Wien 2013
"Herrschaft
steht grundsätztlich nie für sich als pures Willensverhältnis,
sondern ist immer Ausdruck eines übergreifenden, dem Willen
vorgelagerten Fetisch-Verhältnisses" (Robert Kurz)
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Nikola
Winter Daraus
schließt Robert Kurz :
"Die
einfache, aber schwer zu erfüllende Aufgabe besteht darin, dass die
Menschen lernen, ihren eigenen "Stoffwechselprozess mit der
Natur" und ihre eigenen Beziehungen *untereinander bewusst* ...
zu vollziehen statt unter dem Diktat eines blindern,
verselbständigten, inhaltsfremden und realmetaphysischen
Regelsystems." (S.72)
33
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Nikola
Winter Interessant
in diesem Kapitel ("Vorkapitalistische Fetischverhältnisse")
ist, dass Kurz Religion als "Produktionsverhältnis"
bezeichnet (er bezieht sich dabei auf die von Marx formulierte
Analogie zwischen religiösen Formen und Warenform):
"Somit
könnte an die Analogie in der Weise verstehen, dass Religion und
Warenform als zwei verschiedene Formen des von Marx benannten
`Fetischismus´ zu bestimmen wären. ... Sobald man aber die
historische Dimension einbezieht, erweist es sich, dass die
vermeintlichen `religiösen Nebelwelten´ der Vorgeschichte ...
durchaus reale Verhältnisse konstituierten, also die jeweilige
Reproduktion des irdischen und menschlichen Lebens und seiner
sozialen Zusammenhänge formten.
Erst
in der Moderne weist die Religion Züge eines bloß ideologischen
Musters auf; sie ist also nicht verschwunden, aber in etwas anderes
verwandelt worden, indem sie ihre reproduktive und konstitutive
Wesensbestimmung für die soziale und materielle Praxis verlor."
(S. 70, 71)
30
minutes ago · Like
Nikola
Winter Der
Unterschied zwischen diesen Fetischverhältnissen (kurz gesagt: Gott
und Wert) ist laut Kurz, dass Gott *"transzendent"* und die
Herrschaftsform eine *personale* und die Verpflichtungsverhältnisse
"`individueller´ als die modernen " sind (s. 84) ist,
während der Wert *transzendental* (im Unterschied zu transzendent,
S.74), das moderne Herrschaftsverhältnis *verdinglicht* und die
modernen Verpflichtungsverhältnisse die Form des modernen
Rechtsverhältnisses angenommen haben, das "zum ersten Mal eine
`abstrakte Individualität´ überhaupt hervorbringt, die jedoch die
wirklichen Personen oder einzelnen sozialen Zusammenhänge ihrer
konkreten Eigenart beraubt und sie eben zu bloßen `Exemplaren´der
verdinglicheten Selbstzweckbewegungen stempelt" (S.84)
28
minutes ago · Like
Nikola
Winter Aber Kurz
warnt davor, "das agrarische `persönliche
Herrschaftsverhältnis´ ... in eines moderner
Interessen-Subjektivität" zu übersertzen (S.77): "In
allen diesen Epochen folgen die wie immer verfassten "persönlichen
Abhängigkeitsverhältnisse" keineswegs aus einem persönlichen
oder im modernen Sinne `subjektiven´ Ausbeutungs- bzw.
Interessenkalkül, sondern aus den personalen statt dinglichen
Fetischverhältnissen, die ebenso wenig unmittelbare
Willensverhältnisse sind. (S. 82)
27
minutes ago · Like
Nikola
Winter Noch zum
Begriff "transzendental" – da lässt sich wieder ein
Bogen zur Phänomenologie des Geldes von Karl-Heinz Brodbeck
schlagen: Wenn ich Kurz richtig verstehe, kann man das Geld mit der
Phänomenologie allein nicht verstehen, weil es eben doch mehr ist
als nur eine Denkform.
Das
hast Du, Franz, wahrscheinlich gemeint, wie Du geschrieben hast, dass
"Geld als Denkform"keine ausreichende Erklärung ist, weil
"er (K.H. Brodbeck) es ja selbst in seiner Tasche" hat.
24
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Nikola
Winter "Auch
der abstrakte Wert als gesellschaftliches Prinzip des modernen
Fetischsystems ist nun zwar, wie Marx gezeigt hat, empirisch
nirgendwo als solcher zu erfassen und enthält insofern ein
_transzendentes_ Moment.
Er
ist aber dennoch eine Realabstraktion, die nicht nur im menschlichen
Geist existiert, sondern eben in der Form des Geldes auch
empirisch-leibhaftig in der Welt erscheint; und zwar durchaus als
verselbständigte, prozessierende Macht, deren Charakter als
menschliches Artefakt dabei verschwindet, weil sie eben nicht bloß
symbolische Darstellung ist, sondern direkt sichtbare und fühlbar
eingreifende, wenn auch unpersönliche Instanz.
Das
macht die _`transzendentale´_ Qualität aus: Es handelt sich um eine
paradoxale `immanente Transzendenz´, ein empirisch-sinnlich
erscheinendes und selbständig agierendes abstraktes,
realmetaphysisches Prinzip, das keiner besonderen `Umsetzung´ mehr
bedarf, sondern diese schon selber in seiner realen Erscheinung
liefert." (S. 75)
21
minutes ago · Like
Nikola
Winter Kann ich das
Geld besser begreifen, wenn ich mich wie Kurz vom "Henne – Ei"
Problem (was war zuerst: Wert oder Geld? das Denken in Geldbegriffen
oder Geld?) abwende (das macht Kurz, indem er Kategorien nicht als
absolut versteht, sondern sie immer auf ihren jeweiligen historischen
Kontext bezieht – "was fehlt ist die Dimensionierung des
Logischen durch das ... Real-Historische" S.55) und statt dessen
lauter "paradoxale" Wortmonster (Realabstraktion, immanente
Transzendenz, realmetaphysisch) zur Beschreibung verwende?
19
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Franz
Nahrada: Exakt das
habe ich gemeint. Geld ist allerdings auch nicht Natur oder ein
technischer Naturgegenstand. Seine Gebrauchswerteigenschaften erhält
es nicht durch seine biologischen oder physikalischen Merkmale,
sondern - da hat Karl-Heinz Brodbeck recht, durch einen
gesellschaftlichen Prozess. Marx warnt aber: "Sie haben
gehandelt, bevor sie gedacht haben". Der Prozess wird
mikrologisch in der Wertformanalyse nachvollzogen. das Geld "fällt"
sozusagen in die unbewusste Lücke die der unmögliche Anspruch der
allgemeinen Wertform hinterlässt. Die "Geltung" des Geldes
fällt nicht vom Himmel, sie ist selbst ein praktischer Zwang, den
die Aktzeure aufeinnander ausüben. Bildlich: Du kommst zum
Marktplatz und siehst was als Tauschmittel gilt. Die Geltung
entspringt nicht Deinem Denken.
6
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Franz
Nahrada Es ist also
notwendig, die Trennung von indivdiuellem und objektivem Geist
einzuführen. Damit verlässt Du die Phänomenologie oder das Reich
des subjektiven Geistes. Aber erst Mike Roth hat das wirklich
zufriedenstellend thematisiert, wenn ich Dich nochmal dringlich auf
das Problem der Darstellungsvoraussetzungen hinweisen darf, dass das
"spekulative" Denken zum "phänomenologischen"
zurückkehren MUSS. Ja das ist für mich die zentrale Auflösung
2 Kommentare:
Die Zitate stammen aus dem Buch "Geld ohne Wert - Grundrisse zu einer Transformation der Kritik der Politischen Ökonomie" von Robert Kurz
posthum erschienen bei Horlemann, Oktober 2012
zum Inhalt des Buches:
"Der vorliegende Essay stellt den Versuch dar, verschiedene Argumentationsstränge einer grundlegenden Neuinterpretation der Kritik der politischen Ökonomie in einer Art Übersicht oder Gesamtschau vorzustellen. Vier große Themen sollen dabei in einem ersten Versuch zusammengeschlossen werden:
Erstens das Problem der vormodernen oder vorkapitalistischen Sozietäten in ihrer grundsätzlichen Differenz zur negativen "ökonomischen" Vergesellschaftung der sogenannten Moderne.
Zweitens der historische Konstitutionsprozess des Kapitals in der Frühmoderne.
Drittens die Logik und der kategoriale Zusammenhang oder "Kreislauf" (Marx) des Kapitals als sein eigener Reproduktionsprozess oder "Gang in sich".
Und viertens der innere Selbstwiderspruch und die logische innere Schranke der kapitalistischen Dynamik als manifestes Resultat der fortschreitenden Binnengeschichte des Kapitalfetischs.
Einen zentralen Zugang zu dieser Transformation der Kritik der politischen Ökonomie liefern die Auseinandersetzung mit dem "methodologischen Individualismus" in den bürgerlichen Gesellschaftswissenschaften und im Marxismus sowie die Klärung des Substanzbegriffs der abstrakten Arbeit. Damit wird eine kategoriale Kritik des Kapitalismus begründet, vor der die gesamte demokratisch domestizierte Linke bislang zurückscheut."
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