Genex-Turm, markantestes Wahrzeichen von Novi Beograd
1923 wurde der Plan gefasst, Belgrad auf die linke Uferseite der Save zu erweitern. Doch wurde erst am 11. April 1948 (unter Tito) der Grundstein für die Erweiterung gelegt. Aufgebaut wurde der Stadtteil durch die jugoslawischen Arbeitsbrigaden. (wiki)
Neu-Belgrad ist ein Schmelztiegel mit hohem Anteil an Zugezogenen und vielen Bildungs- und Kultureinrichtungen. Ein Teil davon ist die „Studentenstadt“. Es herrscht ein anregendes, Neuem und Neuen aufgeschlossenes Klima.
Zoran Djindjic notiert in seinem kurzen tabellarischen Lebenslauf 1978:
Ausbildung
1957 -1965 Grundschule in Travnik
1966 – 1970 Gimnasium in Belgrad
Die Familie kommt durch Arbeitsplatzwechsel des Vaters aus der Provinz in die Hauptstadt. Der 14 jährige Zoran ergreift die neuen sich ihm hier bietenden Möglichkeiten und integriert sich schnell.
Als Stadtbezirk Belgrads wurde Novi Beograd 1952 eingemeindet. Die Verbindung über die Save zum Stadtzentrum von Belgrad erfolgt über zwei Eisenbahn- und vier Straßenbrücken, von denen die Gazela und die Brankov most die wichtigsten sind.
In der ersten Welle der jugoslawischen Studentenbewegung spielt Neu-Belgrad eine wichtige Rolle.
Zoran wird hiervon atmosphärisch schon etwas mitbekommen haben. Ein 4 Jahre Älterer berichtet:
Dragomir
Olujić: »Unsere Bewegung war pro-jugoslawisch«
Dragomir Olujić
zählte zur Kerngruppe der Protagonisten der jugoslawischen
Studentenbewegung. Er wurde 1948 in der Vojvodina geboren. Olujić
begann 1967 in Belgrad Politische Wissenschaften zu studieren. Nach
den Protesten im Juni 1968 engagierte er sich in der studentischen
Neuen Linken und wurde dabei mehrmals verhaftet. In den späten
1980er und während der 1990er Jahre engagierte sich Olujić
in der antinationalistischen Opposition gegen den
Krieg. Heute lebt er als freier Journalist in Belgrad.
Das Interview wurde
am 22. 6. 2007 in Belgrad von Boris Kanzleiter für grundrisse
(Wien) geführt.
Was ist am 2.
Juni 1968 genau passiert, als der Protest an der Belgrader
Universität ausbrach?
Ganz in der Nähe
der großen Studentenwohnheimanlage in Novi Beograd, der so genannten
Studentenstadt (Studentski grad), war damals eine
Jugendarbeitsbrigade untergebracht, die dort am Bau der Autobahn
Belgrad – Zagreb arbeitete. In diesen Tagen wurde die so genannte
»Karawane der Freundschaft« vorbereitet. Das war eine
Musikveranstaltung, bei der verschiedene Sänger auftraten. Das
Konzert tourte durch ganz Jugoslawien. Die Organisatoren der
»Karawane der Freundschaft« hatten für den Abend des 2. Juni ein
Konzert in der Studentenstadt geplant, bei dem sich Studenten und die
Mitglieder der Jugendbrigade gemeinsam vergnügen sollten. Aber dazu
sollte es nicht kommen. Der Wetterbericht hatte für den Abend Regen
angekündigt. Die Organisatoren haben das Konzert in den Kinosaal der
»Arbeiteruniversität« verlegt, die sich ganz in der Nähe befand.
Aber dort hatten viel weniger Leute Platz. Die Gratiskarten wurden
nur an die Mitglieder der Arbeitsbrigade verteilt. Die Studenten
wurden nicht über die Änderung des Programms informiert. Als am
Abend viel mehr Leute auf das Konzert wollten als dort Platz war,
begann am Eingang des Kinosaales eine Schlägerei. Eine oder zwei
Polizeipatrouillen kamen. Aber sie konnten das Handgemenge nicht
beenden. Ganz im Gegenteil: die Rauferei wurde immer heftiger.
Mittlerweile ging es gar nicht mehr um das Konzert. Das Problem war
jetzt, dass die Polizei brutal auf die Studenten einschlug, ohne
irgendwelche Unterschiede zu machen. Das wurde auch im Radio der
Studentenstadt bekannt gegeben. Die Leute waren empört. Immer mehr
Studenten gingen auf die Straße. Ein mittlerweile angerückter
Wasserwerfer der Polizei wurde gekidnappt. Die Polizei zog sich etwas
zurück und positionierte sich an einer Bahnunterführung, wo sie
weiter verstärkt wurde. Diese Unterführung war das Nadelöhr durch
das man gehen musste, wenn man in Richtung Innenstadt wollte. Als die
Studenten dort ankamen, griff die Polizei erneut sehr brutal mit
Schlagstöcken an. Daraufhin zogen wir uns um etwa ein Uhr oder halb
zwei nachts in die Studentenstadt zurück und begannen damit,
Versammlungen abzuhalten, welche bis zum frühen Morgen dauerten.
Auf diesen spontanen
Versammlungen entwarfen wir unsere ersten Forderungskataloge, das so
genannte »Drei plus Vier Programm« oder »Proglas« (Aufruf). Eine
Forderung war natürlich, dass sich die Polizei zurückziehen soll
und wir friedlich in der Innenstadt demonstrieren können. Wir
wollten vor dem Parlament eine Stellungnahme der Regierung zum
brutalen Polizeieinsatz fordern. Am Vormittag des 3. Juni machten wir
dann tatsächlich den zweiten Versuch einer Demonstration in der
Innenstadt. Aber an der Bahnunterführung waren jetzt massive
Polizeieinheiten stationiert. Sie standen so dicht, dass keine Nadel
auf den Boden hätte fallen können, wie man so schön sagt. Dort war
auch Veljko Vlahović, einer der führenden Parteiideologen in dieser
Zeit. Er genoss auch unter den Studenten großes Ansehen, hatte er
doch als Internationalist im Spanischen Bürgerkrieg gekämpft.
Während des Zweiten Weltkriegs war er Chef des »Radio Jugoslawien«,
das von Moskau aus in das von Deutschen besetzte Jugoslawien sendete.
Vlahović war ein Mythos. Neben Vlahović war auch Miloš Minić
dort, einer der führenden serbischen Politiker der Zeit. Neben ihnen
standen auch noch der Bürgermeister Branko Pesić sowie andere
Politiker. Mit diesen Funktionären begannen die Sprecher der
Demonstration zu verhandeln. Auf Seiten der Studenten führte
Vladimir Mijanović das Wort. Ein junger und militanter Typ aus der
Herzegowina. Er hatte alle diese harten Eigenschaften, welche mit den
Bewohnern dieses Landstriches verbunden werden. Die Politiker boten
uns an, dass wir eine Delegation in das Parlament schicken könnten.
Aber damit hatten wir schon Erfahrung. Eine solche Delegation würde
ein paar Stunden lang von einem Büro ins nächste geführt und dort
von drittklassigen Funktionären abgespeist werden. Am Ende des Tages
wäre dann praktisch nichts passiert. Die Delegation der Studenten
insistierte daher auf die Demonstration. Und wieder war die Reaktion
der Polizei ein brutaler Übergriff. Die Polizisten schlugen einfach
auf alle ein, die sie erwischen konnten. Selbst Miloš Minić wurde
verprügelt, als er sich schützend vor eine junge Frau stellte.
Viele Polizisten waren aus der Provinz herangekarrt worden und
kannten die Politiker nicht. Minić wurde so zum »Kollateralschaden«,
wie man das heute wohl nennen würde.
In der Zwischenzeit
hatten sich aber auch an den Fakultäten in der Innenstadt viele
Studenten versammelt. Ein Streik mit der Dauer von sieben Tagen wurde
proklamiert. Diese zeitliche Beschränkung haben wir ganz bewusst
vorgenommen. Wir hatten ja schon gewisse Erfahrungen, und vor allem
Vladimir Mijanović war ein geborener Organisator, der wusste, dass
wir die Energie, welche der Streik erforderte, nicht auf lange Dauer
aufbringen konnten. An jeder Fakultät wurden Aktionsausschüsse
gebildet. Aber das Zentrum des Streiks war an der Philosophischen
Fakultät. Rund um diese Fakultät mit ihrem wunderschönen Innenhof
lagen noch eine Reihe anderer Fakultäten. Von der Philosophischen
Fakultät gingen die Impulse auf die anderen Fakultäten aus.
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