Montag, März 18, 2013

zeitgenössisch laut denken

Wien 2013



"Herrschaft steht grundsätztlich nie für sich als pures Willensverhältnis, sondern ist immer Ausdruck eines übergreifenden, dem Willen vorgelagerten Fetisch-Verhältnisses" (Robert Kurz)
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   Nikola Winter Daraus schließt Robert Kurz :
   "Die einfache, aber schwer zu erfüllende Aufgabe besteht darin, dass die Menschen lernen, ihren eigenen "Stoffwechselprozess mit der Natur" und ihre eigenen Beziehungen *untereinander bewusst* ... zu vollziehen statt unter dem Diktat eines blindern, verselbständigten, inhaltsfremden und realmetaphysischen Regelsystems." (S.72)
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   Nikola Winter Interessant in diesem Kapitel ("Vorkapitalistische Fetischverhältnisse") ist, dass Kurz Religion als "Produktionsverhältnis" bezeichnet (er bezieht sich dabei auf die von Marx formulierte Analogie zwischen religiösen Formen und Warenform):
   "Somit könnte an die Analogie in der Weise verstehen, dass Religion und Warenform als zwei verschiedene Formen des von Marx benannten `Fetischismus´ zu bestimmen wären. ... Sobald man aber die historische Dimension einbezieht, erweist es sich, dass die vermeintlichen `religiösen Nebelwelten´ der Vorgeschichte ... durchaus reale Verhältnisse konstituierten, also die jeweilige Reproduktion des irdischen und menschlichen Lebens und seiner sozialen Zusammenhänge formten.
   Erst in der Moderne weist die Religion Züge eines bloß ideologischen Musters auf; sie ist also nicht verschwunden, aber in etwas anderes verwandelt worden, indem sie ihre reproduktive und konstitutive Wesensbestimmung für die soziale und materielle Praxis verlor." (S. 70, 71)
   30 minutes ago · Like

   Nikola Winter Der Unterschied zwischen diesen Fetischverhältnissen (kurz gesagt: Gott und Wert) ist laut Kurz, dass Gott *"transzendent"* und die Herrschaftsform eine *personale* und die Verpflichtungsverhältnisse "`individueller´ als die modernen " sind (s. 84) ist, während der Wert *transzendental* (im Unterschied zu transzendent, S.74), das moderne Herrschaftsverhältnis *verdinglicht* und die modernen Verpflichtungsverhältnisse die Form des modernen Rechtsverhältnisses angenommen haben, das "zum ersten Mal eine `abstrakte Individualität´ überhaupt hervorbringt, die jedoch die wirklichen Personen oder einzelnen sozialen Zusammenhänge ihrer konkreten Eigenart beraubt und sie eben zu bloßen `Exemplaren´der verdinglicheten Selbstzweckbewegungen stempelt" (S.84)
   28 minutes ago · Like

   Nikola Winter Aber Kurz warnt davor, "das agrarische `persönliche Herrschaftsverhältnis´ ... in eines moderner Interessen-Subjektivität" zu übersertzen (S.77):  "In allen diesen Epochen folgen die wie immer verfassten "persönlichen Abhängigkeitsverhältnisse" keineswegs aus einem persönlichen oder im modernen Sinne `subjektiven´ Ausbeutungs- bzw. Interessenkalkül, sondern aus den personalen statt dinglichen Fetischverhältnissen, die ebenso wenig unmittelbare Willensverhältnisse sind. (S. 82)
   27 minutes ago · Like

   Nikola Winter Noch zum Begriff "transzendental" – da lässt sich wieder ein Bogen zur Phänomenologie des Geldes von Karl-Heinz Brodbeck schlagen: Wenn ich Kurz richtig verstehe, kann man das Geld mit der Phänomenologie allein nicht verstehen, weil es eben doch mehr ist als nur eine Denkform.
   Das hast Du, Franz, wahrscheinlich gemeint, wie Du geschrieben hast, dass "Geld als Denkform"keine ausreichende Erklärung ist, weil "er (K.H. Brodbeck) es ja selbst in seiner Tasche" hat.
   24 minutes ago · Like

   Nikola Winter "Auch der abstrakte Wert als gesellschaftliches Prinzip des modernen Fetischsystems ist nun zwar, wie Marx gezeigt hat, empirisch nirgendwo als solcher zu erfassen und enthält insofern ein _transzendentes_ Moment.
   Er ist aber dennoch eine Realabstraktion, die nicht nur im menschlichen Geist existiert, sondern eben in der Form des Geldes auch empirisch-leibhaftig in der Welt erscheint; und zwar durchaus als verselbständigte, prozessierende Macht, deren Charakter als menschliches Artefakt dabei verschwindet, weil sie eben nicht bloß symbolische Darstellung ist, sondern direkt sichtbare und fühlbar eingreifende, wenn auch unpersönliche Instanz.
   Das macht die _`transzendentale´_ Qualität aus: Es handelt sich um eine paradoxale `immanente Transzendenz´, ein empirisch-sinnlich erscheinendes und selbständig agierendes abstraktes, realmetaphysisches Prinzip, das keiner besonderen `Umsetzung´ mehr bedarf, sondern diese schon selber in seiner realen Erscheinung liefert." (S. 75)
   21 minutes ago · Like

   Nikola Winter Kann ich das Geld besser begreifen, wenn ich mich wie Kurz vom "Henne – Ei" Problem (was war zuerst: Wert oder Geld? das Denken in Geldbegriffen oder Geld?) abwende (das macht Kurz, indem er Kategorien nicht als absolut versteht, sondern sie immer auf ihren jeweiligen historischen Kontext bezieht – "was fehlt ist die Dimensionierung des Logischen durch das ... Real-Historische" S.55) und statt dessen lauter "paradoxale" Wortmonster (Realabstraktion, immanente Transzendenz, realmetaphysisch) zur Beschreibung verwende?

   19 minutes ago · Like
   Franz Nahrada: Exakt das habe ich gemeint. Geld ist allerdings auch nicht Natur oder ein technischer Naturgegenstand. Seine Gebrauchswerteigenschaften erhält es nicht durch seine biologischen oder physikalischen Merkmale, sondern - da hat Karl-Heinz Brodbeck recht, durch einen gesellschaftlichen Prozess. Marx warnt aber: "Sie haben gehandelt, bevor sie gedacht haben". Der Prozess wird mikrologisch in der Wertformanalyse nachvollzogen. das Geld "fällt" sozusagen in die unbewusste Lücke die der unmögliche Anspruch der allgemeinen Wertform hinterlässt. Die "Geltung" des Geldes fällt nicht vom Himmel, sie ist selbst ein praktischer Zwang, den die Aktzeure aufeinnander ausüben. Bildlich: Du kommst zum Marktplatz und siehst was als Tauschmittel gilt. Die Geltung entspringt nicht Deinem Denken.
   6 minutes ago · Edited · Like

   Franz Nahrada Es ist also notwendig, die Trennung von indivdiuellem und objektivem Geist einzuführen. Damit verlässt Du die Phänomenologie oder das Reich des subjektiven Geistes. Aber erst Mike Roth hat das wirklich zufriedenstellend thematisiert, wenn ich Dich nochmal dringlich auf das Problem der Darstellungsvoraussetzungen hinweisen darf, dass das "spekulative" Denken zum "phänomenologischen" zurückkehren MUSS. Ja das ist für mich die zentrale Auflösung

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Die Zitate stammen aus dem Buch "Geld ohne Wert - Grundrisse zu einer Transformation der Kritik der Politischen Ökonomie" von Robert Kurz
posthum erschienen bei Horlemann, Oktober 2012

Niko hat gesagt…

zum Inhalt des Buches:

"Der vorliegende Essay stellt den Versuch dar, verschiedene Argumentationsstränge einer grundlegenden Neuinterpretation der Kritik der politischen Ökonomie in einer Art Übersicht oder Gesamtschau vorzustellen. Vier große Themen sollen dabei in einem ersten Versuch zusammengeschlossen werden:

Erstens das Problem der vormodernen oder vorkapitalistischen Sozietäten in ihrer grundsätzlichen Differenz zur negativen "ökonomischen" Vergesellschaftung der sogenannten Moderne.

Zweitens der historische Konstitutionsprozess des Kapitals in der Frühmoderne.

Drittens die Logik und der kategoriale Zusammenhang oder "Kreislauf" (Marx) des Kapitals als sein eigener Reproduktionsprozess oder "Gang in sich".

Und viertens der innere Selbstwiderspruch und die logische innere Schranke der kapitalistischen Dynamik als manifestes Resultat der fortschreitenden Binnengeschichte des Kapitalfetischs.

Einen zentralen Zugang zu dieser Transformation der Kritik der politischen Ökonomie liefern die Auseinandersetzung mit dem "methodologischen Individualismus" in den bürgerlichen Gesellschaftswissenschaften und im Marxismus sowie die Klärung des Substanzbegriffs der abstrakten Arbeit. Damit wird eine kategoriale Kritik des Kapitalismus begründet, vor der die gesamte demokratisch domestizierte Linke bislang zurückscheut."