht durch das Stellen spezieller Fragen und deren Beantworten und nur in Anlehnung an das philosophische Reisen charakterisieren will.
IV) Verschiedene Typen von Fragen
Es gibt unterschiedliche Typen von Fragen. Eine soziologische Frage wäre es, wenn man fragte 'wieso streben die Bolivianer nach Möglichkeiten im Ausland zu studieren oder zu arbeiten?'. Eine philosophische Frage, die sich an diese Frage anhängen lässt, aber auf einem viel abstrakteren Level steht, könnte sein 'wieso strebt der Mensch?'. Die erste Frage ist eindeutig eine sozialwissenschaftliche, wobei letztere das auch sein könnte, aber durchaus eine legitime Frage für einen Philosophen ist.
Dieses Beispiel soll auch zeigen, dass es unterschiedliche Frageinhalte gibt und dass man in dieser Menge nicht-philosophische Fragestellungen sehr gut erkennen und sie anderen Disziplinen zuordnen kann. Von Bedeutung ist allerdings, dass beim tatsächlich stattfindenden Reisen verschiedene Fragen erst entstehen und an die Umwelt gestellt werden, immer auch inspiriert durch die ständig wechselnde Szene, und dass es aber prinzipiell immer möglich ist, diese spezifischeren Fragen in generellere Fragen münden zu lassen. Die allgemeinen Fragen sind dann möglicherweise typisch philosophische Fragen, die durch ihre Diskussion in ein Thema der Philosophie münden. Die vier Fragen, auf die jede einzelne Frage, die in ihrem Kern philosophisch ist, zurückgeführt werden kann sind, sind die vier bekannten Kantschen Fragen: Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Was ist der Mensch? Ein anschauliches aber hypothetisches Beispiel sei dies:
Ein Deutscher reist nach und vielleicht auch durch Teile Schwarzafrikas. Dort bewundert er die Menschen für ihre Tänze und ihre Freude an der Bewegung. Er merkt auch, dass auf Konflikte zwischen Menschen oft erst weniger mit dem Kopf reagiert wird, denn als mit Kraft oder mit Wutausbrüchen. Ihm fällt auch auf, dass die Ausdrucksfähigkeit der Menschen dort eine andere ist, als die, die er von den Menschen seiner Heimat her kennt. In Schwarzafrika wird spontaner, lauter und freier gelacht, auch häufiger, allerdings wird auch Ärger sehr viel expressiver gezeigt. All diese beobachtbaren Differenzen bringen den Reisenden zum Nachdenken und zu der Frage 'woher diese Unterschiede?'. Dann mag er nach weiterem Nachdenken vermuten, dass wir kulturell anders "trainiert" sind, und zwar so, dass wir unser Nachdenken als Problemlöser ersten Ranges kultiviert haben, und im Zusammenhang damit spontane Reaktionen und deren Ausschlag stark zurückgedrängt wurden. Dann stellt sich die Frage, was wir unterdrücken und was sich bei den Schwarzafrikanern, die er beobachtet hat, in der Spontaneität äußert. Vielleicht stellt er für sich fest, dass bei den Schwarzafrikanern eher der Körper in der spontanen Reaktion auf plötzlich entstandene "Bauchgefühle" reagiert und dass man sich dort mehr durch körperliche Reaktionen auf Emotionen zu einem eher körperlichen Ausdruck hinreißen lässt, wobei es im Fall der anderen Gruppe eher der Geist ist, die Kategorie oder der Ort des intellektuellen Denkens, der sich im Ausdruck der Deutschen zeigt, auch oft im Ausbleiben von Körperausdruck oder im eingeschränkten Gebrauch dessen.
Und bei diesem Nachdenken landet der Reisende nun bei einem Thema, das man durchaus Geist-Seele Problem nennen kann. Um dorthin zu kommen war es u. a. wichtig, zwei relevante Phänomene miteinander zu vergleichen und mit dem Nachdenken nicht bei Erkenntnissen zu stoppen, die nur für den lokalen Gebrauch Gültigkeit besitzen.
Die philosophische Reise ist hier allerdings nicht das Reisen mit dem Körper von Deutschland nach Afrika oder von dort aus zurück. Die philosophische Reise fand hier und findet immer im Kopf statt. Von außen drang ja nur das Beobachtbare ein, und nur das Beobachtbare hing an Afrika oder an Deutschland und machte eine Reise notwendig. Die Schlüsse daraus entstanden durch Denkleistung, nicht durch die Leistung der Beine oder die von Transportmitteln.
Es handelt sich beim Denken um das Verknüpfen von Ideen durch eigene Leistung. Philosophisches Reisen wäre dann nichts anderes als das Fortschreiten von Idee zu Erkenntnis zu Idee usw.. Sie findet im Kopf des Denkenden statt und kann in den Augenblicken ihrer Unternehmung auch völlig ohne reales Reisen auskommen. Es ist auch legitim zu behaupten, dass philosophisches Reisen nicht an reales Reisen gebunden ist, denn die Informationen über die Welt, über die nachgedacht wird, müssen nicht durch Reisen erst gesammelt werden, vor allem nicht in unserem Zeitalter, in dem andere die Nachrichten aus fremden Ländern und fernen Gegenden für uns zu uns transportieren. Aber abgesehen davon ergeben sich bedenkenswürdige Situationen oft ums eigene Haus herum.
Jetzt stellt sich ernsthaft die Frage, ob Vollbrechts Verständnis von philosophischen Reisen nicht völlig kontraintuitiv ist oder viel zu wörtlich genommen. Kann man nicht vielmehr jeden Tag philosophisch reisen, durch die eigene Lebenseinstellung, die unter anderem darin besteht, eigene philosophische Fragen zu formulieren und ihnen nachzugehen, denkend? Vollbrechts Artikel erklärt nicht genau genug – für eine sinnvolle Abgrenzung – ob mit dem Reisen die reale Reise gemeint ist oder vielmehr die der "Ideenreise", die im Kopf stattfindet. Schließlich führt er seine Teilnehmer durchaus nicht nur an fremde Orte dieser Welt, sondern auch an fremde Orte in ihren Köpfen.
Sollte eine philosophische Reise zum Ziel haben, die eigene philosophische Weisheit zu finden? Die vorsichtige Antwort: wenn eine philosophische Reise ein Ziel haben muss, dann wohl nur die eigene Weisheit zu finden. Die Frage ist, kann man philosophisch Reisen ohne Ziel. Das sollte man nicht ausschließen, denn immerhin existiert rein hypothetisch der Fall, dass sich (philosophische) Erkenntnis einstellt unabhängig davon, dass man dabei zielstrebig vorgegangen ist. Die Reise definiert sich also nicht durch ein Ziel. Sie kann unfreiwillig stattfinden, sogar unbewusst, und auch ein Nebenprodukt ganz anderer Bestrebungen sein. Einer philosophischen Reise ist aber immer eigen, dass der Reisende Ideen über die Welt formuliert, sozusagen produziert. Er produziert Erkenntnis, und zwar eine Erkenntnis mit bestimmen qualitativen Merkmalen: allgemein (überindividuell, global), abstrakt und die vier Kantschen Fragen betreffend. Eine philosophische Reise ist immer bewusstseinserweiternd.
Nach all diesen Erläuterungen und der Kritik erscheint die Philosophie in Vollbrechts Vorstellung des Philosophischen Reisens eher als eine Etikette. Es scheint ihm in dem Aufsatz eher um die reale Reise zu gehen, zumindest dominieren die Beschreibungen der Realreisen den Text. Tatsächlich ist das aber nur der Rahmen für eine Reise im Kopf. Im Grunde ist Vollbrecht aber gleich zweimal Reiseveranstalter: Reiseleiter und Moderator. Er führt seine Gruppe durch die Lande und durch imaginäre Räume, in denen Ideen leben und in denen sich der Mensch durchs Denken fortbewegt.
V) Schluss
Ich habe zu zeigen versucht, dass im vorliegenden Artikel einige Unklarheiten und Verständnisprobleme dadurch entstehen, dass der Schreibstil und die Textgattung gemischt ist und zwischen Wissenschaftlichkeit und Werbung, zwischen Prägnanz und Vagheit. Unklar bleibt auch, was Vollbrecht unter Philosophie genau versehen möchte und was in diesem Zusammenhang philosophisch Reisen bedeuten kann. Möglicherweise hat er selbst keine klare Vorstellung, denn verschiedenen Ideen und Modelle überschneiden sich in seinem Artikel. Ich hatte versucht, vier Grundtypen des Reisens herauszustellen und an ihnen weiterzuarbeiten im Hinblick auf eine plausible und trennscharfe Vorstellung einer philosophischen Reise. Hierbei hat sich vor allem gezeigt, dass die Realreise und die imaginäre Reise für das philosophische Reisen eine Rolle spielen, allerdings ist die Realreise der imaginären nachgeordnet. Denn es geht beim Betreiben von Philosophie um das Stellen philosophischer Fragen und Bearbeiten dieser Fragen allein im Denken des Menschen. Dieses Denken kann stimuliert werden, es kann positiven Einflüssen unterstehen, wie z.B. einem genius loci oder der anregenden Bewegung des eigenen Körpers, aber die eigentliche philosophische Reise findet im Kopf statt, und gereist wird denkend.
Ich denke, dass es durchaus möglich wäre, ein klares Bild vom philosophischen Reisen zu entwickeln, ähnlich wie ich es hier versucht habe, und dennoch das Konzept werbewirksam einzusetzen, ohne Abstriche an Klarheit und Kohärenz und ohne einen – für ungeübte Leser wissenschaftlicher Literatur – langweiligen Text zu produzieren. Gerade die Funktion einer Reise in Bezug auf das Formulieren philosophischer Ansprüche müsste noch sehr viel klarer dargestellt werden, denn hierbei dreht es sich um eine elementare Frage: wie kommen wir zu Erkenntnis? Und im Sinne der Praktiker: was können wir tun um philosophisch zu er-leben und zu leben?
Literatur
Vollbrecht, Peter 2005: Alles Existieren ist Unterwegssein. Erfahrungen mit dem Experiment 'Philosophische Reisen'. In: Detlef Staude (Hg.): Lebendiges Philosophier
Aus Ton (Müsch) & Holz (Roth) 2007
Formen und Strukturen im Holz ‚sehen’.
Zu den Objekten von Mike Roth
in der Ausstellung „Aus TON (Müsch) und HOLZ“ 2007, bis 16.8. RADOLFZELL am Bodensee, Galerie DREIart, Regiment-Piemontstr. 7 Tel 07732 55 88 1
Ich freue mich, ein paar Worte sagen zu können zu den Skulpturen von Mike Roth,
und ich möchte mit zwei Vorbemerkungen beginnen:
Die hier ausgestellten Arbeiten von Mike Roth sind Stücke einer großen Passion, und wenn diese in Worten ausdrückbar wäre, dann bräuchte es nicht diese über-raschenden Formen und Strukturen aus Holz und die Veränderungen, die sie in diesem Raum z.B. bewirken.
Was ich sagen werde hat die Form von fünf kleinen Annäherungen, und ich werde mich dabei der einen oder anderen Arbeit von Mike Roth auch räumlich nähern.
Annäherung 1: Sinnliche Erfahrung
‚Verhüllt’, Ulme (Nr.3);
‚Philo-Surf’, Linde (Nr.1);
‚unterwegs’, istrische (Blitz)-Linde (Nr. 41).
Zu den Objekten von Mike Roth
in der Ausstellung „Aus TON (Müsch) und HOLZ“ 2007, bis 16.8. RADOLFZELL am Bodensee, Galerie DREIart, Regiment-Piemontstr. 7 Tel 07732 55 88 1
Ich freue mich, ein paar Worte sagen zu können zu den Skulpturen von Mike Roth,
und ich möchte mit zwei Vorbemerkungen beginnen:
Die hier ausgestellten Arbeiten von Mike Roth sind Stücke einer großen Passion, und wenn diese in Worten ausdrückbar wäre, dann bräuchte es nicht diese über-raschenden Formen und Strukturen aus Holz und die Veränderungen, die sie in diesem Raum z.B. bewirken.
Was ich sagen werde hat die Form von fünf kleinen Annäherungen, und ich werde mich dabei der einen oder anderen Arbeit von Mike Roth auch räumlich nähern.
Annäherung 1: Sinnliche Erfahrung
‚Verhüllt’, Ulme (Nr.3);
‚Philo-Surf’, Linde (Nr.1);
‚unterwegs’, istrische (Blitz)-Linde (Nr. 41).
Wünschbar: das Ertasten der Materialität und der Form der Objekte in einem Raum ohne Licht; die Fingerspitzen sind die Augen, das Sehen ist punktuell und geht von Kontaktpunkt zu Kontaktpunkt. Ertasten von ‚Verhüllt’, ‚Philo-Surf’, ‚unterwegs’, Ertasten von Ulme und Linde.
Im Raum hier: das visuelle ‚Erfassen’, die Ganzheit und Dauer der Objekte; das Ent-decken von Raum-Konfigurationen: Figuren-Ensembles, Trio-, Quartett-, Sextett-Konfigurationen. Auch Holz- und Ton-Figuren als Ensemble und Ver-bindungsbahnen: die riesige Ton-Kette, die Seil-Schlingungen, die Fäden durch die ‚Offene Mitte mit spitzen Flügeln’ (Trauerweide). Was verändert sich, wenn eins hinzukommt, und was, wenn eins entfernt wird?
Annäherung 2: Prozesse der Veränderung
‚Offene Mitte mit spitzen Flügeln’, Trauerweide (Nr.34)
Annäherung 2: Prozesse der Veränderung
‚Offene Mitte mit spitzen Flügeln’, Trauerweide (Nr.34)
Mike Roth spricht vom ‚Schwärmen im Holz’. Der Prozess des Ausschwärmens auf der Suche nach Resonanzobjekten, Bienen-Arbeit. Der Prozess der Schneidens transportierbarer Teilelemente und das Heimbringen ins ‚Feigenbaum-Atelier’ auf der Reichenau von kostbaren Holzproben von Riesenbäumen, im Holz materialisiertes Alter. Der Prozess des Reinigens, das Abtrennen der Borken-Oberflächen. Das Be-arbeiten der mitgebrachten Form, vorbearbeitet von Witterung und Zeit. Das Freilegen von Kern-Holz und das Anlegen einer neuen Form im Dialog mit der alten:
„Libérez la forme sans violence“ ¹– die zwanglose Befreiung der Form.
¹) so der Spruch an der Wand eines Collège in Le Havre
Prozesse der Veränderung im bearbeiteten Objekt – und im Bearbeiter: Privileg der Schöpferischen. - ‚Offene Mitte mit spitzen Flügeln’, Trauerweide.
Annäherung 3: Bedeutungsvolle Objekte
‚Reiner Buchenengel’, Buche (Nr. 11);‚Himmelsleiter’, Hainbuche (Nr. 10); ‚Altes Paar’, Hainbuche (Nr. 9); ‚Kriegskind’, Ulme (Nr.27); ‚dreibeiniger Odyss’, Leib: (vom Abstürzen ins Mittelmeer gerettete) Felsenbirne, Kopf: Kiefer (Nr. 28);
‚Kuno’, Linde (Nr. 31)
Die Form als mentale Vorstellung wird materialisiert, wird auf eine Form aus Holz projiziert. Markierungen im Holz werden im Auge des Künstlers, des Betrachters zu einer neuen Struktur verbunden, kreatives Sehen. Konkrete Objekte werden mit persönlichen Erlebnissen oder mit kulturellem Wissen verbunden. „Wir sehen nicht mit dem Auge sondern mit dem Gedächtnis und deshalb auch mit Gefühlen und Sprache. Visuelle Kommunikation ist „dual codiert“, d.h. man muss sich ein Bild [eine Skulptur (D.M.)] auch „erzählen“ können, um es „sinnvoll“ sehen zu können.“ (Bernd Scheffer ( vgl. http:// www.bernd-scheffer.de/fotografik/galerie09.htm))
Annäherung 4: sehen, sich sehen, gesehen werden
‚Selbstporträt’, Tanne (Nr. 14)
Sie ausgestellten Objekte sind aus der privaten Sphäre herausgenommen und öffentlich zugänglich gemacht, ausgestellt. Arten des Gestaltens und Formen des Sehens von Mike Roth werden uns zugänglich gemacht. Sie werden Objekte des Sehens im Auge des Betrachters, der sich selbst beobachten kann, wie er wahrnimmt und reagiert, und der die andern beobachten kann, wie sie wahrnehmen und reagieren. „Wir ‚sehen’ auf bestimmte Weise, d.h. wir interpretieren sensorische Informationen aufgrund bestimmter Regeln, entsprechend einer Lebensweise. Aber diese Regeln sind alles andere als konstant. Wir lernen vielmehr ständig neue Regeln und Interpretationen und sehen daher buchstäblich auf neue Weise.“ (Raymond Williams (vgl. Bernd Scheffer, a.a.0. galerie04)) - ‚Selbstporträt’, Tanne.
Annäherung 5: Familienzugehörigkeit
‚Auf den Schultern stehend’, Wildkirsche (Nr. 39)
a) Nach neusten Funden in Baden-Württemberg begann die figürliche Darstellung vor 35 000 Jahren – soweit zurück reicht die Kette ‚Auf den Schultern stehend’.
b) Nach keltischer Tradition waren in Bäumen große mystische und spirituelle Kräfte verborgen, und in mehreren Kulturen² bedeutete Holz berühren, sich unter den Schutz von Gottheiten zu stellen. ‚Toucher du bois’ , auf Holz klopfen.
²) so in der persischen Kultur (sich unter den Schutz von Atar, der Gottheit des Feuers, zu stellen) und in der ägyptischen Kultur (von einer magnetischen Kraft profitieren)
c) Mike Roth schickte mir 1973 einen Aufsatz von Jürgen Mittelstrass³ über
Spontaneität, mit Blick auf Kant und unter Verweis auf Aristoteles. Uns Menschen zeichnen Handlungen aus, „die unseren eigenen Konstruktionen, etwa in der Mathematik oder in der Logik, dienen“ (a.a.O. 62). Wir folgen dabei „keiner Vorschrift der Natur, die uns Ziele und Zwecke aufzwingen würde“. „Was diese Handlungen auszeichnet, ist vielmehr ihr transzendentaler Charakter, insofern nämlich ohne sie die dem Menschen eigentümliche Selbständigkeit nicht realisiert würde.“ (a.a.O.) Was Mittelstrass auf theoretische Konstruktionen bezogen hat, möchte ich auch auf künstlerische Konstruktionen beziehen, auf die hier ausgestellten Arbeiten von Mike Roth - womit zwei Seiten einer Person vereint wären, der Philosoph und der Künstler.
Mike Roth: herzlichen Dank für das Entdecken von Quellen, für das „Schwärmen im Holz“, in :
Ahorn, Buche, Douglasie, Felsenbirne, Hainbuche, Hartlaub-Eiche, Kiefer, Linde, Schwarz-Erle, Tanne, Trauerweide, Ulme, Weiß-Tanne, Wildkirsche, Zypresse.
Dr. Dieter Metzing 15.7.2007
Bonn
Prof. i.R. Universität Bielefeld
³) Jürgen Mittelstrass, „Spontaneität. Ein Beitrag im Blick auf Kant.“ In: Gerold Prauss (Hg.) Kant. Zur Deutung seiner Theorie von Erkennen und Handeln, 1973, Neue Wissenschaftliche Bibliothek 63. Kiepenheuer & Witsch.
LEBENskunst & LebensKUNST I
V.M. Roth
Ein (überarbeiteter) Vortrag für gemischtes Publikum. SinnPraxis in der Galerie 3art, RADOLFzell am Bodensee. 16. Juli 007 zu Beginn der Ausstellung „Aus TON & HOLZ“*
Albert Camus im „Mythos des Sysiphos“ schreibt von jener wirklich philosophischen Frage, die er dort die einzige nennt und die man vielleicht eine erste existentielle Frage nennen könnte, nämlich (dem Sinne nach): „Nehme ich dies Leben, in das ich nicht freiwillig gekommen bin, an?“ – und ich unterstelle Ihnen, dass Sie diese Frage positiv –durch Weiterleben- existentiell beantwortet haben. Dieses JA-zum-Leben ist ein notwendiger erster Schritt: willkommen im Bereich der LEBENskunst!
Ich habe im Seminar dieses Sommersemesters 2007 „Lebenskunst in Philosophischer Praxis“ an der Uni Konstanz (htpp:/feigenblaetter.blogspot.com) Beispiele aus dem Selbsthilfezusammenhang der von Aphasie (=teilweisem Sprachverlust, meist verursacht durch Schlaganfall) ausgeführt und sie gedeutet als Erwerb von Lebenskunst unter geänderten Bedingungen, ein Leben trotz ...
Gerd Achenbach – er eröffnete 1981 in Bergisch Gladbach , Nähe Köln/Bonn, die erste Philosophische Praxis – hat in einer für mich uneinsichtigen Weise den „Lebenskünstler“ versucht schlecht zu reden. Der Münchner Philosophische Praktiker Bernd Groth charakterisiert diese Position (ohne sie zurückzuweisen) wie folgt:
„Der Lebenskünstler kenne keine Moral, sondern verstehe geschickt (immerhin!VMR) und ohne Rücksichtnahme auf Verluste (der Anderen VMR) jede Situation für sich auszunutzen“[1]
Bernd Groth selber geht es darum, „das positive Anliegen einer Lebenskunst-Philosophie aufzunehmen“ (Zusammenfassung, p.1) und dies gegen die „Kritik der Lebenskunst“ (Ffm 2007). Wobei nach seiner Einschätzung , die ich teile, ein Konzept philosopischer Lebenskunst zu haben, grundlegend für die philosophische Praxis sei (p.2).
* Geru MÜSCH (Ton) und Mike ROTH (Holz)
[1] Siehe den lesenswerten Beitrag via igpp.orgDie Zusammenfassung bezieht sich auf „Lebenskönnerschaft“, Reihe: Herder Spectrum, Freiburg i. B. 2001, 76-78
Ein (überarbeiteter) Vortrag für gemischtes Publikum. SinnPraxis in der Galerie 3art, RADOLFzell am Bodensee. 16. Juli 007 zu Beginn der Ausstellung „Aus TON & HOLZ“*
Albert Camus im „Mythos des Sysiphos“ schreibt von jener wirklich philosophischen Frage, die er dort die einzige nennt und die man vielleicht eine erste existentielle Frage nennen könnte, nämlich (dem Sinne nach): „Nehme ich dies Leben, in das ich nicht freiwillig gekommen bin, an?“ – und ich unterstelle Ihnen, dass Sie diese Frage positiv –durch Weiterleben- existentiell beantwortet haben. Dieses JA-zum-Leben ist ein notwendiger erster Schritt: willkommen im Bereich der LEBENskunst!
Ich habe im Seminar dieses Sommersemesters 2007 „Lebenskunst in Philosophischer Praxis“ an der Uni Konstanz (htpp:/feigenblaetter.blogspot.com) Beispiele aus dem Selbsthilfezusammenhang der von Aphasie (=teilweisem Sprachverlust, meist verursacht durch Schlaganfall) ausgeführt und sie gedeutet als Erwerb von Lebenskunst unter geänderten Bedingungen, ein Leben trotz ...
Gerd Achenbach – er eröffnete 1981 in Bergisch Gladbach , Nähe Köln/Bonn, die erste Philosophische Praxis – hat in einer für mich uneinsichtigen Weise den „Lebenskünstler“ versucht schlecht zu reden. Der Münchner Philosophische Praktiker Bernd Groth charakterisiert diese Position (ohne sie zurückzuweisen) wie folgt:
„Der Lebenskünstler kenne keine Moral, sondern verstehe geschickt (immerhin!VMR) und ohne Rücksichtnahme auf Verluste (der Anderen VMR) jede Situation für sich auszunutzen“[1]
Bernd Groth selber geht es darum, „das positive Anliegen einer Lebenskunst-Philosophie aufzunehmen“ (Zusammenfassung, p.1) und dies gegen die „Kritik der Lebenskunst“ (Ffm 2007). Wobei nach seiner Einschätzung , die ich teile, ein Konzept philosopischer Lebenskunst zu haben, grundlegend für die philosophische Praxis sei (p.2).
* Geru MÜSCH (Ton) und Mike ROTH (Holz)
[1] Siehe den lesenswerten Beitrag via igpp.orgDie Zusammenfassung bezieht sich auf „Lebenskönnerschaft“, Reihe: Herder Spectrum, Freiburg i. B. 2001, 76-78
Montag, Juli 09, 2007
Harry Wolf: Die Frage nach dem Sinn des Lebens
Die Frage nach dem Sinn des Lebens wird am häufigsten mit der Philosophie in Verbindung gebracht
Jeder stellt sich die Frage irgendwann
1. Teil
Analyse der Frage: Sinn des Lebens
Leben: - Was ist der Sinn all dieses Lebens auf der Welt
- Was ist der Sinn der belebten Welt
- Was ist der Sinn meines individuellen Lebens
Also: - einen Grund zum Leben haben
- zu wissen, warum man auf der Welt ist
Sinn: à Was bedeutet Sinn?
- Was meinen wir z. B. mit sinnvoll?
Exkurs: Zusammenhänge wie z. B. Urzeigersinn, Orientierungssinn
Also: Richtungsanzeigende Wörter, z. B. italienisches Wort sentiero (= Weg)
- nach dieser Deutung: Richtung, Ausrichtung, Weg des Lebens
- Analogie: Fehlt uns der Sinn des Lebens, fällt es uns schwer uns i Leben zu orientieren.
- Überleitung mit Heidegger zur Verständlichkeit von Etwas
° sinnlos = nicht verständlich
° individueller Verständnishorizont = meine Beschreibung der Welt
2. Teil
Wann taucht die Frage auf?
In Problemlagen
In Zukunftsperspektiven
Auch Zukunftsgestaltung (Wertorientierung/Wertkonflikte)
mögliche Antwortgeber:
Religion: „Du sollst den Herrn, dein Gott, lieben und deinen Nächsten, wie dich selbst!“
Goethe: „Edel sei der Mensch, hilfreich und gut!“
„Glücklich sein und andere glücklich machen
Freude ist der Sinn des Lebens
Utilitarismus ausgehend von Epikur – Lust als höchstes Gut
Tautologie: Der Sinn des Lebens ist das Leben selbst
· Es geht also um das Leben an sich
· Also: Was macht das Leben lebenswert
· Die Summe dessen wäre dann der Sinn des Lebens
Die Einführungen von Begriffen wie Glück bleiben in diesem Kontext ungeklärt
- in schweren Zeiten geht uns der Blick dafür verloren
Problematisierung der Sinnfrage: Vieles in der Welt ist sinnlos z. B. Krieg, Tot, Hunger usw.
Mensch als Sinnzerstörer
Frage: Gehört der Tod nicht auch zum Leben oder ist er eher das Ende de Lebens
3. Teil
Ein historischer Rückblick:
Frage erst seit Ende des 19. Jahrhunderts
Freud: „Wer die Frage stellt ist krank!“
Nietzsche: (Nihilismus) „Gott ist tot und wir haben ihn umgebracht!“
Dostojewski: „Wenn Gott tot ist, dann ist alles erlaubt!“
Neuheit: Sinnlosigkeit wird zum Problem
In manchen Lebenslagen erscheint der Tod besser als das Weiterleben
Selbstmordgefahr: nach Albert Camus einziges wirkliches philosophisches Problem
o Er plädiert dafür die Absurdität und Sinnlosigkeit der Welt auszuhalten
o Folge: Versuch der Entkrampfung des Umganges mit der Sinnfrage
o Wäre es so schlimm, wenn es keinen tieferen Sinn gäbe?
o Frage: woher diese Sinnerwartung
Erklärung: Sinnsysteme - Wir sind herausgefallen (z. B. Christentum) und suchen jetzt neuen Halt in neuen Sinnsystemen
Untersuchung zum Verhältnis von Sprache und Welt:
o Wenn das Leben einen Sinn haben soll, dann müssen wir ihm einen geben!
o Mensch als Sinnstifter und nicht Sinnfinder
o „Habe den Mut, den Sinn deines Lebens stets neu zu erfinden
Anmerkung: Der Sinn des Lebens ≠ meinem Leben einen Sinn geben
Sinn kann auch Zweck bedeuten
Allgemeine Analyse der Frage wird im Vorfeld ausgegrenzt
Analyse der Frage nach dem Sinn des Lebens scheint etwas anderes als eine Gebrauchsanweisung, wie ich meinem Leben einen Sinn geben kann
Protokoll von S. G.
Anmerkung:
Der transskript-Verlagslektor hatte in den Beiträgen zu "Lebendiges Philosophieren. Philosophische Praxis im Alltag" (2005) die Leser nicht mit Anmerkungen abschrecken wollen.
Auf eine Nachfrage hin gab der Autor rasch diese Antwort: "Das Zitat von Heidegger findet sich in Sein und Zeit auf Seite 151: "Sinn ist das, worin sich Verständlichkeit von etwas hält."
(im Beitrag zum Sin des Lebens S. 108)
Das Zitat von Freud (im Beitrag S. 111) findet sich in: Siegmund Freud: Briefe 1873 - 1931.Ausgewählt und Herausgegeben von Ernst L. Freud. Frankfurt am Main 1916. An Maria Bonaparte 13. August 1937, a.a.O. p. 429: "Im Moment, da man nach Sinn und Wert des Lebens fragt, ist man krank, denn beides gibt es ja in objektiver Weise nicht: man hat nur eingestanden, dass man einen Vorrat an unbefriedigter Libido hat, und irgend etwas anderes muss damit vorgefallen sein, eine Art Gärung, die zu Trauer und Depression führt. Grossartig sind diese meine Aufklärungen gewiss nicht." Gefunden in: Hermann Lübbe: Religion nach der Aufklärung. Wilhelm FinkVerlag, München 2004. S. 180. Gruss Harry
Siehe auch: Anette S. Fintz, Die Kunst der Beratung, Bielefeld und Locarno 2006 , Anhang
Die Frage nach dem Sinn des Lebens wird am häufigsten mit der Philosophie in Verbindung gebracht
Jeder stellt sich die Frage irgendwann
1. Teil
Analyse der Frage: Sinn des Lebens
Leben: - Was ist der Sinn all dieses Lebens auf der Welt
- Was ist der Sinn der belebten Welt
- Was ist der Sinn meines individuellen Lebens
Also: - einen Grund zum Leben haben
- zu wissen, warum man auf der Welt ist
Sinn: à Was bedeutet Sinn?
- Was meinen wir z. B. mit sinnvoll?
Exkurs: Zusammenhänge wie z. B. Urzeigersinn, Orientierungssinn
Also: Richtungsanzeigende Wörter, z. B. italienisches Wort sentiero (= Weg)
- nach dieser Deutung: Richtung, Ausrichtung, Weg des Lebens
- Analogie: Fehlt uns der Sinn des Lebens, fällt es uns schwer uns i Leben zu orientieren.
- Überleitung mit Heidegger zur Verständlichkeit von Etwas
° sinnlos = nicht verständlich
° individueller Verständnishorizont = meine Beschreibung der Welt
2. Teil
Wann taucht die Frage auf?
In Problemlagen
In Zukunftsperspektiven
Auch Zukunftsgestaltung (Wertorientierung/Wertkonflikte)
mögliche Antwortgeber:
Religion: „Du sollst den Herrn, dein Gott, lieben und deinen Nächsten, wie dich selbst!“
Goethe: „Edel sei der Mensch, hilfreich und gut!“
„Glücklich sein und andere glücklich machen
Freude ist der Sinn des Lebens
Utilitarismus ausgehend von Epikur – Lust als höchstes Gut
Tautologie: Der Sinn des Lebens ist das Leben selbst
· Es geht also um das Leben an sich
· Also: Was macht das Leben lebenswert
· Die Summe dessen wäre dann der Sinn des Lebens
Die Einführungen von Begriffen wie Glück bleiben in diesem Kontext ungeklärt
- in schweren Zeiten geht uns der Blick dafür verloren
Problematisierung der Sinnfrage: Vieles in der Welt ist sinnlos z. B. Krieg, Tot, Hunger usw.
Mensch als Sinnzerstörer
Frage: Gehört der Tod nicht auch zum Leben oder ist er eher das Ende de Lebens
3. Teil
Ein historischer Rückblick:
Frage erst seit Ende des 19. Jahrhunderts
Freud: „Wer die Frage stellt ist krank!“
Nietzsche: (Nihilismus) „Gott ist tot und wir haben ihn umgebracht!“
Dostojewski: „Wenn Gott tot ist, dann ist alles erlaubt!“
Neuheit: Sinnlosigkeit wird zum Problem
In manchen Lebenslagen erscheint der Tod besser als das Weiterleben
Selbstmordgefahr: nach Albert Camus einziges wirkliches philosophisches Problem
o Er plädiert dafür die Absurdität und Sinnlosigkeit der Welt auszuhalten
o Folge: Versuch der Entkrampfung des Umganges mit der Sinnfrage
o Wäre es so schlimm, wenn es keinen tieferen Sinn gäbe?
o Frage: woher diese Sinnerwartung
Erklärung: Sinnsysteme - Wir sind herausgefallen (z. B. Christentum) und suchen jetzt neuen Halt in neuen Sinnsystemen
Untersuchung zum Verhältnis von Sprache und Welt:
o Wenn das Leben einen Sinn haben soll, dann müssen wir ihm einen geben!
o Mensch als Sinnstifter und nicht Sinnfinder
o „Habe den Mut, den Sinn deines Lebens stets neu zu erfinden
Anmerkung: Der Sinn des Lebens ≠ meinem Leben einen Sinn geben
Sinn kann auch Zweck bedeuten
Allgemeine Analyse der Frage wird im Vorfeld ausgegrenzt
Analyse der Frage nach dem Sinn des Lebens scheint etwas anderes als eine Gebrauchsanweisung, wie ich meinem Leben einen Sinn geben kann
Protokoll von S. G.
Anmerkung:
Der transskript-Verlagslektor hatte in den Beiträgen zu "Lebendiges Philosophieren. Philosophische Praxis im Alltag" (2005) die Leser nicht mit Anmerkungen abschrecken wollen.
Auf eine Nachfrage hin gab der Autor rasch diese Antwort: "Das Zitat von Heidegger findet sich in Sein und Zeit auf Seite 151: "Sinn ist das, worin sich Verständlichkeit von etwas hält."
(im Beitrag zum Sin des Lebens S. 108)
Das Zitat von Freud (im Beitrag S. 111) findet sich in: Siegmund Freud: Briefe 1873 - 1931.Ausgewählt und Herausgegeben von Ernst L. Freud. Frankfurt am Main 1916. An Maria Bonaparte 13. August 1937, a.a.O. p. 429: "Im Moment, da man nach Sinn und Wert des Lebens fragt, ist man krank, denn beides gibt es ja in objektiver Weise nicht: man hat nur eingestanden, dass man einen Vorrat an unbefriedigter Libido hat, und irgend etwas anderes muss damit vorgefallen sein, eine Art Gärung, die zu Trauer und Depression führt. Grossartig sind diese meine Aufklärungen gewiss nicht." Gefunden in: Hermann Lübbe: Religion nach der Aufklärung. Wilhelm FinkVerlag, München 2004. S. 180. Gruss Harry
Siehe auch: Anette S. Fintz, Die Kunst der Beratung, Bielefeld und Locarno 2006 , Anhang
Mittwoch, Juli 04, 2007
Lebenskunst – Lebenskönnerschaft – Lebensklugheit
Lebenskunst – Lebenskönnerschaft – Lebensklugheit
(Diskussionsbeitrag im Rahmen des Frühjahrstreffens der IGGP im Mai 2007 in Reutlingen)
Bernd Groth
www.bernd-groth.de
* 1949 in Köln
- Studium der Philosophie, Slawistik und Theologie
- 1985 Promotion in Frankfurt/Main
- von 1985 – 1998 Professor für Fundamentaltheologie & Religionsphilosophie in Rom
- Philosophische (Einzel)Beratung (email, persönlich, Rentner, Studenten)
- Redendienst (Rhetorik)
- Philosophische Gutachten (ethisch-moralische Beurteilung moderner Themen)
Freier philosophischer Berater
Vgl. seiner Tätigkeit mit der eines freiberuflichen Psychotherapeuten, Homöopathen etc., nur geht es ihm eben nicht um psychische oder körperliche Gesundheit, sondern „um grundlegende, existentielle Orientierung im persönlichen Leben“
Leitfrage: „Bin ich in der Lage mein Leben sinnvoll zu gestalten, oder lasse ich es einfach so dahin gehen?“
Philosophische Beratung:
Beratung zunächst „eine Hilfeleistung in Gesprächsform“, „ein Gespräch zwischen einem professionellen Ratgebenden und einem Ratsuchenden über ein Problem, das für den Ratsuchenden der Grund war, ein solches Gespräch zu suchen“
Philosophischen Beratung: „ein Gespräch mit einem Philosophen über die persönlichen lebenstragenden Überzeugungen aus Anlass eines aktuellen Problems (Not, Unbehagen, Unzufriedenheit, Krise). Sie ist ein zielorientiertes Gespräch über lebenstragende, erkenntnisleitende und handlungsbestimmende Überzeugungen, die uns oft nicht bewusst sind, aber unser Denken und Handeln fundamental bestimmen.“
Betont, dass in der griechisch-römischen Antike die Beratung als wichtige, wenn nicht sogar zentrale Aufgabe der Philosophie betrachtet wurde
Zitiert Seneca (moralische Briefe an Lucilius 4,38): „Philosophie ist ein guter Rat – philosophia bonum consilium est.“
→ Für alle, die keine Psychotherapie benötigen oder religiöse Betreuung wollen, die jedoch eine Orientierung in existientiellen Fragen suchen - unabhängig von religiösen oder weltanschaulich-ideologischen Einstellungen.
Zitat:
„In der Philosophischen Beratung geht es um die Anwendung der Philosophie auf die existentiellen Fragen, Probleme und Gesichtpunkte, die in der Beratung zur Sprache kommen. Die Philosophische Beratung kann zum Ort eines dialogischen Philosophierens werden, wobei der Berater sein philosophisches Wissen (seine Kompetenz) einbringt, um das persönliche Wissen des Besuchers unter dem Leitgedanken der Weisheit, der als Globalziel für beide gilt, zu »prüfen«. In diesem Sinne kann die Philosophische Beratung auch zu einer Art Lebenshilfe werden.“
_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _
Text
0. Zusammenfassung
Ausgangspunkt: Kritik an zwei Entwürfen moderner Lebenskunst-Philosophie
- Spätwerk Michel Foucaults (1926 – 1984) Ästhetik der Existenz
- Lebenskunst Philosophie von Wilhelm Schmid (*1953)
Ausdruck problematisch, weil er zwei Begriffe miteinander kombiniert, die vom Standpunkt der aristotelischen Handlungstheorie aus als inkompatibel gelten
(Ähnliche Problematik „Lebenskönnerschaft“-Begriff Gerd Achenbachers, der diesen Begriff anstelle von Tugend verwendet)
Um diese Probleme zu vermeiden, überzogene Erwartungen zu dämpfen und das positive Anliegen einer Lebenskunst Philosophie aufzunehmen, greift Groth auf den Begriff der Phronesis zurück (lat. Prudentia, deutsch etwa Lebensklugheit – im Sinne von praktischer Vernunft!)
Phronesis ≠ Fachwissen
= Augenmaß, Angemessenheit, Realitätssinn, Orientierung am bonum commune
„Darin besteht ihre bleibende Aktualität. Sie ist die Voraussetzung, sich in den Widerfahrnissen des Lebens zu bewähren, und damit gleichzeitig die Bedingung der Möglichkeit aller anderen Tugenden (im Sinne von Lebenstüchtigkeit)“ S.1.
Begriff der Lebenskunst: in antiker Philosophie in Verbindung mit dem Begriff des guten Lebens (eudaimonia/vita beata); heute eher Neuschöpfung des eigenen Selbst
Sei Ziel: nichts gänzlich Neues zu sagen, sondern es soll lediglich eine „alte philosophische Weisheit wieder aus der Versenkung herausgeholt und ihre Aktualität betont werden“
Ausgangspunkt: „Kritik der Lebenskunst“ (er hält Auseinandersetzung mit diesem Begriff für unabdingbar für philosophische Praktiker)
Wolfgang Kersting/Claus Langbehn (Hg.) / Suhrkamp 2007
1. Die Kritik der philosophischen Lebenskunst
- Das Buch versammelt zwölf Beiträge verschiedener Autoren
- Im Visier der Kritik wie gesagt das Spätwerk Michel Foucaults (Ästhetik der Existenz) und die Lebenskunst-Philosophie von Wilhelm Schmid
- Foucaults Spätphilosophie und deren Hinwendung zur antiken Philosophie der Lebenskunst waren Anstoß und Anregung für Wilhelm Schmid (wenn auch unterschiedliche Zielsetzung)
Zitat S.3 (Zielsetzung Schmids eher bescheiden: Lebenshilfe durch selbständige und reflektierte Lebensführung)
Foucaults Lebenskunst-Konzept eher technischer Natur: „Ästhetik der Existenz“ versteht er als Praxis der Freiheit und Askese (nicht im Sinne von Enthaltsamkeit, sondern) als Übung oder Einübung „und dazu bedarf es geeigneter Praktiken mentaler und körperlicher Art“ S. 4
Kritik an den Konzepten
Vorwurf „sie legten in der Nachfolge Nietzsches Lebenskunst als Selbsterschaffung aus, entwerfen gelungenes Leben als postmodernen Optionalismus, in dem alles zur Wahl steht, selbst die Kriterien, nach denen gewogen, gewählt und entschieden wird“ S.4
Foucault: nicht realisierbare und das Subjekt überfordernde Selbsterschaffung
Schmid: Sammelsurium von Binsenweisheiten (ähnlich Ratgeberliteratur), Wellness-Service
→ polemisch, Groth stimmt der Stossrichtung aber zu (Selbstverwirklichungsphantasie)
aber: keiner der Kritiker verfügt über – wie Schmid – über die Erfahrung philosophischer Praxis
2. Die Problematik des Begriffs „Lebenskunst“
Problematik des Begriffs der Lebenskunst:
Zunächst, weil er etwas verspricht, das nicht gegeben ist (vermittelt das Verständnis, „das Leben selbst könne Gegenstand des Herstellens werden, wie man einen beliebigen Gebrauchsgegenstand produziert“ S.5)
Ausdruck des Begriffs Lebenskunst:
- vermutlich Übersetzung des lat. ars vitae (griech. Ausdruck technê tou biou im Altertum nicht belegt)
- im Mittelalter wird der Begriff ars geradezu inflationär verwendet (die Kunst zu…)
- Philosophiehistoriker Pierre Hadot nimmt das antike Modell der Lebenskunst wieder auf und formuliert es als philosophische LebensFORM
- Gerd Achenbach zieht den Begriff der LebensKÖNNERschaft vor, will ihn von dem des Lebenskünstlers abgrenzen (aber selbe etymologische Wurzel Zitat S.6 überzogen)
Wichtig ist, dass Tugend und Klugheit zusammengebracht werden (Josef Pieper). „Die Klugheit ist gleichsam die Seele der Tugend“. S.6
Aber Tugend ist nicht vollendetes Können, sondern Bestheit/aretê
Tugenbestheit meint nach Aristoteles eine Grundhaltung und hat zunächst nichts mit einem Können zu tun:
Phronesis (Klugheit) ist eine Aretê (Tugend) und nicht eine Technê (Kunstfertigkeit, Sachkundigkeit.“ (Nikomachische Ethik) S.6
Poiesis (Herstellen) Hervorbringen! Technê (Kunst)
Praxis (Handeln) Vollzug! Phronesis (Lebensklugheit)
Das Leben (bios) kann laut Aristoteles nicht Ausdruck von technê sein, weil man es nicht herstellen oder produzieren kann wie einen Gebrauchsgegenstand (also nicht Gegenstand einer handwerklichen Kunstfertigkeit). „Der Mensch, der sich ja immer schon im Leben vorfindet, kann mit ihm nicht instrumentell umgehen und es vor allem nicht nach eigenem Gustus herstellen.“ S.7
Also sind technê (ars) und bios (vita) zwei inkompatible Begriffe, der Begriff der Lebenskunst/Lebenskönnerschaft sollte vermieden werden!
3. „Lebensklugheit“ statt „Lebenskunst“
Vorschlag: Begriff der Lebensklugheit (praktischer Vernünftigkeit), aristotelischer Begriff der Phronesis (Handlungstheorie: Der Mensch verwirklicht handelnd sich selbst.)
Phronesis:
- Bedachtheit, Besonnenheit, praktische Vernünftigkeit, praktische Lebensweisheit
- Synonym für sophia in ihrer irdisch-realistischen Form als sorgfältige Überlegung (Handeln in Bereichen ohne Regeln, Theorie)
„Wer klug handelt, ist auch klug.“ S.8
- Fähigkeit zur Entscheidung für das Richtige und Gute!
Konzeptionen:
+ Aristoteles (wahrhaft denkende Grundhaltung in allem Verhalten bei dem, wo es um den Menschen geht)
+ Thomas von Aquin (praktische Handlungskompetenz, verbindet das Einzelne mit der Vernunft; entscheidet, wie ein Ziel vernünftigerweise verfolgt wird, Wirklichkeitsbezug; Gut und Klug gehören zusammen)
+ Epikur (Phronesis als höchstes Gut) S.9
+André Compte-Sponville (Unterscheidungskriterium zwischen einer Verantwortungsethik und einer Pflichtenethik; das rechte Maß)
Leben als Ort der „Bewährung“/existentielle Herausforderung – praktische Vernunft, Lebensklugheit ist gefragt
4. Die Aneignung der Phronesis (Lebensklugheit) als einer Beratungskompetenz
Nicht erlernbar, sondern durch andauernde Praxis und Erfahrung anzueignen (?)
Vorbehaltlose Offenheit für die Wirklichkeit, ein an Vernunft und am Guten orientiertes Handeln (≠ Fanatismus)
Augenmaß, Angemessenheit, Wirklichkeitsbezug und Orientierung am Guten machen den Kernbestand der Lebensklugheit sowie ihre bleibende Aktualität aus
Also → Phronesis gehört unbedingt zur Eigenschaft oder Kompetenz eines philosophischen Beraters / evtl. sogar Angelpunkt des Bildungsprozesses in der philosophischen Beratung
„Die Ausbildung einer solchen Phronesis könnte zum Unterscheidungsmerkmal von Psychotherapie und philosophischer Praxis werden.“ S.13
aber wie?
Ref. von Julia Raupach im Seminar "Lebenskunst in philosophischer Praxis"
(Diskussionsbeitrag im Rahmen des Frühjahrstreffens der IGGP im Mai 2007 in Reutlingen)
Bernd Groth
www.bernd-groth.de
* 1949 in Köln
- Studium der Philosophie, Slawistik und Theologie
- 1985 Promotion in Frankfurt/Main
- von 1985 – 1998 Professor für Fundamentaltheologie & Religionsphilosophie in Rom
- Philosophische (Einzel)Beratung (email, persönlich, Rentner, Studenten)
- Redendienst (Rhetorik)
- Philosophische Gutachten (ethisch-moralische Beurteilung moderner Themen)
Freier philosophischer Berater
Vgl. seiner Tätigkeit mit der eines freiberuflichen Psychotherapeuten, Homöopathen etc., nur geht es ihm eben nicht um psychische oder körperliche Gesundheit, sondern „um grundlegende, existentielle Orientierung im persönlichen Leben“
Leitfrage: „Bin ich in der Lage mein Leben sinnvoll zu gestalten, oder lasse ich es einfach so dahin gehen?“
Philosophische Beratung:
Beratung zunächst „eine Hilfeleistung in Gesprächsform“, „ein Gespräch zwischen einem professionellen Ratgebenden und einem Ratsuchenden über ein Problem, das für den Ratsuchenden der Grund war, ein solches Gespräch zu suchen“
Philosophischen Beratung: „ein Gespräch mit einem Philosophen über die persönlichen lebenstragenden Überzeugungen aus Anlass eines aktuellen Problems (Not, Unbehagen, Unzufriedenheit, Krise). Sie ist ein zielorientiertes Gespräch über lebenstragende, erkenntnisleitende und handlungsbestimmende Überzeugungen, die uns oft nicht bewusst sind, aber unser Denken und Handeln fundamental bestimmen.“
Betont, dass in der griechisch-römischen Antike die Beratung als wichtige, wenn nicht sogar zentrale Aufgabe der Philosophie betrachtet wurde
Zitiert Seneca (moralische Briefe an Lucilius 4,38): „Philosophie ist ein guter Rat – philosophia bonum consilium est.“
→ Für alle, die keine Psychotherapie benötigen oder religiöse Betreuung wollen, die jedoch eine Orientierung in existientiellen Fragen suchen - unabhängig von religiösen oder weltanschaulich-ideologischen Einstellungen.
Zitat:
„In der Philosophischen Beratung geht es um die Anwendung der Philosophie auf die existentiellen Fragen, Probleme und Gesichtpunkte, die in der Beratung zur Sprache kommen. Die Philosophische Beratung kann zum Ort eines dialogischen Philosophierens werden, wobei der Berater sein philosophisches Wissen (seine Kompetenz) einbringt, um das persönliche Wissen des Besuchers unter dem Leitgedanken der Weisheit, der als Globalziel für beide gilt, zu »prüfen«. In diesem Sinne kann die Philosophische Beratung auch zu einer Art Lebenshilfe werden.“
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Text
0. Zusammenfassung
Ausgangspunkt: Kritik an zwei Entwürfen moderner Lebenskunst-Philosophie
- Spätwerk Michel Foucaults (1926 – 1984) Ästhetik der Existenz
- Lebenskunst Philosophie von Wilhelm Schmid (*1953)
Ausdruck problematisch, weil er zwei Begriffe miteinander kombiniert, die vom Standpunkt der aristotelischen Handlungstheorie aus als inkompatibel gelten
(Ähnliche Problematik „Lebenskönnerschaft“-Begriff Gerd Achenbachers, der diesen Begriff anstelle von Tugend verwendet)
Um diese Probleme zu vermeiden, überzogene Erwartungen zu dämpfen und das positive Anliegen einer Lebenskunst Philosophie aufzunehmen, greift Groth auf den Begriff der Phronesis zurück (lat. Prudentia, deutsch etwa Lebensklugheit – im Sinne von praktischer Vernunft!)
Phronesis ≠ Fachwissen
= Augenmaß, Angemessenheit, Realitätssinn, Orientierung am bonum commune
„Darin besteht ihre bleibende Aktualität. Sie ist die Voraussetzung, sich in den Widerfahrnissen des Lebens zu bewähren, und damit gleichzeitig die Bedingung der Möglichkeit aller anderen Tugenden (im Sinne von Lebenstüchtigkeit)“ S.1.
Begriff der Lebenskunst: in antiker Philosophie in Verbindung mit dem Begriff des guten Lebens (eudaimonia/vita beata); heute eher Neuschöpfung des eigenen Selbst
Sei Ziel: nichts gänzlich Neues zu sagen, sondern es soll lediglich eine „alte philosophische Weisheit wieder aus der Versenkung herausgeholt und ihre Aktualität betont werden“
Ausgangspunkt: „Kritik der Lebenskunst“ (er hält Auseinandersetzung mit diesem Begriff für unabdingbar für philosophische Praktiker)
Wolfgang Kersting/Claus Langbehn (Hg.) / Suhrkamp 2007
1. Die Kritik der philosophischen Lebenskunst
- Das Buch versammelt zwölf Beiträge verschiedener Autoren
- Im Visier der Kritik wie gesagt das Spätwerk Michel Foucaults (Ästhetik der Existenz) und die Lebenskunst-Philosophie von Wilhelm Schmid
- Foucaults Spätphilosophie und deren Hinwendung zur antiken Philosophie der Lebenskunst waren Anstoß und Anregung für Wilhelm Schmid (wenn auch unterschiedliche Zielsetzung)
Zitat S.3 (Zielsetzung Schmids eher bescheiden: Lebenshilfe durch selbständige und reflektierte Lebensführung)
Foucaults Lebenskunst-Konzept eher technischer Natur: „Ästhetik der Existenz“ versteht er als Praxis der Freiheit und Askese (nicht im Sinne von Enthaltsamkeit, sondern) als Übung oder Einübung „und dazu bedarf es geeigneter Praktiken mentaler und körperlicher Art“ S. 4
Kritik an den Konzepten
Vorwurf „sie legten in der Nachfolge Nietzsches Lebenskunst als Selbsterschaffung aus, entwerfen gelungenes Leben als postmodernen Optionalismus, in dem alles zur Wahl steht, selbst die Kriterien, nach denen gewogen, gewählt und entschieden wird“ S.4
Foucault: nicht realisierbare und das Subjekt überfordernde Selbsterschaffung
Schmid: Sammelsurium von Binsenweisheiten (ähnlich Ratgeberliteratur), Wellness-Service
→ polemisch, Groth stimmt der Stossrichtung aber zu (Selbstverwirklichungsphantasie)
aber: keiner der Kritiker verfügt über – wie Schmid – über die Erfahrung philosophischer Praxis
2. Die Problematik des Begriffs „Lebenskunst“
Problematik des Begriffs der Lebenskunst:
Zunächst, weil er etwas verspricht, das nicht gegeben ist (vermittelt das Verständnis, „das Leben selbst könne Gegenstand des Herstellens werden, wie man einen beliebigen Gebrauchsgegenstand produziert“ S.5)
Ausdruck des Begriffs Lebenskunst:
- vermutlich Übersetzung des lat. ars vitae (griech. Ausdruck technê tou biou im Altertum nicht belegt)
- im Mittelalter wird der Begriff ars geradezu inflationär verwendet (die Kunst zu…)
- Philosophiehistoriker Pierre Hadot nimmt das antike Modell der Lebenskunst wieder auf und formuliert es als philosophische LebensFORM
- Gerd Achenbach zieht den Begriff der LebensKÖNNERschaft vor, will ihn von dem des Lebenskünstlers abgrenzen (aber selbe etymologische Wurzel Zitat S.6 überzogen)
Wichtig ist, dass Tugend und Klugheit zusammengebracht werden (Josef Pieper). „Die Klugheit ist gleichsam die Seele der Tugend“. S.6
Aber Tugend ist nicht vollendetes Können, sondern Bestheit/aretê
Tugenbestheit meint nach Aristoteles eine Grundhaltung und hat zunächst nichts mit einem Können zu tun:
Phronesis (Klugheit) ist eine Aretê (Tugend) und nicht eine Technê (Kunstfertigkeit, Sachkundigkeit.“ (Nikomachische Ethik) S.6
Poiesis (Herstellen) Hervorbringen! Technê (Kunst)
Praxis (Handeln) Vollzug! Phronesis (Lebensklugheit)
Das Leben (bios) kann laut Aristoteles nicht Ausdruck von technê sein, weil man es nicht herstellen oder produzieren kann wie einen Gebrauchsgegenstand (also nicht Gegenstand einer handwerklichen Kunstfertigkeit). „Der Mensch, der sich ja immer schon im Leben vorfindet, kann mit ihm nicht instrumentell umgehen und es vor allem nicht nach eigenem Gustus herstellen.“ S.7
Also sind technê (ars) und bios (vita) zwei inkompatible Begriffe, der Begriff der Lebenskunst/Lebenskönnerschaft sollte vermieden werden!
3. „Lebensklugheit“ statt „Lebenskunst“
Vorschlag: Begriff der Lebensklugheit (praktischer Vernünftigkeit), aristotelischer Begriff der Phronesis (Handlungstheorie: Der Mensch verwirklicht handelnd sich selbst.)
Phronesis:
- Bedachtheit, Besonnenheit, praktische Vernünftigkeit, praktische Lebensweisheit
- Synonym für sophia in ihrer irdisch-realistischen Form als sorgfältige Überlegung (Handeln in Bereichen ohne Regeln, Theorie)
„Wer klug handelt, ist auch klug.“ S.8
- Fähigkeit zur Entscheidung für das Richtige und Gute!
Konzeptionen:
+ Aristoteles (wahrhaft denkende Grundhaltung in allem Verhalten bei dem, wo es um den Menschen geht)
+ Thomas von Aquin (praktische Handlungskompetenz, verbindet das Einzelne mit der Vernunft; entscheidet, wie ein Ziel vernünftigerweise verfolgt wird, Wirklichkeitsbezug; Gut und Klug gehören zusammen)
+ Epikur (Phronesis als höchstes Gut) S.9
+André Compte-Sponville (Unterscheidungskriterium zwischen einer Verantwortungsethik und einer Pflichtenethik; das rechte Maß)
Leben als Ort der „Bewährung“/existentielle Herausforderung – praktische Vernunft, Lebensklugheit ist gefragt
4. Die Aneignung der Phronesis (Lebensklugheit) als einer Beratungskompetenz
Nicht erlernbar, sondern durch andauernde Praxis und Erfahrung anzueignen (?)
Vorbehaltlose Offenheit für die Wirklichkeit, ein an Vernunft und am Guten orientiertes Handeln (≠ Fanatismus)
Augenmaß, Angemessenheit, Wirklichkeitsbezug und Orientierung am Guten machen den Kernbestand der Lebensklugheit sowie ihre bleibende Aktualität aus
Also → Phronesis gehört unbedingt zur Eigenschaft oder Kompetenz eines philosophischen Beraters / evtl. sogar Angelpunkt des Bildungsprozesses in der philosophischen Beratung
„Die Ausbildung einer solchen Phronesis könnte zum Unterscheidungsmerkmal von Psychotherapie und philosophischer Praxis werden.“ S.13
aber wie?
Ref. von Julia Raupach im Seminar "Lebenskunst in philosophischer Praxis"
Freitag, Juni 15, 2007
Als Philosophin in der freien Wirtschaft 2007
Dr. Anette Fintz hielt am 11. Juni 2007 einen Vortrag über ihre Art "philosophischer Praxis", nämlich als Coach von Führungskräften.
Mittwoch, Mai 16, 2007
Das philosophische Café / Julia Knapp
Das philosophische Café ist eine bestimmte Art, praktische Philosophie zu betreiben. Wie Sokrates auf dem Athener Marktplatz philosophische Dialoge führte, wie Diogenes durch öffentliches Onanieren Aufsehen erregte und sein Treiben philosophisch begründete, wie Descartes die Erlebnisse und Erkenntnisse seiner intensiven Meditationen in langen Briefen an seine Freunde verarbeitete, wie Kant einen philosophischen Mittagstisch mit Freunden hielt, so werden auch heute Wege gesucht, um Philosophie zu praktizieren – und einer davon ist der Besuch eines philosophischen Cafés.
Das erste philosophische Café wurde 1992 in Paris an der Place de la Bastille von Marc Sautet gegründet, einem akademischen Philosophen, der bereits durch das Betreiben einer eigenen philosophischen Praxis Auswege aus der „Krise“ der akademischen Philosophie suchte. Den philosophischen Mittagstisch im Kant´schen Sinn hatte er bereits verwirklicht, die Öffentlichkeit stieß sozusagen zufällig dazu, die Treffen etablierten sich. Seitdem ist das philosophische Café – welches übrigens stets ein gesellschaftliches Ereignis und keinen Ort bezeichnet – über die Pariser Stadtgrenzen hinausgewachsen und erfreut sich Nachahmern in ganz Europa.
Sautets Treffen verlaufen ohne Struktur und Plan. Die Teilnehmer treffen sich, daraufhin wird spontan ein Thema ausgewählt, bei mehreren Themenvorschlägen wird demokratisch entschieden. Der Leiter hat somit nicht die Möglichkeit sich inhaltlich auf das Treffen vorzubereiten – es besteht also durchaus die Möglichkeit, dass er selbst nicht viel mehr an gesichertem Wissen zu bieten hat, als seine Caféhausteilnehmer.
Aber das stellt die Grundlage des Sautet’schen Prinzips dar: Der Dialog als höchste Form der philosophischen Kommunikation, ganz im Sinne Sokrates.
Der sokratische Dialog ist die Bildung einer moralisch korrekten Haltung im theoretischen Dialog, das Entwickeln von Kommunikationsfähigkeit, das Anerkennen von Gleichwertigkeit und das Ernstnehmen des Gesprächpartners. In sokratikoi logoi, dem argumentativen Zwiegespräch, wird eine Meinung zur Wahrheit entwickelt.
Sokrates geht davon aus, dass jeder Wissen in sich trägt, welches durch den Dialog herausgekitzelt werden kann. Somit fungiert er (und im übertragenen Sinn Sautet) als Geburtshelfer des neuen Gedankenguts.
Der Ausgangspunkt des sokratischen Dialog ist stets eine „Was ist…“- Frage, also beispielsweise „Was ist Gott?“ „Was ist Liebe?“ „Was ist Heimat?“ Viele sokratische Fragen findet man übrigens in dem hervorragenden „Fragebogen“ von Max Frisch.
Das – meist besserwisserische und vorschnelle – Gegenüber antwortet mit einer Floskel „Gott ist der Erschaffer der Welt“, „Liebe ist das höchste Gut der Menschheit“, „Heimat ist Griechenland“ etc. Sokrates stellt immer weitere Fragen und sucht nach Gründen für diese Behauptung. Am Ende muss der Gesprächspartner einsehen, dass seine Annahme falsch oder zumindest nicht begründbar ist – und hier öffnet sich der Weg für die Suche nach dem wahren Wissen. „Ich weiß, dass ich nichts weiß“ – der ideale Start für wahre Suche nach episteme.
Zu Beginn der Zwanziger etablierte Nelson die sokratischen Gespräche erneut und entwickelte daraus eine Methode für den philosophischen Unterricht. Hauptpunkt des Neo-Sokratismus ist die Aufhebung des klassischen Dialogs durch die Umgestaltung zum Gruppengespräch. Die Rolle des Sokrates erhielt nun der Leiter der Gruppe.
Marc Sautets Modell des café philo hält sich insofern vollkommen an Sokrates, als dass es sich auch auf die reine Mündlichkeit beschränkt.
Wichtig hier ist nicht unbedingt das Weitervermitteln der Inhalte philosophischer Werke sondern vielmehr das Selbst-Philosophieren der Caféteilnehmer, das Entwickeln eigener Gedanken und Kritik zum gestellten und gewählten Thema.
Einer der vielen Nachahmer Sautets in Deutschland ist Lutz von Werder. Sein philosophisches Café kann in Berlin besucht werden. Werder bemängelt, dass das französiche Modell nicht ausgereift sei. Für ihn reicht Reden nicht, er vertritt die These, dass Philosophie der Schrift, des Schreibens und der Schreibdidaktik bedarf.
In seinen 11 Thesen zum philosophischen Café unterstreicht er die für ihn wichtigsten Punkte. Demnach hat jeder Mensch eine eigene, unbewusste Lebensphilosophie (Handlungsgrundlage), welche durch philosophisches Schreiben bewusst weitergedacht werden kann – und auch nur dadurch. Werder beruft sich auf die Schriftlichkeit der Philosophie und vertritt klar die Meinung, dass ohne Schrift keine Philosophie auf hohem Niveau stattfinden kann. Das heißt aber nicht, dass er ein Annhänger der akademischen Philosophie ist, obwohl habilitiert lehnt Werder die akademische Philosophie klar ab.
Er bringt seien Caféhausbesuchern die Philosophie durch philosophierende Schreibübungen näher. Beispielsweise stellt er Epikur mit vier Sätzen vor:
- An den Tod nicht denken
- Gott nicht fürchten
- Das Schlechte dauert nicht lange
- Das Gute ist leicht zu haben
Im Anschluss sollen alle Teilnehmer ebenfalls vier Sätze festhalten – ihrer eigenen Lebensphilosphie – einen Satz zum Glück, einen zu Gott, und jeweils einen zum Schlechten und zum Guten. Im Anschluss kann, wer will, seine vier Sätze vorlesen. Diese Texte bilden die Grundlage für die weiterführende Diskussion.
Andere Möglichkeiten für „philosophische Schreibübungen“ finden sich in der Literatur. Von Werders Gäste erstellen sowohl Vierzeiler als auch Haikus, fiktive Dialoge (gerne zwischen Philosophen), Gedichte, Kurzprosa, Aphorismen etc.
Er teilt den Erkenntnisgewinn durch das Schreiben in sechs Phasen ein:
1) Präparation: Auftauchen eines Gedankens der über die eigene Lebensphilosophie hinausgeht
2) Inkubation: der Gedanke setzt sich
3) Inspiration: Ideenbruchstücke werden zu einem Gedankengang zusammengefügt
4) Explikation: Schriftliches Ausführen des Gedankens
5) Evaluation: Bewertung des Gedankens
6) Verifikation: Überprüfen des Gedankens auf Tauglichkeit.
Ohne das Verschriftlichen des Gedankens sieht Werder keine Möglichkeit, den Gedankengang festzuhalten und differenziert zu betrachten.
In Werders Café werden drei Hauptthemen behandelt: Gott, Tod und Glück. In seinem Buch (und zahlreichen von ihm sowohl verfasst als auch empfohlenen Nachschlagewerken) gibt er zahlreiche Beispiele für die Herangehensweise und etliche Tipps für (werdende) Caféveranstalter.
Werders Haken besteht für mich darin, dass er die Universitätsphilosophie verteufelt. Sie sei in ihrem Elfenbeinturm eingefroren und beschäftige sich nur noch mit dem Interpretieren großer klassischer Philosophen denn mit dem Philosophieren selbst.
Als Vertreter dieser Meinung müsste er Sautets Prinzip des Cafés anhängen, was aber nicht der Fall ist, er entwickelt sein eigenes Modell, in welchem der Philosoph vorgestellt wird, in welchem sich der Caféhausleiter vorbereitet und didaktische und pädagogische Schreibübungen abgehalten werden – von einem akademischen Philosophen. Will Werder nun sagen, dass ein jeder ein café philo leiten könnte? Würde das aber nicht genau in dem Zustand enden, den er Sautet vorwirft: In zügellosem und unstrukturiertem Diskutieren auf emotionaler und psychologischer Ebene? Ich meine doch.
Peter Vollbrecht hat sich aus beiden Theorien gute Aspekte herausgesucht und zu einem schönen Neuen vermengt.
Auch er vertritt die Meinung, dass Sautets café philo an Strukturmangel leide, und dass der reine Austausch von Meinungen noch lange nicht den Erkenntnisgewinn garantiere.
Er baut sein café philo strukturiert auf: Er legt das Thema im Vorhinein fest und arbeitet Vorträge aus, welche in das Thema und die spezifische Philosophie bzw. das zu behandelnde Problem einführen. Zwischen den Vorträgen liegen die Diskussionsblöcke, in denen es natürlich nicht nur um die Interpretation der Originalstimme sondern auch um das eigene Philosophieren geht.
Unser philosophisches Café in Konstanz ist wiederum anders beschaffen.
Hier ein Auszug aus dem Text der Homepage:
Das Café Manuscript begreift sich ausdrücklich nicht als ein Ableger der Marc Sautetschen Idee. Im Unterschied zu diesem steht nicht der Vortragende im Mittelpunkt. Vielmehr soll die Diskussion angeregt durch eine schauspielerische Darstellung einer historischen Persönlichkeit von der Mitte des Cafés ausgehen.
Ein jeder soll sich frei entscheiden können, ob er das aufgeworfene Thema aufgreifen und dieses in kleinerer oder größerer Runde diskutieren will oder ob er lediglich bei einer Tasse Café die Atmosphäre unseres Cafés genießen möchte.
Das Cafe Manuscript findet man in der Rheingasse 4 (Stadtteil Niederburg), im Internet unter http://www.cafe-manuscript.de/, Kontakt: studer@cafe-manuscript.de
Verwendete Literatur:
Werder, Lutz von. Das philosophische Café ein Kreativer Weg zur Philosophie. Milow, 1998
Sautet, Marc. Ein Café für Sokrates. Philosophie für jedermann. Düsseldorf, 1999
Vollbrecht, Peter: Kant und Cappuchino? Zu Vision und Wirklichkeit Philosophischer Cafés. In: Staude, Detlef (Hrsg). Lebendiges Philosophieren Philosophische Praxis im Alltag. Bielefeld, 2005
Prechtel, Peter (Hrsg): Metzler Philosophie Lexikon. Stuttgart, Weimar, 1999.
susisReferat (JuliaK) : Philosophisches Café
Themen: ► Definition des Begriffes „Philosophisches Café“ ► Klärung der Frage WO es philosophische Cafés gibt oder an welchen Orten sie stattfinden ► Klärung der Frage WIE ein Philosophisches Café abgehalten wird und ob es unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten gibt
Vertreter dieser Diskussionsform mit jeweils unterschiedlichen Auffassungen : (- Nelson: erarbeitet Methode für philosophischen Unterricht)
-Marc Sautet
-Lutz von Werder
-Peter Vollbrecht
Was ist ein „Philosophisches Café“?
Ein „Philosophisches Café“ ist ein Ort, an dem man im gemeinsamen Gespräch das Kritik- und Urteilsvermögen schulen kann, indem man Begriffen, Grundannahmen und gewohnten Denkweisen fragend nachgeht. Man erschließt reflektierend neue Perspektiven und lernt die Gründe zu erfragen, die zu unterschiedlichen Denk- und Sichtweisen führen.
Wo findet man ein Philosophisches Café?
Eigentlich kann man ein Philosophisches Cafe überall finden, da es überall stattfinden und zustande kommen kann (gesellschaftliches Ereignis und kein Ort). Idealerweise ist ein Ort, an dem für das leibliche Wohl gesorgt ist und zusätzlich auch die Räumlichkeiten und das Publikum stimmt. Üblicherweise werden philosophische Cafés jedoch geplant und als fester Veranstaltungstermin (teilweise mit Eintritt!) bekannt gegeben.
Wie kann man sich die Gestaltung eines philosophischen Cafés vorstellen? Hier können unterschiedliche Ablaufsformen zustande kommen, da die Leiter der philosophischen Cafés unterschiedliche Persönlichkeiten sind und somit auch auf verschiedene Dinge wert legen.
Marc Sautet überlässt die Themenfindung den Besuchern und stimmt bei mehreren Vorschlägen demokratisch ab. Er lässt solche Treffen ohne Struktur und Plan stattfinden und ist deshalb auch inhaltlich nicht auf die Themen vorbereitet. Er handelt nach dem Prinzip Sokrates: Der Dialog ist die höchste Form der philosophischen Kommunikation. Bei ihm geschieht alles auf der mündlichen Basis.
Lutz von Werder dagegen meint Philosophie muss niedergeschrieben werden. Hierzu hat er 11 Thesen formuliert. Er ist davon überzeugt, dass nur so ein hohes Niveau in der Philosophie erreicht werden kann! Die Themenwahl wird durch ihn vorgegeben und die Diskussion findet erst anhand von den in Worten gefassten Gedanken der Besucher statt. Der Erkenntnisgewinn durch das philosophische Schreiben wird von ihm in sechs Phasen eingeteilt (Präparation, Inkubation, Inspiration, Explikation, Evaluation, Verifikation). Bei ihm spielen die drei Themen: Glück, Tod und Liebe eine zentrale Rolle beim Abhalten seines philosophischen Cafés.
Peter Vollbrecht scheint beide Vorgängermodelle zu vereinen. Er bereitet kurze Vorträge zu bestimmten, von ihm gewählten Themen vor. Zwischen den einzelnen Vorträgen wird dann eine Zeitspanne gewährt, um den Besuchern die Möglichkeit des Diskutierens und Philosophierens zu geben.
Es gibt jedoch auch ganz andere Formen: Hierzu die Homepage vom philosophischen Café Konstanz: www.cafe-manuscript.de
Diskussion handelte von folgenden Punkten:
- Lebensberatung? - Kann man für solche Veranstaltungen Geld verlangen? - Berufsverband notwendig? - GPS im Hirn: Erkenn dich selbst!
Das erste philosophische Café wurde 1992 in Paris an der Place de la Bastille von Marc Sautet gegründet, einem akademischen Philosophen, der bereits durch das Betreiben einer eigenen philosophischen Praxis Auswege aus der „Krise“ der akademischen Philosophie suchte. Den philosophischen Mittagstisch im Kant´schen Sinn hatte er bereits verwirklicht, die Öffentlichkeit stieß sozusagen zufällig dazu, die Treffen etablierten sich. Seitdem ist das philosophische Café – welches übrigens stets ein gesellschaftliches Ereignis und keinen Ort bezeichnet – über die Pariser Stadtgrenzen hinausgewachsen und erfreut sich Nachahmern in ganz Europa.
Sautets Treffen verlaufen ohne Struktur und Plan. Die Teilnehmer treffen sich, daraufhin wird spontan ein Thema ausgewählt, bei mehreren Themenvorschlägen wird demokratisch entschieden. Der Leiter hat somit nicht die Möglichkeit sich inhaltlich auf das Treffen vorzubereiten – es besteht also durchaus die Möglichkeit, dass er selbst nicht viel mehr an gesichertem Wissen zu bieten hat, als seine Caféhausteilnehmer.
Aber das stellt die Grundlage des Sautet’schen Prinzips dar: Der Dialog als höchste Form der philosophischen Kommunikation, ganz im Sinne Sokrates.
Der sokratische Dialog ist die Bildung einer moralisch korrekten Haltung im theoretischen Dialog, das Entwickeln von Kommunikationsfähigkeit, das Anerkennen von Gleichwertigkeit und das Ernstnehmen des Gesprächpartners. In sokratikoi logoi, dem argumentativen Zwiegespräch, wird eine Meinung zur Wahrheit entwickelt.
Sokrates geht davon aus, dass jeder Wissen in sich trägt, welches durch den Dialog herausgekitzelt werden kann. Somit fungiert er (und im übertragenen Sinn Sautet) als Geburtshelfer des neuen Gedankenguts.
Der Ausgangspunkt des sokratischen Dialog ist stets eine „Was ist…“- Frage, also beispielsweise „Was ist Gott?“ „Was ist Liebe?“ „Was ist Heimat?“ Viele sokratische Fragen findet man übrigens in dem hervorragenden „Fragebogen“ von Max Frisch.
Das – meist besserwisserische und vorschnelle – Gegenüber antwortet mit einer Floskel „Gott ist der Erschaffer der Welt“, „Liebe ist das höchste Gut der Menschheit“, „Heimat ist Griechenland“ etc. Sokrates stellt immer weitere Fragen und sucht nach Gründen für diese Behauptung. Am Ende muss der Gesprächspartner einsehen, dass seine Annahme falsch oder zumindest nicht begründbar ist – und hier öffnet sich der Weg für die Suche nach dem wahren Wissen. „Ich weiß, dass ich nichts weiß“ – der ideale Start für wahre Suche nach episteme.
Zu Beginn der Zwanziger etablierte Nelson die sokratischen Gespräche erneut und entwickelte daraus eine Methode für den philosophischen Unterricht. Hauptpunkt des Neo-Sokratismus ist die Aufhebung des klassischen Dialogs durch die Umgestaltung zum Gruppengespräch. Die Rolle des Sokrates erhielt nun der Leiter der Gruppe.
Marc Sautets Modell des café philo hält sich insofern vollkommen an Sokrates, als dass es sich auch auf die reine Mündlichkeit beschränkt.
Wichtig hier ist nicht unbedingt das Weitervermitteln der Inhalte philosophischer Werke sondern vielmehr das Selbst-Philosophieren der Caféteilnehmer, das Entwickeln eigener Gedanken und Kritik zum gestellten und gewählten Thema.
Einer der vielen Nachahmer Sautets in Deutschland ist Lutz von Werder. Sein philosophisches Café kann in Berlin besucht werden. Werder bemängelt, dass das französiche Modell nicht ausgereift sei. Für ihn reicht Reden nicht, er vertritt die These, dass Philosophie der Schrift, des Schreibens und der Schreibdidaktik bedarf.
In seinen 11 Thesen zum philosophischen Café unterstreicht er die für ihn wichtigsten Punkte. Demnach hat jeder Mensch eine eigene, unbewusste Lebensphilosophie (Handlungsgrundlage), welche durch philosophisches Schreiben bewusst weitergedacht werden kann – und auch nur dadurch. Werder beruft sich auf die Schriftlichkeit der Philosophie und vertritt klar die Meinung, dass ohne Schrift keine Philosophie auf hohem Niveau stattfinden kann. Das heißt aber nicht, dass er ein Annhänger der akademischen Philosophie ist, obwohl habilitiert lehnt Werder die akademische Philosophie klar ab.
Er bringt seien Caféhausbesuchern die Philosophie durch philosophierende Schreibübungen näher. Beispielsweise stellt er Epikur mit vier Sätzen vor:
- An den Tod nicht denken
- Gott nicht fürchten
- Das Schlechte dauert nicht lange
- Das Gute ist leicht zu haben
Im Anschluss sollen alle Teilnehmer ebenfalls vier Sätze festhalten – ihrer eigenen Lebensphilosphie – einen Satz zum Glück, einen zu Gott, und jeweils einen zum Schlechten und zum Guten. Im Anschluss kann, wer will, seine vier Sätze vorlesen. Diese Texte bilden die Grundlage für die weiterführende Diskussion.
Andere Möglichkeiten für „philosophische Schreibübungen“ finden sich in der Literatur. Von Werders Gäste erstellen sowohl Vierzeiler als auch Haikus, fiktive Dialoge (gerne zwischen Philosophen), Gedichte, Kurzprosa, Aphorismen etc.
Er teilt den Erkenntnisgewinn durch das Schreiben in sechs Phasen ein:
1) Präparation: Auftauchen eines Gedankens der über die eigene Lebensphilosophie hinausgeht
2) Inkubation: der Gedanke setzt sich
3) Inspiration: Ideenbruchstücke werden zu einem Gedankengang zusammengefügt
4) Explikation: Schriftliches Ausführen des Gedankens
5) Evaluation: Bewertung des Gedankens
6) Verifikation: Überprüfen des Gedankens auf Tauglichkeit.
Ohne das Verschriftlichen des Gedankens sieht Werder keine Möglichkeit, den Gedankengang festzuhalten und differenziert zu betrachten.
In Werders Café werden drei Hauptthemen behandelt: Gott, Tod und Glück. In seinem Buch (und zahlreichen von ihm sowohl verfasst als auch empfohlenen Nachschlagewerken) gibt er zahlreiche Beispiele für die Herangehensweise und etliche Tipps für (werdende) Caféveranstalter.
Werders Haken besteht für mich darin, dass er die Universitätsphilosophie verteufelt. Sie sei in ihrem Elfenbeinturm eingefroren und beschäftige sich nur noch mit dem Interpretieren großer klassischer Philosophen denn mit dem Philosophieren selbst.
Als Vertreter dieser Meinung müsste er Sautets Prinzip des Cafés anhängen, was aber nicht der Fall ist, er entwickelt sein eigenes Modell, in welchem der Philosoph vorgestellt wird, in welchem sich der Caféhausleiter vorbereitet und didaktische und pädagogische Schreibübungen abgehalten werden – von einem akademischen Philosophen. Will Werder nun sagen, dass ein jeder ein café philo leiten könnte? Würde das aber nicht genau in dem Zustand enden, den er Sautet vorwirft: In zügellosem und unstrukturiertem Diskutieren auf emotionaler und psychologischer Ebene? Ich meine doch.
Peter Vollbrecht hat sich aus beiden Theorien gute Aspekte herausgesucht und zu einem schönen Neuen vermengt.
Auch er vertritt die Meinung, dass Sautets café philo an Strukturmangel leide, und dass der reine Austausch von Meinungen noch lange nicht den Erkenntnisgewinn garantiere.
Er baut sein café philo strukturiert auf: Er legt das Thema im Vorhinein fest und arbeitet Vorträge aus, welche in das Thema und die spezifische Philosophie bzw. das zu behandelnde Problem einführen. Zwischen den Vorträgen liegen die Diskussionsblöcke, in denen es natürlich nicht nur um die Interpretation der Originalstimme sondern auch um das eigene Philosophieren geht.
Unser philosophisches Café in Konstanz ist wiederum anders beschaffen.
Hier ein Auszug aus dem Text der Homepage:
Das Café Manuscript begreift sich ausdrücklich nicht als ein Ableger der Marc Sautetschen Idee. Im Unterschied zu diesem steht nicht der Vortragende im Mittelpunkt. Vielmehr soll die Diskussion angeregt durch eine schauspielerische Darstellung einer historischen Persönlichkeit von der Mitte des Cafés ausgehen.
Ein jeder soll sich frei entscheiden können, ob er das aufgeworfene Thema aufgreifen und dieses in kleinerer oder größerer Runde diskutieren will oder ob er lediglich bei einer Tasse Café die Atmosphäre unseres Cafés genießen möchte.
Das Cafe Manuscript findet man in der Rheingasse 4 (Stadtteil Niederburg), im Internet unter http://www.cafe-manuscript.de/, Kontakt: studer@cafe-manuscript.de
Verwendete Literatur:
Werder, Lutz von. Das philosophische Café ein Kreativer Weg zur Philosophie. Milow, 1998
Sautet, Marc. Ein Café für Sokrates. Philosophie für jedermann. Düsseldorf, 1999
Vollbrecht, Peter: Kant und Cappuchino? Zu Vision und Wirklichkeit Philosophischer Cafés. In: Staude, Detlef (Hrsg). Lebendiges Philosophieren Philosophische Praxis im Alltag. Bielefeld, 2005
Prechtel, Peter (Hrsg): Metzler Philosophie Lexikon. Stuttgart, Weimar, 1999.
susisReferat (JuliaK) : Philosophisches Café
Themen: ► Definition des Begriffes „Philosophisches Café“ ► Klärung der Frage WO es philosophische Cafés gibt oder an welchen Orten sie stattfinden ► Klärung der Frage WIE ein Philosophisches Café abgehalten wird und ob es unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten gibt
Vertreter dieser Diskussionsform mit jeweils unterschiedlichen Auffassungen : (- Nelson: erarbeitet Methode für philosophischen Unterricht)
-Marc Sautet
-Lutz von Werder
-Peter Vollbrecht
Was ist ein „Philosophisches Café“?
Ein „Philosophisches Café“ ist ein Ort, an dem man im gemeinsamen Gespräch das Kritik- und Urteilsvermögen schulen kann, indem man Begriffen, Grundannahmen und gewohnten Denkweisen fragend nachgeht. Man erschließt reflektierend neue Perspektiven und lernt die Gründe zu erfragen, die zu unterschiedlichen Denk- und Sichtweisen führen.
Wo findet man ein Philosophisches Café?
Eigentlich kann man ein Philosophisches Cafe überall finden, da es überall stattfinden und zustande kommen kann (gesellschaftliches Ereignis und kein Ort). Idealerweise ist ein Ort, an dem für das leibliche Wohl gesorgt ist und zusätzlich auch die Räumlichkeiten und das Publikum stimmt. Üblicherweise werden philosophische Cafés jedoch geplant und als fester Veranstaltungstermin (teilweise mit Eintritt!) bekannt gegeben.
Wie kann man sich die Gestaltung eines philosophischen Cafés vorstellen? Hier können unterschiedliche Ablaufsformen zustande kommen, da die Leiter der philosophischen Cafés unterschiedliche Persönlichkeiten sind und somit auch auf verschiedene Dinge wert legen.
Marc Sautet überlässt die Themenfindung den Besuchern und stimmt bei mehreren Vorschlägen demokratisch ab. Er lässt solche Treffen ohne Struktur und Plan stattfinden und ist deshalb auch inhaltlich nicht auf die Themen vorbereitet. Er handelt nach dem Prinzip Sokrates: Der Dialog ist die höchste Form der philosophischen Kommunikation. Bei ihm geschieht alles auf der mündlichen Basis.
Lutz von Werder dagegen meint Philosophie muss niedergeschrieben werden. Hierzu hat er 11 Thesen formuliert. Er ist davon überzeugt, dass nur so ein hohes Niveau in der Philosophie erreicht werden kann! Die Themenwahl wird durch ihn vorgegeben und die Diskussion findet erst anhand von den in Worten gefassten Gedanken der Besucher statt. Der Erkenntnisgewinn durch das philosophische Schreiben wird von ihm in sechs Phasen eingeteilt (Präparation, Inkubation, Inspiration, Explikation, Evaluation, Verifikation). Bei ihm spielen die drei Themen: Glück, Tod und Liebe eine zentrale Rolle beim Abhalten seines philosophischen Cafés.
Peter Vollbrecht scheint beide Vorgängermodelle zu vereinen. Er bereitet kurze Vorträge zu bestimmten, von ihm gewählten Themen vor. Zwischen den einzelnen Vorträgen wird dann eine Zeitspanne gewährt, um den Besuchern die Möglichkeit des Diskutierens und Philosophierens zu geben.
Es gibt jedoch auch ganz andere Formen: Hierzu die Homepage vom philosophischen Café Konstanz: www.cafe-manuscript.de
Diskussion handelte von folgenden Punkten:
- Lebensberatung? - Kann man für solche Veranstaltungen Geld verlangen? - Berufsverband notwendig? - GPS im Hirn: Erkenn dich selbst!
Freitag, Mai 11, 2007
Automatisches Schreiben. Ein Selbstversuch
Seminarprotokoll vom 30.04.2007
Lebenskunst in Philosophischer Praxis
Referat (Andrea) : Martina Bernasconis Konzept der Denkpraxis. Philosophische Beratung und psychoanalytisches Denken
Diskussionsprotokoll: Lebendiges Philosophieren Resultierende Themen aus dem Referat :
Generelle Unterscheidung/ Abgrenzung zwischen den Bereichen der Psychotherapie und einer Philosophischen Praxis eindeutig möglich ? Problematik : - Zu 95% wird bei der Psychotherapie keine Psychoanalyse angewandt(Überbetonung) - Viele Menschen, die zum Psychotherapeuten gehen, sind nicht krank - Teilweise Überschneidung der Aufgabenbereiche - Frage: Was entspringt aus was - Definition der zu beschreibenden Form sollte nicht durch Abgrenzung geschehen
Unterschiede bei der Textbearbeitung: - Bei der Psychotherapie nur im weiteren Sinne möglich - In philosophischer Praxis: Lesen philosophischer Texte mit Bezug auf das eigene Leben, unbewusstes Schreiben von Texten
Kurze Erläuterungen zu Freuds Person: Philosoph und Naturwissenschaftler in Einem, Freuds Kulturkritik muss vor seinem historischen Hintergrund betrachtet werden
Die Frage, ob es sinnvoll ist vom Unbewussten zu sprechen ( Gerd Achenbach ) und das Thema der Identitätsverlagerung über Eltern, Schule zu den Therapeuten wurden kurz angesprochen
Feldversuch:
Probanden mussten innerhalb von 5 Minuten ein vorgegebenes Textfeld beschreiben und zwar nachdem sie kurz davor einen Begriff genannt bekommen haben. Wichtig ist, dass man versucht nicht zu reflektieren und schon im Vorfeld zu bewerten und nur ausgesuchtes Aufzuschreiben….., sondern alle in den Sinn kommenden Gedanken niederzuschreiben! (Begriff : „ Kranke Gesellschaft“)
(Tafelbilder sind im Anhang beigefügt)
Resultat: Durch örtliche Gegebenheiten und Ungeübtheit fiel es allgemein schwer wirklich nur unbewusst zu Schreiben….sehr unterschiedliche Ergebnisse (Gesellschaftskritik, Medienkritik, Konsumkritik, Sozialkritik,…..), gute Veranschaulichung wie man jetzt an Hand des Geschriebenen weiter in das Gespräch mit dem Klienteneinsteigen kann….!
Anschließend noch Erfahrungsmitteilung der Probanden und teilweise Erklärung ihres Tafelabschnitts. Susann Schmidt Uni Konstanz
Lebenskunst in Philosophischer Praxis
Referat (Andrea) : Martina Bernasconis Konzept der Denkpraxis. Philosophische Beratung und psychoanalytisches Denken
Diskussionsprotokoll: Lebendiges Philosophieren Resultierende Themen aus dem Referat :
Generelle Unterscheidung/ Abgrenzung zwischen den Bereichen der Psychotherapie und einer Philosophischen Praxis eindeutig möglich ? Problematik : - Zu 95% wird bei der Psychotherapie keine Psychoanalyse angewandt(Überbetonung) - Viele Menschen, die zum Psychotherapeuten gehen, sind nicht krank - Teilweise Überschneidung der Aufgabenbereiche - Frage: Was entspringt aus was - Definition der zu beschreibenden Form sollte nicht durch Abgrenzung geschehen
Unterschiede bei der Textbearbeitung: - Bei der Psychotherapie nur im weiteren Sinne möglich - In philosophischer Praxis: Lesen philosophischer Texte mit Bezug auf das eigene Leben, unbewusstes Schreiben von Texten
Kurze Erläuterungen zu Freuds Person: Philosoph und Naturwissenschaftler in Einem, Freuds Kulturkritik muss vor seinem historischen Hintergrund betrachtet werden
Die Frage, ob es sinnvoll ist vom Unbewussten zu sprechen ( Gerd Achenbach ) und das Thema der Identitätsverlagerung über Eltern, Schule zu den Therapeuten wurden kurz angesprochen
Feldversuch:
Probanden mussten innerhalb von 5 Minuten ein vorgegebenes Textfeld beschreiben und zwar nachdem sie kurz davor einen Begriff genannt bekommen haben. Wichtig ist, dass man versucht nicht zu reflektieren und schon im Vorfeld zu bewerten und nur ausgesuchtes Aufzuschreiben….., sondern alle in den Sinn kommenden Gedanken niederzuschreiben! (Begriff : „ Kranke Gesellschaft“)
(Tafelbilder sind im Anhang beigefügt)
Resultat: Durch örtliche Gegebenheiten und Ungeübtheit fiel es allgemein schwer wirklich nur unbewusst zu Schreiben….sehr unterschiedliche Ergebnisse (Gesellschaftskritik, Medienkritik, Konsumkritik, Sozialkritik,…..), gute Veranschaulichung wie man jetzt an Hand des Geschriebenen weiter in das Gespräch mit dem Klienteneinsteigen kann….!
Anschließend noch Erfahrungsmitteilung der Probanden und teilweise Erklärung ihres Tafelabschnitts. Susann Schmidt Uni Konstanz
Mittwoch, Mai 09, 2007
Philosophieren mit Kindern
Philosophieren mit Kindern? Was heisst das überhaupt? Können Kinder denn überhaupt philosophieren? Welche Virulenz in dieser letzten Frage steckt, zeigt sich schon daraus, dass, sollte sie negativ beantwortet werden, ich mit meinem Referat schon zu Ende wäre. Im positiven Fall müssen wir uns fragen, worum es sich hierbei genau handelt, inwieweit es Übereinstimmungen mit der tradierten akademischen Philosophie gibt, welche didaktischen Prinzipien gelten sollen und welches denn die Methoden einer Kinderphilosophie sind. Nicht zuletzt müsste man sich auch noch über die möglichen Themen einigen, die darin Platz finden sollten.
Ich erinnere mich noch an die Vorlesung von Jürgen Mittelstrass „Einführung in die Philosophie“. Auf die damals von einem Kommilitonen gestellte Frage, ob die neugierige, manchmal ätzende Fragerei der Kinder schon irgendetwas mit Philosophie zu tun hätte, war die Antwort negativ. Mindestens Kleinkindern würde das abstrakte Denken völlig fehlen, weshalb ihr neugieriges Fragen bei der Entdeckung ihrer Umwelt nicht mit Philosophie verwechselt werden dürfe.
Vor einigen Jahren weckte mich mein damals etwa fünfjähriger Sohn David mitten in der Nacht auf und fragte mich: „Du, Papa, warum sind denn gerade Mama und Du meine Eltern? Ich könnte ja auch bei irgendjemand anderem sein.“ Ich kriegte wohl kaum meine Augen auf, wobei dies nicht der einzige Grund war, weshalb ich keine pfannenfertige Antwort parat hatte. Ich habe ihn gefragt, ob er sich denn schon Gedanken dazu gemacht hätte. Den weiteren Verlauf des Gespräches kann ich nicht mehr genau rekapitulieren. Ich weiss nur noch, dass die Konklusion unserer Debatte war, dass wir ihn eben besonders lieb hätten und wir ihn uns deshalb so sehr gewünscht hätten. Dieser Schluss ist zwar aus argumentatorischer Sicht nicht einwandfrei, doch ich denke, David war damit zufrieden und ich konnte weiterschlafen.
Ich fragte Eva Zoller, ob denn diese Episode etwas mit Kinderphilosophie zu tun haben könnte. Sie meinte, dies könne sie nicht genau sagen, denn dies hänge davon ab, ob und in welchem Ausmass ich meinen Sohn manipuliert hätte. Wie sie dies denn meine, fragte ich zurück. Philosophieren mit Kindern verlange von den Erwachsenen, diese in ihren Gedanken und Phantasien als gleichwertige Partnerinnen und Partner wahrzunehmen. Philosophieren in diesem Sinne bedeute, eine spezifische pädagogische Haltung einzunehmen und somit einen Erziehungsstil annehmen, der Kindern viel zutraue und ihnen Mut mache, eigene (auch gedankliche) Wege zu gehen. Dabei gehe es nicht darum, sie einfach machen zu lassen, was sie wollten, sondern ihnen die Möglichkeit zu geben, herauszufinden, was für sie das Richtige sein könnte. Ziel soll es also sein, so schreibt es Eva Zoller auch in ihrem Aufsatz, dass Kinder und Jugendliche sowohl ihre rationalen als auch emotionalen Fähigkeiten entwickeln und erweitern, um sich damit auf achtsame und vernunftgeleitete Art ihren Platz im Leben zu erobern.
Als Hauptmethode für das Philosophieren mit Kindern hat sich die sokratische Mäeutik etabliert, wobei wir also darauf achten sollten, dass jene Gedanken, denen zur Geburt verholfen werden soll, nicht schon durch uns Erwachsene in die Gehirne der Kinder projiziert werden – eine Forderung, die selbst Sokrates bei seinen Gesprächen nicht immer befolgte. Eva Zoller wünscht sich nicht „Philosophie“ als Schulfach, sondern vielmehr Philosophie als didaktisches Prinzip, mit Hilfe dessen eine Art ABC oder Einmaleins des Philosophierens eingeübt werden könne. Als die grundlegendste dieser Techniken bezeichnet Eva das nicht wertende Vergleichen, mit dem man Unterschiede und Ähnlich-keiten herausarbeiten könne. Ich zitiere aus dem Buch „Die kleinen Philoso-phen“: „Mit dieser Technik üben wir, genauer und differenzierter wahrzuneh-men (auch die inneren Bilder, die Gedanken und Gefühle!) exakter und kriti-scher zu denken und zu sprechen, bewusster zu entscheiden und variantenreicher zu handeln.“ Dieses nicht wertende Vergleichen bräuchten wir sehr häufig und für alle drei Grundmuster des Philosophierens, die da wären:
1. Das in Frage stellen und Weiterfragen
2. Das Klären und Erklären von Begriffen
3. Das Begründen und Argumentieren.
Bezüglich des In-Fragestellens ergeben sich gerade bei Kindern in aller Regel keine Probleme. Sie sind in dieser Beziehung vielleicht sogar die natürlichsten Philosophen.
Bei der Klärung von Begriffen geht es um das Wesentliche einer Sache, um das, was sie eigentlich ausmacht, wobei die Abklärung, wie sich eine Sache nicht nur im Einzelfall, sondern im Allgemeinen verhält, ja gerade eine philosophische Angelegenheit ist. Wenn es zum Beispiel darum geht, Begriffe wie Stern – Planet – Erde – Welt zu klären, würden wir sie vorerst von den Kindern zeichnen lassen, dann vergleichen und die gefundenen Merkmale nach notwen-digen und zufälligen Eigenschaften sortieren. Nachdem Begriffsinhalt und Begriffsumfang in etwa geklärt sind, sollte es und leicht fallen, z.B. die folgen-den Fragen zu beantworten: Was ist bei diesen vier Begriffen gleich? Wann und wie benützen wir die Wörter? Gibt es Doppeldeutigkeiten (Erde als Planet – Erde als Material)? Dabei liegt es in der Sache der Natur, dass wir selten eine einzige gültige Antwort finden werden. Begriffsklärungen führten aber dazu, so meint Eva Zoller, zwar nie alles, aber doch mehr von einer Sache zu verstehen als zuvor.
Der dritte Punkt, das Begründen und Argumentieren, stehe vor allem im Zusammenhang mit Werten, mit Ethik und Moral. Der Hintergrund sei eben, dass erst gute Gründe unseren Standpunkten Halt und Festigkeit gäben und nur gut begründbare Behauptungen und Meinungen kritische Menschen überzeugen könnten.
Bei konsequenter Anwendung dieser Techniken wäre ein Ergebnis, dass Kinder lernten, kritisch zu sein und noch einen Gedanken mehr zu machen. Zudem ent-laste es uns von der vermeintlichen Pflicht, immer eine Antwort parat zu haben. Es ist somit auch eine Chance, wegzukommen von der Vorstellung: „Ich weiss es!“, hin zu der realeren Bedingung: „Wir fragen uns, wie es sein könnte“.
Nebst der sokratischen Mäeutik gibt es noch weitere methodische Möglichkei-ten, um mit Kindern ins philosophische Gespräch zu kommen, so z.B. Kinder-bücher oder –texte als Ausgangspunkt zu benützen, indem wir uns einige gezielte Fragen zu diesen überlegen. Andere Methoden wären Rollen- und Bewegungsspiele, Zeichnen, Malen, Collagen kleben, Tagträume oder Phanta-siereisen usw.
Bezüglich der Thematik sollten wir uns weitgehend an dieselben Fragen halten,
wie sie bereits Immanuel Kant formuliert hat und in den Disziplinen der Erken-ntistheorie, der Ethik, der Metaphysik und der Anthropologie verankert sind. Eva Zoller meint, wir sollten diese jedoch nicht nur allgemein abhandeln sondern uns bemühen, immer wieder den Bezug für uns als Einzelmenschen herzustellen.
Die Ausbildung von Kindergärtnerinnen, LehrerInnen und interessierten Eltern könne eine lohnende und dankbare Aufgabe für praktische Philosophen sein. Dass viele Vertreter der akademischen Philosophie bestreiten, dass Kinder bereits philosophieren könnten, stört Eva nicht besonders. Ein Punkt hat mich dann allerdings doch etwas stutzig gemacht: Früher, d.h. bis vor etwa zwanzig Jahren war das Thema „Kinderphilosophie“ kaum bekannt. Man darf sich des-halb mit Fug und Recht die Frage stellen, ob es das Ziel eines Philosophierens mit Kindern nicht auch sei, vorhandenen „Mitteln“, nämlich ausgebildeten PhilosophInnen einen „Zweck“, ein neues Betätigungsfeld zuzuweisen. Oder etwas anders gefragt: Wird damit nicht künstlich ein Bedürfnis geschaffen, dass ohne Zutun interessierter Kreise gar nicht vorhanden wäre?
Sollte dem wirklich so sein, wäre dies eine fatale Diagnose: In einer von vielen Philosophen kritisierten, von übersteigertem zweckorientierten Handeln geprägten Gesellschaft würde dann gerade durch Philosophen eine solche Entwicklung weiter gefördert.
-M.R.Einspruch: diese Kritik kritisiert den „höchsten Zweck“ Eigennutz/Profit
Was ich damit meine, möchte ich mit einem anderen Beispiel illustrieren: Ich war eigentlich bis vor einigen Jahren immer der Meinung, die Forschung würde nach Medikamenten suchen, um Krankheiten zu heilen oder zu lindern. Heute läuft dies, mindestens teilweise, anders herum, so absurd dies auch klingen mag. Man hat ein chemisches Mittel und sucht nach der passenden Krankheit, wogegen dieses eingesetzt werden könnte. Ein Beispiel gefällig? In einer klinische Studie eines Medikamentes zur Behandlung einer vergrösserten Prostata stellte man fest, dass es bei einem Teil der Probanden, die eine hormonell bedingte Glatzenbildung zeigten, es wieder zu einem vermehrten Haarwuchs kam. Nun, bei dieser Glatzenbildung, der sogenannten „androgenetischen Alopezie“ handelt es sich um einen absolut physiologischen Vorgang. Da die Wirkung des chemischen Stoffes nun mal bekannt war - und man schliesslich möglichst viel davon mit Profit (mein Punkt M.R.) verkaufen will - wurde ein neues Medikament kreiert und die Glatzenbildung kurzerhand zur behandelbaren Krankheit erklärt.
Um auf unser Thema zurückzukommen: Kinderphilosophie als neue Entität zur Arbeitsbeschaffung unterbeschäftigter Akademiker? (Im Weiteren könnte jedoch auch die Frage diskutiert werden, inwiefern es in einer modernen Gesellschaft ohne Sklavenhaltung nicht erforderlich oder mindestens wünschenswert ist, dass Philosophen, die auf Gelderwerb angewiesen sind, sich auf dem Markt besser positionieren).
Selbstverständlich wollte Eva Zoller diesen Einwand nicht gelten lassen. Wozu also mit Kindern philosophieren? Ich zitiere nochmals aus „Die kleinen Philoso-phen:“ Wir leben in einer Zeit des rasanten Wandels. Was gestern gültig war, kann morgen schon überholt sein. Diese Veränderung betrifft vor allem auch die Sinn und Orientierung gebenden Werte und Normen von Religion und Traditi-on. Wer heute und morgen sein Leben bewusst und selbstverantwortlich führen will, muss fähig sein, kritisch und kreativ immer neue, eigene Wege zu finden. Das Philosophieren mit Kopf, Herz und Hand kann Kindern, aber nicht nur Ihnen dabei helfen. Es macht Spass und fördert den Mut, auf sich selbst und das grosse, uns alle umgreifende Ordnungsgefüge zu vertrauen.“(Zitatende).
Eva Zoller glaubt aber nicht, dass Philosophie für alle Menschen das sozusagen „allein Seligmachende“ sei, also auch nicht dazu dienen könne, jedermanns Probleme zu lösen. Während die Religion früher über Jahrhunderte die Vorga-ben machte, wie jemand zu leben hatte, sind die tradierten Orientierungshilfen stark am Bröckeln. In ihrer Desorientiertheit suchen Menschen die Gemein-schaft in sektenartigen Gruppierungen zwecks persönlicher Sinnfindung. Eva hat es sehr schön ausgedrückt: “Lebensgeborgenheit geht nicht ohne emotionale Beheimatung“. Darin liegt aber eben auch die Gefahr. Die Autorin erzählt von ihren Erlebnissen als Primarlehrerin im Thurgau, als Schulkinder, die zur Sekte von Paul Kuhn in Dozwil gehörten, andere aufforderten, sich ihnen anzuschlies-sen, um dann als Auserwählte zusammen mit Ihnen in das erwartete Raumschiff steigen zu können, bevor die Erde dann zerstört werden würde. Dabei, so Eva Zoller, sei die Religion zweifelsohne der einfachere Weg zur emotionalen Beheimatung, doch müsse man sich fragen, was es zum Beispiel bedeute, mit sich eins zu sein, weil man Jesus im Herzen trage. Die Philosophie als Binde-glied zur Theologie könnte dem Einzelnen helfen, trotz oder gerade wegen seines Glaubens kritisch zu bleiben. Die Philosophie als die fragende, bzw. suchende Wissenschaft wäre dann das Gegengewicht zur Apodiktik vieler Religionen. Wer eine philosophische Grundausbildung genossen habe, werde daher nicht alles akzeptieren, ohne es zu hinterfragen und werde sich kaum einer blinden Form des Dogmatismus hingeben. Daneben, und in diesem Punkt stimme ich mit Eva Zoller überein, wird es bezüglich der Fragen nach Normen und Moral im Dialog mit Kindern einen weitgehenden Konsens geben, mindes-tens, was elementare Wertvorstellungen betrifft. Wie das hübsche Beispiel in Matthews Buch „Philosophische Gespräche mit Kindern“ zeigt, dürften die Vorstellungen jedoch bereits bei der Anwendung der „Goldenen Regel“ ausei-nandergehen, während utilitaristisches Gedankengut – mindestens in diesem Beispiel – auf weitgehend taube Ohren stiess. Eva Zoller fordert dennoch, gemeinsam mit den Kindern unsere Wertvorstellungen und Normen zu hinter-fragen und im partnerschaftlichen Dialog Entscheidungen zu erarbeiten, bei denen keiner von uns als Verlierer dastehen müsse. Durch gegenseitige Achtung und Toleranz könnten wir wenigstens in der Familie einen Teil der autoritären Machstrukturen abbauen und vielleicht den Kindern dadurch sogar ermöglichen, auch ausserhalb des Elternhauses freundschaftlich und einfühlsam mit anderen umzugehen und Meinungsverschiedenheiten auszudiskutieren, statt Machtmittel anzuwenden.
In diesem Punkt habe ich in zweierlei Hinsicht Bedenken: Zum einen halte ich aufgrund anthropologischer Daten und historischer Erfahrungen die gewaltfreie Gesellschaft auch unter Kindern für eine Illusion. Zum anderen würde es mich persönlich zuviel Zeit und Nerven kosten, jede Aufforderung an meine Kinder, dies oder jenes zu tun, in ein philosophisches Gespräch ausufern zu lassen. Manchmal schon, aber nicht immer. Und wenn wie vorhin, während ich dieses Referat am Schreiben war, im ganzen Haus ein grosser Lärm ist, werde ich eben auch laut, spätestens dann, wenn ich vorher schon zweimal um etwas mehr Ruhe gebeten habe. Eva Zoller hätte mein Vorgehen wahrscheinlich abgelehnt und anstelle dessen von mir ein philosophisches Gespräch mit meinen 2 Jungs gefordert. Nur, es hätte mich bei diesem Geräuschpegel sowieso niemand verstanden und immerhin habe ich mit meinem „unphilosophischen“ Vorgehen den gewünschten Zweck der Verringerung des Lärmpegels erreicht. Und wie hat Immanuel Kant doch seinen hypothetischen Imperativ formuliert: “Wer den Zweck will, muss auch das Mittel wollen.“ Und siehe da – unversehens haben wir noch den Brückenschlag von der Kinder- zur akademischen Philosophie geschafft....
Arnegg, 02.05.07 Paul Bischof
Lebenskunst in der philosophischen Praxis
Protokoll zur 3. Sitzung am 7. Mai 2007 (Julia Knapp)
Thema: Kinderphilosophie/ Philosophieren mit Kindern
Literatur:
Eva Zoller Morf: Philosophieren mit Kindern. Eine zukunftsträchtige Aufgabe für pädagogisch begabte Philosophische Praktikerinnen und Praktiker. In: Detlef Staude (Hrsg.): Lebendiges Philosophieren, Bielefeld, 2005, S.57-71
Weitere Informationen:
s’Käuzli/ Schweizerische Dokumentationsstelle für Kinder-und Alltagsphilosphie/ http://www.kinderphilosophie.ch/ / Eva Zoller Morf, Kirchrain 2, CH 8479 Altikon/
Tel 052-3362233
Referent: Paul
Ziele der Kinderphilosophie
sind die Entwicklung und Erweiterung der Gedanken, vor allem des abstrakten Denkens. Dabei ist besonders wichtig, dass der gesprächsleitende Erwachsene nicht seine eigenen Gedanken und Vorstellungen in das Bewusstsein des Kindes projizieren will, sondern dem Kind im Gespräch die Möglichkeit eines eigenen Lösungsansatzes für die vorliegende Frage/ das vorliegende Problem geben soll.
--- --- --- --- --- ---
In der ans Referat anschließenden Diskussion fragten wir uns, ob Kinder von dem Anspruch, philosophieren zu sollen, nicht überfordert seien. Inwiefern Kinder abstrakt denken, können wir nicht beurteilen – andererseits – inwiefern ist abstraktes Denken für das Philosophieren notwendig?
Des Weiteren wurde uns aber klar, dass Kinderphilosophie nicht einfach so als „Hobby“ oder „Beschäftigung“ neben der Erziehung herlaufen kann. Wenn Eltern mit ihren Kindern philosophieren bedeutet das, sich regelmäßig in eine bestimmte Art von Gesprächssituation zu begeben. Gleichzeitig ist vollkommen offensichtlich, dass nicht jede Frage („Warum muss ich Deine Gäste grüßen, Papa?“) philosophisch ausdiskutiert werden kann und soll.
In die Erziehung von Kindern fließen Werte und Normen der Eltern mit ein. Mit dem philosophischen Gespräch soll das Bewusstsein geschult werden, eine Gesprächskultur vorgestellt und geübt und letztendlich die Kommunikation trainiert werden. Ziel ist es also (sowohl für den Erziehenden als auch für das Kind) zu einer philosophischen Haltung zu gelangen, und nicht, die Frage nach Gummibärchen an der Schlange vor der Kasse im Supermarkt diskutieren zu müssen – und auch wichtige bzw. für das philosophische Gespräch relevante Themen können rein zeitlich leider nicht immer dann behandelt werden, wenn sie auftreten. In der Praxis kann das durchaus bedeuten, z.B. eine Fragestunde einzurichten, und die unter der Woche anfallenden Fragen anzusammeln.
Die Methoden der Kinderphilosophie
Fragestellung (Einkreisen des Themas) Als Ausgangspunkt kann z.B. auch ein Kinderbuch dienen.
Klärung von Begriffen um eventuellen- und oftmals wahrscheinlichen – Missverständnissen aus dem Weg zu gehen, und um Umfang und Inhalt des Begriffs zu klären. Dies kann auf kreative Art geschehen, man kann das Kind auffordern den erfragten Begriff zu malen, Kollagen zu kleben, Rollenspiele mit ihm spielen. So wird spielerisch das zu erforschende Thema eingekreist.
Begründen und Argumentieren. Wichtig hierbei ist, dass sowohl der Erwachsene als auch das Kind argumentieren.
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In der ans Referat anschließenden Diskussion fragten wir uns jedoch trotzt dieser methodischen Anleitung nach dem WIE – wie funktioniert das eigentlich?
Was ist die spezifische Methode der Kinderphilosophie und wie sehen Gespräche mit Kindern aus (z.B. im Gegensatz zur Philosophie als Wissenschaftstheorie)
Als besonders wichtig erkannten wir, dem Kind niemals direkte Antworten zu geben, sondern stets zu neuen Fragen zu ermutigen, also auf die Frage „Können Blumen traurig sein?“ weder eindeutig mit Ja oder Nein sondern mit einer weiterführenden Frage zu antworten (z.B. „Kannst Du dir das denn vorstellen?/ Warum kannst Du dir das vorstellen? etc.)
Das Wichtige an der Kinderphilosophie ist nicht das Ergebnis des Gesprächs im Sinne einer hieb- und stichfesten Antwort auf das vorliegende Problem, sondern vielmehr dem Kind durch Offenheit und Vertrauen, dadurch, es als gleichwertigen Gesprächspartner zu akzeptieren und ihm keine Meinung/Fakten zu diktieren, die Möglichkeit zu geben, selbst auf Antworten und Lösungsansätze zu kommen.
Die Thematik der Kinderphilosophie
hält an den von Kant formulierten vier Hauptfragen fest:
Was kann ich wissen?
Was soll ich tun?
Was darf ich hoffen?
Was ist der Mensch?
Hierbei muss aber immer der Bezug zum einzelnen Menschen/Gesprächsteilnehmer hergestellt werden.
--- --- --- --- --- ---
Im Seminar stellte sich für uns die Frage, ob das Kind nicht dadurch verunsichert wird, sich statt Antworten nur noch mehr und noch mehr Fragen aufzuzeigen. Z.B. „Warum gibt es keine rosa Elefanten“ oder „Wo ist die Oma, was heißt das, sie ist tot?“
Der Erwachsene soll im philosophischen Gespräch zugeben, dass es auch für ihn Fragen gibt, die er nicht beantworten kann.
Was an diesen Gesprächen mit Kindern aber das Philosophische ausmacht, inwiefern ein solches Gespräch dem bekannten Bild und Begriff von Philosophie entspricht konnte nicht eindeutig geklärt werden.
Schlussendlich stellte sich die Frage, ob der Beruf des auf Kinderphilosophie spezialisierten Philosophischen Praktikers nicht eine Kompetenz zum Inhalt hat, welche sowohl für Eltern als auch für Erzieher und Kindergärtnerinnen selbstverständlich sein sollte, und durch das neu entdeckte Feld der Kinderphilosophie Arbeitsplätze für „studierte Philosophen“ geschaffen werden sollen, also einen Zweck für die vorhandenen Mittel (arbeitslose Akademiker) gesucht wird.
Es stellt sich die Frage, ob der philosophische Praktiker im Kindergarten wirklich die ‚Märchentante’ ersetzen kann – bzw. ob für das Philosophieren mit Kindern wirklich das Studium der Philosophie notwendig ist. Wenn wir die Meinung vertreten, dass bereits Kinder philosophieren können, dann heißt das im Umkehrschluss, dass wir alle philosophieren können,
(ZU DIESEM SCHLUSS WÄREN ZUSATZannahmen ERFORDERLICH,
wie: was Hänschen konnte, kann Hans immer noch)
und brauchen also (? M.R.) kein Studium der Philosophie.
Und wenn wir es doch benötigen stellt sich dennoch die Frage, ob es für das Philosophieren mit Kindern wirklich wichtiger ist als eine pädagogische Grundausbildung.
(UND WAS UNTERSCHEIDET DIESE? M.R.)
Philosophieren mit Kindern? Was heisst das überhaupt? Können Kinder denn überhaupt philosophieren? Welche Virulenz in dieser letzten Frage steckt, zeigt sich schon daraus, dass, sollte sie negativ beantwortet werden, ich mit meinem Referat schon zu Ende wäre. Im positiven Fall müssen wir uns fragen, worum es sich hierbei genau handelt, inwieweit es Übereinstimmungen mit der tradierten akademischen Philosophie gibt, welche didaktischen Prinzipien gelten sollen und welches denn die Methoden einer Kinderphilosophie sind. Nicht zuletzt müsste man sich auch noch über die möglichen Themen einigen, die darin Platz finden sollten.
Ich erinnere mich noch an die Vorlesung von Jürgen Mittelstrass „Einführung in die Philosophie“. Auf die damals von einem Kommilitonen gestellte Frage, ob die neugierige, manchmal ätzende Fragerei der Kinder schon irgendetwas mit Philosophie zu tun hätte, war die Antwort negativ. Mindestens Kleinkindern würde das abstrakte Denken völlig fehlen, weshalb ihr neugieriges Fragen bei der Entdeckung ihrer Umwelt nicht mit Philosophie verwechselt werden dürfe.
Vor einigen Jahren weckte mich mein damals etwa fünfjähriger Sohn David mitten in der Nacht auf und fragte mich: „Du, Papa, warum sind denn gerade Mama und Du meine Eltern? Ich könnte ja auch bei irgendjemand anderem sein.“ Ich kriegte wohl kaum meine Augen auf, wobei dies nicht der einzige Grund war, weshalb ich keine pfannenfertige Antwort parat hatte. Ich habe ihn gefragt, ob er sich denn schon Gedanken dazu gemacht hätte. Den weiteren Verlauf des Gespräches kann ich nicht mehr genau rekapitulieren. Ich weiss nur noch, dass die Konklusion unserer Debatte war, dass wir ihn eben besonders lieb hätten und wir ihn uns deshalb so sehr gewünscht hätten. Dieser Schluss ist zwar aus argumentatorischer Sicht nicht einwandfrei, doch ich denke, David war damit zufrieden und ich konnte weiterschlafen.
Ich fragte Eva Zoller, ob denn diese Episode etwas mit Kinderphilosophie zu tun haben könnte. Sie meinte, dies könne sie nicht genau sagen, denn dies hänge davon ab, ob und in welchem Ausmass ich meinen Sohn manipuliert hätte. Wie sie dies denn meine, fragte ich zurück. Philosophieren mit Kindern verlange von den Erwachsenen, diese in ihren Gedanken und Phantasien als gleichwertige Partnerinnen und Partner wahrzunehmen. Philosophieren in diesem Sinne bedeute, eine spezifische pädagogische Haltung einzunehmen und somit einen Erziehungsstil annehmen, der Kindern viel zutraue und ihnen Mut mache, eigene (auch gedankliche) Wege zu gehen. Dabei gehe es nicht darum, sie einfach machen zu lassen, was sie wollten, sondern ihnen die Möglichkeit zu geben, herauszufinden, was für sie das Richtige sein könnte. Ziel soll es also sein, so schreibt es Eva Zoller auch in ihrem Aufsatz, dass Kinder und Jugendliche sowohl ihre rationalen als auch emotionalen Fähigkeiten entwickeln und erweitern, um sich damit auf achtsame und vernunftgeleitete Art ihren Platz im Leben zu erobern.
Als Hauptmethode für das Philosophieren mit Kindern hat sich die sokratische Mäeutik etabliert, wobei wir also darauf achten sollten, dass jene Gedanken, denen zur Geburt verholfen werden soll, nicht schon durch uns Erwachsene in die Gehirne der Kinder projiziert werden – eine Forderung, die selbst Sokrates bei seinen Gesprächen nicht immer befolgte. Eva Zoller wünscht sich nicht „Philosophie“ als Schulfach, sondern vielmehr Philosophie als didaktisches Prinzip, mit Hilfe dessen eine Art ABC oder Einmaleins des Philosophierens eingeübt werden könne. Als die grundlegendste dieser Techniken bezeichnet Eva das nicht wertende Vergleichen, mit dem man Unterschiede und Ähnlich-keiten herausarbeiten könne. Ich zitiere aus dem Buch „Die kleinen Philoso-phen“: „Mit dieser Technik üben wir, genauer und differenzierter wahrzuneh-men (auch die inneren Bilder, die Gedanken und Gefühle!) exakter und kriti-scher zu denken und zu sprechen, bewusster zu entscheiden und variantenreicher zu handeln.“ Dieses nicht wertende Vergleichen bräuchten wir sehr häufig und für alle drei Grundmuster des Philosophierens, die da wären:
1. Das in Frage stellen und Weiterfragen
2. Das Klären und Erklären von Begriffen
3. Das Begründen und Argumentieren.
Bezüglich des In-Fragestellens ergeben sich gerade bei Kindern in aller Regel keine Probleme. Sie sind in dieser Beziehung vielleicht sogar die natürlichsten Philosophen.
Bei der Klärung von Begriffen geht es um das Wesentliche einer Sache, um das, was sie eigentlich ausmacht, wobei die Abklärung, wie sich eine Sache nicht nur im Einzelfall, sondern im Allgemeinen verhält, ja gerade eine philosophische Angelegenheit ist. Wenn es zum Beispiel darum geht, Begriffe wie Stern – Planet – Erde – Welt zu klären, würden wir sie vorerst von den Kindern zeichnen lassen, dann vergleichen und die gefundenen Merkmale nach notwen-digen und zufälligen Eigenschaften sortieren. Nachdem Begriffsinhalt und Begriffsumfang in etwa geklärt sind, sollte es und leicht fallen, z.B. die folgen-den Fragen zu beantworten: Was ist bei diesen vier Begriffen gleich? Wann und wie benützen wir die Wörter? Gibt es Doppeldeutigkeiten (Erde als Planet – Erde als Material)? Dabei liegt es in der Sache der Natur, dass wir selten eine einzige gültige Antwort finden werden. Begriffsklärungen führten aber dazu, so meint Eva Zoller, zwar nie alles, aber doch mehr von einer Sache zu verstehen als zuvor.
Der dritte Punkt, das Begründen und Argumentieren, stehe vor allem im Zusammenhang mit Werten, mit Ethik und Moral. Der Hintergrund sei eben, dass erst gute Gründe unseren Standpunkten Halt und Festigkeit gäben und nur gut begründbare Behauptungen und Meinungen kritische Menschen überzeugen könnten.
Bei konsequenter Anwendung dieser Techniken wäre ein Ergebnis, dass Kinder lernten, kritisch zu sein und noch einen Gedanken mehr zu machen. Zudem ent-laste es uns von der vermeintlichen Pflicht, immer eine Antwort parat zu haben. Es ist somit auch eine Chance, wegzukommen von der Vorstellung: „Ich weiss es!“, hin zu der realeren Bedingung: „Wir fragen uns, wie es sein könnte“.
Nebst der sokratischen Mäeutik gibt es noch weitere methodische Möglichkei-ten, um mit Kindern ins philosophische Gespräch zu kommen, so z.B. Kinder-bücher oder –texte als Ausgangspunkt zu benützen, indem wir uns einige gezielte Fragen zu diesen überlegen. Andere Methoden wären Rollen- und Bewegungsspiele, Zeichnen, Malen, Collagen kleben, Tagträume oder Phanta-siereisen usw.
Bezüglich der Thematik sollten wir uns weitgehend an dieselben Fragen halten,
wie sie bereits Immanuel Kant formuliert hat und in den Disziplinen der Erken-ntistheorie, der Ethik, der Metaphysik und der Anthropologie verankert sind. Eva Zoller meint, wir sollten diese jedoch nicht nur allgemein abhandeln sondern uns bemühen, immer wieder den Bezug für uns als Einzelmenschen herzustellen.
Die Ausbildung von Kindergärtnerinnen, LehrerInnen und interessierten Eltern könne eine lohnende und dankbare Aufgabe für praktische Philosophen sein. Dass viele Vertreter der akademischen Philosophie bestreiten, dass Kinder bereits philosophieren könnten, stört Eva nicht besonders. Ein Punkt hat mich dann allerdings doch etwas stutzig gemacht: Früher, d.h. bis vor etwa zwanzig Jahren war das Thema „Kinderphilosophie“ kaum bekannt. Man darf sich des-halb mit Fug und Recht die Frage stellen, ob es das Ziel eines Philosophierens mit Kindern nicht auch sei, vorhandenen „Mitteln“, nämlich ausgebildeten PhilosophInnen einen „Zweck“, ein neues Betätigungsfeld zuzuweisen. Oder etwas anders gefragt: Wird damit nicht künstlich ein Bedürfnis geschaffen, dass ohne Zutun interessierter Kreise gar nicht vorhanden wäre?
Sollte dem wirklich so sein, wäre dies eine fatale Diagnose: In einer von vielen Philosophen kritisierten, von übersteigertem zweckorientierten Handeln geprägten Gesellschaft würde dann gerade durch Philosophen eine solche Entwicklung weiter gefördert.
-M.R.Einspruch: diese Kritik kritisiert den „höchsten Zweck“ Eigennutz/Profit
Was ich damit meine, möchte ich mit einem anderen Beispiel illustrieren: Ich war eigentlich bis vor einigen Jahren immer der Meinung, die Forschung würde nach Medikamenten suchen, um Krankheiten zu heilen oder zu lindern. Heute läuft dies, mindestens teilweise, anders herum, so absurd dies auch klingen mag. Man hat ein chemisches Mittel und sucht nach der passenden Krankheit, wogegen dieses eingesetzt werden könnte. Ein Beispiel gefällig? In einer klinische Studie eines Medikamentes zur Behandlung einer vergrösserten Prostata stellte man fest, dass es bei einem Teil der Probanden, die eine hormonell bedingte Glatzenbildung zeigten, es wieder zu einem vermehrten Haarwuchs kam. Nun, bei dieser Glatzenbildung, der sogenannten „androgenetischen Alopezie“ handelt es sich um einen absolut physiologischen Vorgang. Da die Wirkung des chemischen Stoffes nun mal bekannt war - und man schliesslich möglichst viel davon mit Profit (mein Punkt M.R.) verkaufen will - wurde ein neues Medikament kreiert und die Glatzenbildung kurzerhand zur behandelbaren Krankheit erklärt.
Um auf unser Thema zurückzukommen: Kinderphilosophie als neue Entität zur Arbeitsbeschaffung unterbeschäftigter Akademiker? (Im Weiteren könnte jedoch auch die Frage diskutiert werden, inwiefern es in einer modernen Gesellschaft ohne Sklavenhaltung nicht erforderlich oder mindestens wünschenswert ist, dass Philosophen, die auf Gelderwerb angewiesen sind, sich auf dem Markt besser positionieren).
Selbstverständlich wollte Eva Zoller diesen Einwand nicht gelten lassen. Wozu also mit Kindern philosophieren? Ich zitiere nochmals aus „Die kleinen Philoso-phen:“ Wir leben in einer Zeit des rasanten Wandels. Was gestern gültig war, kann morgen schon überholt sein. Diese Veränderung betrifft vor allem auch die Sinn und Orientierung gebenden Werte und Normen von Religion und Traditi-on. Wer heute und morgen sein Leben bewusst und selbstverantwortlich führen will, muss fähig sein, kritisch und kreativ immer neue, eigene Wege zu finden. Das Philosophieren mit Kopf, Herz und Hand kann Kindern, aber nicht nur Ihnen dabei helfen. Es macht Spass und fördert den Mut, auf sich selbst und das grosse, uns alle umgreifende Ordnungsgefüge zu vertrauen.“(Zitatende).
Eva Zoller glaubt aber nicht, dass Philosophie für alle Menschen das sozusagen „allein Seligmachende“ sei, also auch nicht dazu dienen könne, jedermanns Probleme zu lösen. Während die Religion früher über Jahrhunderte die Vorga-ben machte, wie jemand zu leben hatte, sind die tradierten Orientierungshilfen stark am Bröckeln. In ihrer Desorientiertheit suchen Menschen die Gemein-schaft in sektenartigen Gruppierungen zwecks persönlicher Sinnfindung. Eva hat es sehr schön ausgedrückt: “Lebensgeborgenheit geht nicht ohne emotionale Beheimatung“. Darin liegt aber eben auch die Gefahr. Die Autorin erzählt von ihren Erlebnissen als Primarlehrerin im Thurgau, als Schulkinder, die zur Sekte von Paul Kuhn in Dozwil gehörten, andere aufforderten, sich ihnen anzuschlies-sen, um dann als Auserwählte zusammen mit Ihnen in das erwartete Raumschiff steigen zu können, bevor die Erde dann zerstört werden würde. Dabei, so Eva Zoller, sei die Religion zweifelsohne der einfachere Weg zur emotionalen Beheimatung, doch müsse man sich fragen, was es zum Beispiel bedeute, mit sich eins zu sein, weil man Jesus im Herzen trage. Die Philosophie als Binde-glied zur Theologie könnte dem Einzelnen helfen, trotz oder gerade wegen seines Glaubens kritisch zu bleiben. Die Philosophie als die fragende, bzw. suchende Wissenschaft wäre dann das Gegengewicht zur Apodiktik vieler Religionen. Wer eine philosophische Grundausbildung genossen habe, werde daher nicht alles akzeptieren, ohne es zu hinterfragen und werde sich kaum einer blinden Form des Dogmatismus hingeben. Daneben, und in diesem Punkt stimme ich mit Eva Zoller überein, wird es bezüglich der Fragen nach Normen und Moral im Dialog mit Kindern einen weitgehenden Konsens geben, mindes-tens, was elementare Wertvorstellungen betrifft. Wie das hübsche Beispiel in Matthews Buch „Philosophische Gespräche mit Kindern“ zeigt, dürften die Vorstellungen jedoch bereits bei der Anwendung der „Goldenen Regel“ ausei-nandergehen, während utilitaristisches Gedankengut – mindestens in diesem Beispiel – auf weitgehend taube Ohren stiess. Eva Zoller fordert dennoch, gemeinsam mit den Kindern unsere Wertvorstellungen und Normen zu hinter-fragen und im partnerschaftlichen Dialog Entscheidungen zu erarbeiten, bei denen keiner von uns als Verlierer dastehen müsse. Durch gegenseitige Achtung und Toleranz könnten wir wenigstens in der Familie einen Teil der autoritären Machstrukturen abbauen und vielleicht den Kindern dadurch sogar ermöglichen, auch ausserhalb des Elternhauses freundschaftlich und einfühlsam mit anderen umzugehen und Meinungsverschiedenheiten auszudiskutieren, statt Machtmittel anzuwenden.
In diesem Punkt habe ich in zweierlei Hinsicht Bedenken: Zum einen halte ich aufgrund anthropologischer Daten und historischer Erfahrungen die gewaltfreie Gesellschaft auch unter Kindern für eine Illusion. Zum anderen würde es mich persönlich zuviel Zeit und Nerven kosten, jede Aufforderung an meine Kinder, dies oder jenes zu tun, in ein philosophisches Gespräch ausufern zu lassen. Manchmal schon, aber nicht immer. Und wenn wie vorhin, während ich dieses Referat am Schreiben war, im ganzen Haus ein grosser Lärm ist, werde ich eben auch laut, spätestens dann, wenn ich vorher schon zweimal um etwas mehr Ruhe gebeten habe. Eva Zoller hätte mein Vorgehen wahrscheinlich abgelehnt und anstelle dessen von mir ein philosophisches Gespräch mit meinen 2 Jungs gefordert. Nur, es hätte mich bei diesem Geräuschpegel sowieso niemand verstanden und immerhin habe ich mit meinem „unphilosophischen“ Vorgehen den gewünschten Zweck der Verringerung des Lärmpegels erreicht. Und wie hat Immanuel Kant doch seinen hypothetischen Imperativ formuliert: “Wer den Zweck will, muss auch das Mittel wollen.“ Und siehe da – unversehens haben wir noch den Brückenschlag von der Kinder- zur akademischen Philosophie geschafft....
Arnegg, 02.05.07 Paul Bischof
Lebenskunst in der philosophischen Praxis
Protokoll zur 3. Sitzung am 7. Mai 2007 (Julia Knapp)
Thema: Kinderphilosophie/ Philosophieren mit Kindern
Literatur:
Eva Zoller Morf: Philosophieren mit Kindern. Eine zukunftsträchtige Aufgabe für pädagogisch begabte Philosophische Praktikerinnen und Praktiker. In: Detlef Staude (Hrsg.): Lebendiges Philosophieren, Bielefeld, 2005, S.57-71
Weitere Informationen:
s’Käuzli/ Schweizerische Dokumentationsstelle für Kinder-und Alltagsphilosphie/ http://www.kinderphilosophie.ch/ / Eva Zoller Morf, Kirchrain 2, CH 8479 Altikon/
Tel 052-3362233
Referent: Paul
Ziele der Kinderphilosophie
sind die Entwicklung und Erweiterung der Gedanken, vor allem des abstrakten Denkens. Dabei ist besonders wichtig, dass der gesprächsleitende Erwachsene nicht seine eigenen Gedanken und Vorstellungen in das Bewusstsein des Kindes projizieren will, sondern dem Kind im Gespräch die Möglichkeit eines eigenen Lösungsansatzes für die vorliegende Frage/ das vorliegende Problem geben soll.
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In der ans Referat anschließenden Diskussion fragten wir uns, ob Kinder von dem Anspruch, philosophieren zu sollen, nicht überfordert seien. Inwiefern Kinder abstrakt denken, können wir nicht beurteilen – andererseits – inwiefern ist abstraktes Denken für das Philosophieren notwendig?
Des Weiteren wurde uns aber klar, dass Kinderphilosophie nicht einfach so als „Hobby“ oder „Beschäftigung“ neben der Erziehung herlaufen kann. Wenn Eltern mit ihren Kindern philosophieren bedeutet das, sich regelmäßig in eine bestimmte Art von Gesprächssituation zu begeben. Gleichzeitig ist vollkommen offensichtlich, dass nicht jede Frage („Warum muss ich Deine Gäste grüßen, Papa?“) philosophisch ausdiskutiert werden kann und soll.
In die Erziehung von Kindern fließen Werte und Normen der Eltern mit ein. Mit dem philosophischen Gespräch soll das Bewusstsein geschult werden, eine Gesprächskultur vorgestellt und geübt und letztendlich die Kommunikation trainiert werden. Ziel ist es also (sowohl für den Erziehenden als auch für das Kind) zu einer philosophischen Haltung zu gelangen, und nicht, die Frage nach Gummibärchen an der Schlange vor der Kasse im Supermarkt diskutieren zu müssen – und auch wichtige bzw. für das philosophische Gespräch relevante Themen können rein zeitlich leider nicht immer dann behandelt werden, wenn sie auftreten. In der Praxis kann das durchaus bedeuten, z.B. eine Fragestunde einzurichten, und die unter der Woche anfallenden Fragen anzusammeln.
Die Methoden der Kinderphilosophie
Fragestellung (Einkreisen des Themas) Als Ausgangspunkt kann z.B. auch ein Kinderbuch dienen.
Klärung von Begriffen um eventuellen- und oftmals wahrscheinlichen – Missverständnissen aus dem Weg zu gehen, und um Umfang und Inhalt des Begriffs zu klären. Dies kann auf kreative Art geschehen, man kann das Kind auffordern den erfragten Begriff zu malen, Kollagen zu kleben, Rollenspiele mit ihm spielen. So wird spielerisch das zu erforschende Thema eingekreist.
Begründen und Argumentieren. Wichtig hierbei ist, dass sowohl der Erwachsene als auch das Kind argumentieren.
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In der ans Referat anschließenden Diskussion fragten wir uns jedoch trotzt dieser methodischen Anleitung nach dem WIE – wie funktioniert das eigentlich?
Was ist die spezifische Methode der Kinderphilosophie und wie sehen Gespräche mit Kindern aus (z.B. im Gegensatz zur Philosophie als Wissenschaftstheorie)
Als besonders wichtig erkannten wir, dem Kind niemals direkte Antworten zu geben, sondern stets zu neuen Fragen zu ermutigen, also auf die Frage „Können Blumen traurig sein?“ weder eindeutig mit Ja oder Nein sondern mit einer weiterführenden Frage zu antworten (z.B. „Kannst Du dir das denn vorstellen?/ Warum kannst Du dir das vorstellen? etc.)
Das Wichtige an der Kinderphilosophie ist nicht das Ergebnis des Gesprächs im Sinne einer hieb- und stichfesten Antwort auf das vorliegende Problem, sondern vielmehr dem Kind durch Offenheit und Vertrauen, dadurch, es als gleichwertigen Gesprächspartner zu akzeptieren und ihm keine Meinung/Fakten zu diktieren, die Möglichkeit zu geben, selbst auf Antworten und Lösungsansätze zu kommen.
Die Thematik der Kinderphilosophie
hält an den von Kant formulierten vier Hauptfragen fest:
Was kann ich wissen?
Was soll ich tun?
Was darf ich hoffen?
Was ist der Mensch?
Hierbei muss aber immer der Bezug zum einzelnen Menschen/Gesprächsteilnehmer hergestellt werden.
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Im Seminar stellte sich für uns die Frage, ob das Kind nicht dadurch verunsichert wird, sich statt Antworten nur noch mehr und noch mehr Fragen aufzuzeigen. Z.B. „Warum gibt es keine rosa Elefanten“ oder „Wo ist die Oma, was heißt das, sie ist tot?“
Der Erwachsene soll im philosophischen Gespräch zugeben, dass es auch für ihn Fragen gibt, die er nicht beantworten kann.
Was an diesen Gesprächen mit Kindern aber das Philosophische ausmacht, inwiefern ein solches Gespräch dem bekannten Bild und Begriff von Philosophie entspricht konnte nicht eindeutig geklärt werden.
Schlussendlich stellte sich die Frage, ob der Beruf des auf Kinderphilosophie spezialisierten Philosophischen Praktikers nicht eine Kompetenz zum Inhalt hat, welche sowohl für Eltern als auch für Erzieher und Kindergärtnerinnen selbstverständlich sein sollte, und durch das neu entdeckte Feld der Kinderphilosophie Arbeitsplätze für „studierte Philosophen“ geschaffen werden sollen, also einen Zweck für die vorhandenen Mittel (arbeitslose Akademiker) gesucht wird.
Es stellt sich die Frage, ob der philosophische Praktiker im Kindergarten wirklich die ‚Märchentante’ ersetzen kann – bzw. ob für das Philosophieren mit Kindern wirklich das Studium der Philosophie notwendig ist. Wenn wir die Meinung vertreten, dass bereits Kinder philosophieren können, dann heißt das im Umkehrschluss, dass wir alle philosophieren können,
(ZU DIESEM SCHLUSS WÄREN ZUSATZannahmen ERFORDERLICH,
wie: was Hänschen konnte, kann Hans immer noch)
und brauchen also (? M.R.) kein Studium der Philosophie.
Und wenn wir es doch benötigen stellt sich dennoch die Frage, ob es für das Philosophieren mit Kindern wirklich wichtiger ist als eine pädagogische Grundausbildung.
(UND WAS UNTERSCHEIDET DIESE? M.R.)
Montag, Mai 07, 2007
(m)eine philosophische praxis
Unter diesem Titel stellte uns die Basler Philosophin Martina Bernasconi ihr Tätigkeitsfeld vor. Bereits während ihres Studiums hatte sie sich die Frage gestellt, welchen Bezug antike Denkanstösse zu ihrem persönlichen Leben haben könnten, da sie sich mit dem reinen Vermitteln von Wissen nicht zufrieden geben wollte. Dies bestärkte sie auch in dem Ent-schluss, ihre eigene „Denkpraxis“ zu gründen (www.denkpraxis.ch).
Martina Bernasconi ist Mitglied der „internationalen Gesellschaft für philosophische Praxis“ (IGPP), die 1982 durch Gerd B. Aschenbach in Bergisch Gladbach bei Köln/Bonn gegründet
wurde. Diese sieht sich nicht primär als Berufsverband, sondern vereinigt Mitglieder, die Interesse daran haben, dass dem Wort „philosophische Praxis“ ein „vernünftiger, aber noch zu entwickelnder und zu klärender Inhalt zukommen soll, angesprochen in der Idee, dass den Menschen Ressourcen zugänglich werden , die in der philosophischen Tradition teils vorbereitet, teils ausgestaltet und in den Möglichkeiten des Philosophierens selbst stets gegeben sind“ (www.igpp.org). Die IGPP führt zahlreiche Veranstaltungen wie z.B. Kollo-quien und Seminare durch und verfolgt gemeinsame Projekte zum Thema der „philoso-phischen Praxis“.
Man bezeichnet die Personen, die in eine philosophische Praxis kommen, als „Klienten, Rat- und Hilfesuchende, Kundschaft“ oder auch als „Gäste“. Obwohl sie der Überzeugung ist, dass Psychotherapie und philosophische Beratung sehr viel Gemeinsamkeiten haben, sieht Martina Bernasconi den grundlegenden Unterschied darin, dass philosophische Beratung nicht heilen will, also keinen therapeutischen Zweck verfolgt, weswegen sie auch den Begriff „Patient“ bewusst vermeidet. Zwar sei es durchaus vorstellbar, dass auch kranke Menschen in eine philosophische Beratung kämen, doch dürfe es nicht Ziel sein, durch die Beratung zu gesunden. Wichtige Themen einer philosophischen Beratung seien die Frage nach dem Lebenssinn, nach Krankheit sowie dem Tod.
Mit der philosophischen Beratung allein ist ihr Tätigkeitsfeld aber noch lange nicht abgesteckt. So führt Martina Bernasconi z.B. Lektürekurse mit interessierten Kreisen durch, entwirft Leitbilder für Firmen und leitet Seminare zum Thema „Philosophieren mit Kindern“. Die Grenze zwischen einem Lektürekurs und einer philosophischen Beratung zieht die Philosophin dort, wo es um die Frage gehe, was dieser oder jener Text konkret für das Leben eines Klienten bedeuten könnte. Martina vollzieht im Weiteren auch Trauungen für Leute, die sich mehr als eine amtliche Eheschliessung wünschen, wenn kirchliche Trauungen jedoch ausgeschlossen sind oder nicht gewünscht werden.
Das weite Tätigkeitsspektrum, das eine philosophische Praxis bietet, zeigt aber auch klar, in welchem Spannungsfeld sie sich befindet. Zum einen muss sie sich gegenüber der akade-mischen Philosophie etablieren, von dessen Vertretern ihr oft eine Existenzberechtigung abgesprochen wird. Reibungsflächen bestehen aber auch mit der Theologie und der Psychotherapie. Martinas Wunsch für die Zukunft wäre die Integration Ihrer Praxis in ein Netzwerk (Philosophische Beratung/Arzt/Notdienst/Polizei).
Die anschliessende rege Diskussion zeigte auf, dass gerade die von Martina propagierte Abgrenzung gegenüber der Psychotherapie gelegentlich schwierig sein kann. So lässt sich u.a. auf der Homepage der IGPP lesen: „ ‚Philosophische Praxis’ ist daher in ihrer Mitte zwar nicht Therapeutik – aber deshalb nicht bloss strikt Gegenteil der bzw. Alternative zur Thera-pie, sondern selbst orientierend für Therapieformen.“ Auch Martinas Plan, im nächsten Jahr mit anderen Spezialisten an einem Camp in Südafrika zur Begleitung von Patienten mit einem Burnout-Syndrom teilzunehmen, lässt die Überschneidung der philosophischen Beratung mit Psychotherapie erahnen. Mindestens, so könnte man sagen, scheint der therapeutische Zweck, wenn schon nicht intendiert, wenigstens in Kauf genommen zu werden.....
Martina Bernasconi zeigte uns einen höchst interessanten Einblick in ihr breites Tätigkeits-feld und füllte so den Begriff der „philosophischen Praxis“ mit zahlreichen Inhalten.
Biographie:
1965-1972 Geboren in Basel; aufgewachsen in Reinach/BL
1972-1979 Schule in Münsingen/Bern
1979-1985 Internat in Beromünster/LU. Matura an der Kantonsschule Beromünster
1985-1992 Studium der Philosophie, Literatur-, Sprach- und Medienwissenschaften an der Universität Basel. Lizentiatsarbeit bei Annemarie Pieper: „Hanna Arendt: Gedanken zum Denken“.
1992-1995 Promotionsstudium an der Freien Universität Berlin. Schwergewicht: Politische Philosophie. Dissertationsprojekt: „Suspekte Subjekte- Aufklärungskritik im 20. Jahrhundert“.
1995-1996 Forschungsstipendiantin des Schweizerischen Nationalfonds an der New School for Social Research in New York. Schwergewicht: Philosophie und Psychoanalyse.
1997-2000 Lehrauftrag am Philosophischen Seminar der Universität Basel.
2000-2001 Ausbildung zur Gymnasiallehrerin für die Fächer Philosophie und Deutsch
2001-2003 Praktische Philosophiekurse an verschiedenen Institutionen. Dozentin an der freien Kunstakademie Basel. Gründung: „Denkpraxis“.
2005 Beginn Ausbildung am Psychoanalytischen Seminar Zürich
2007 Organisation des Sommertreffens der philopraxis.ch in Basel
Arnegg, 28.04.2007 Paul Bischof
Martina Bernasconi ist Mitglied der „internationalen Gesellschaft für philosophische Praxis“ (IGPP), die 1982 durch Gerd B. Aschenbach in Bergisch Gladbach bei Köln/Bonn gegründet
wurde. Diese sieht sich nicht primär als Berufsverband, sondern vereinigt Mitglieder, die Interesse daran haben, dass dem Wort „philosophische Praxis“ ein „vernünftiger, aber noch zu entwickelnder und zu klärender Inhalt zukommen soll, angesprochen in der Idee, dass den Menschen Ressourcen zugänglich werden , die in der philosophischen Tradition teils vorbereitet, teils ausgestaltet und in den Möglichkeiten des Philosophierens selbst stets gegeben sind“ (www.igpp.org). Die IGPP führt zahlreiche Veranstaltungen wie z.B. Kollo-quien und Seminare durch und verfolgt gemeinsame Projekte zum Thema der „philoso-phischen Praxis“.
Man bezeichnet die Personen, die in eine philosophische Praxis kommen, als „Klienten, Rat- und Hilfesuchende, Kundschaft“ oder auch als „Gäste“. Obwohl sie der Überzeugung ist, dass Psychotherapie und philosophische Beratung sehr viel Gemeinsamkeiten haben, sieht Martina Bernasconi den grundlegenden Unterschied darin, dass philosophische Beratung nicht heilen will, also keinen therapeutischen Zweck verfolgt, weswegen sie auch den Begriff „Patient“ bewusst vermeidet. Zwar sei es durchaus vorstellbar, dass auch kranke Menschen in eine philosophische Beratung kämen, doch dürfe es nicht Ziel sein, durch die Beratung zu gesunden. Wichtige Themen einer philosophischen Beratung seien die Frage nach dem Lebenssinn, nach Krankheit sowie dem Tod.
Mit der philosophischen Beratung allein ist ihr Tätigkeitsfeld aber noch lange nicht abgesteckt. So führt Martina Bernasconi z.B. Lektürekurse mit interessierten Kreisen durch, entwirft Leitbilder für Firmen und leitet Seminare zum Thema „Philosophieren mit Kindern“. Die Grenze zwischen einem Lektürekurs und einer philosophischen Beratung zieht die Philosophin dort, wo es um die Frage gehe, was dieser oder jener Text konkret für das Leben eines Klienten bedeuten könnte. Martina vollzieht im Weiteren auch Trauungen für Leute, die sich mehr als eine amtliche Eheschliessung wünschen, wenn kirchliche Trauungen jedoch ausgeschlossen sind oder nicht gewünscht werden.
Das weite Tätigkeitsspektrum, das eine philosophische Praxis bietet, zeigt aber auch klar, in welchem Spannungsfeld sie sich befindet. Zum einen muss sie sich gegenüber der akade-mischen Philosophie etablieren, von dessen Vertretern ihr oft eine Existenzberechtigung abgesprochen wird. Reibungsflächen bestehen aber auch mit der Theologie und der Psychotherapie. Martinas Wunsch für die Zukunft wäre die Integration Ihrer Praxis in ein Netzwerk (Philosophische Beratung/Arzt/Notdienst/Polizei).
Die anschliessende rege Diskussion zeigte auf, dass gerade die von Martina propagierte Abgrenzung gegenüber der Psychotherapie gelegentlich schwierig sein kann. So lässt sich u.a. auf der Homepage der IGPP lesen: „ ‚Philosophische Praxis’ ist daher in ihrer Mitte zwar nicht Therapeutik – aber deshalb nicht bloss strikt Gegenteil der bzw. Alternative zur Thera-pie, sondern selbst orientierend für Therapieformen.“ Auch Martinas Plan, im nächsten Jahr mit anderen Spezialisten an einem Camp in Südafrika zur Begleitung von Patienten mit einem Burnout-Syndrom teilzunehmen, lässt die Überschneidung der philosophischen Beratung mit Psychotherapie erahnen. Mindestens, so könnte man sagen, scheint der therapeutische Zweck, wenn schon nicht intendiert, wenigstens in Kauf genommen zu werden.....
Martina Bernasconi zeigte uns einen höchst interessanten Einblick in ihr breites Tätigkeits-feld und füllte so den Begriff der „philosophischen Praxis“ mit zahlreichen Inhalten.
Biographie:
1965-1972 Geboren in Basel; aufgewachsen in Reinach/BL
1972-1979 Schule in Münsingen/Bern
1979-1985 Internat in Beromünster/LU. Matura an der Kantonsschule Beromünster
1985-1992 Studium der Philosophie, Literatur-, Sprach- und Medienwissenschaften an der Universität Basel. Lizentiatsarbeit bei Annemarie Pieper: „Hanna Arendt: Gedanken zum Denken“.
1992-1995 Promotionsstudium an der Freien Universität Berlin. Schwergewicht: Politische Philosophie. Dissertationsprojekt: „Suspekte Subjekte- Aufklärungskritik im 20. Jahrhundert“.
1995-1996 Forschungsstipendiantin des Schweizerischen Nationalfonds an der New School for Social Research in New York. Schwergewicht: Philosophie und Psychoanalyse.
1997-2000 Lehrauftrag am Philosophischen Seminar der Universität Basel.
2000-2001 Ausbildung zur Gymnasiallehrerin für die Fächer Philosophie und Deutsch
2001-2003 Praktische Philosophiekurse an verschiedenen Institutionen. Dozentin an der freien Kunstakademie Basel. Gründung: „Denkpraxis“.
2005 Beginn Ausbildung am Psychoanalytischen Seminar Zürich
2007 Organisation des Sommertreffens der philopraxis.ch in Basel
Arnegg, 28.04.2007 Paul Bischof
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