Montag, März 16, 2015

workshop 18.-20. 3. 2015 Uni Konstanz

Wie viel Erfolg braucht man, um (noch) glücklich zu sein?

Interview

mit Stephanie Kleiner und Robert Suter
Die Frage nach einem glücklichen und erfolgreichen Leben beschäftigte die Menschen wohl schon immer, auch wenn Glück und Erfolg im Laufe der Geschichte unterschiedlich definiert wurden. Die Historikerin Stephanie Kleiner und der Literaturwissenschaftler Robert Suter untersuchen in ihren Post-doc-Projekten Glücks- und Erfolgskonzepte im vergangenen Jahrhundert. In Workshops und einer Buchreihe nehmen sie daher die Ratgeberliteratur sowie Glücks- und Erfolgs- pathologien in den Blick.
Weshalb ist das 20. Jahrhundert besonders interessant für die Erforschung von Glückswissen bzw. Erfolgswissen?
Kleiner ⇒ Spannend finde ich die enorme Bandbreite von Glücksangeboten und -deutungen, die im 20. Jahrhundert aufkommen. Dies geht einher mit einer Verwissenschaftlichung des Themas und mit einer radikalen Individualisierung und Privatisierung. So unterschiedliche Disziplinen wie Psychologie und Sozialpsychologie, Politikwissenschaft, Ökonomie, Soziologie oder die Neurowissenschaften haben das Thema im 20. Jahrhundert für sich entdeckt. Und in dem Maß, in dem von Seiten wissenschaftlicher Experten und Autoritäten festgelegt wird, wonach sich ein glückliches Leben bemisst, schlagen Glücksvisionen in vielfältige Zwänge und Anforderungen um. Glück wird, glaube ich, sehr oft mit bestimmten Lebens- und Gesellschaftsentwürfen identifiziert, die als ‚normal‘ und ‚gut‘ bewertet werden.
Diese normativen und normalisierenden Implikationen erhöhen dann aber auch die Gefahr des Scheiterns und des Misslingens, so dass sich das Streben nach Glück im 20. Jahrhundert als eine recht prekäre Angelegenheit entpuppt. Einerseits stehen dem Einzelnen viele Glücksofferten zu Gebot, andererseits steigt dadurch der Druck, die eigene Biografie als eine glückliche zu entwerfen: Die Vielfalt der Coaching- und Therapieangebote sowie der Ratgeber hält ja dazu an, konstant am eigenen Glück zu arbeiten, sein Leben permanent zu optimieren, um dem ersehnten Ziel näherzukommen. Die Verwissenschaftlichung von Glück entkoppelt sich also nicht von alltagsweltlichen Bezügen, vielmehr wirkt sie daran mit, individuelle Lebensentwürfe gleichsam zu programmieren.
Suter ⇒ Mich interessiert besonders der soziale Erfolg als literarisches Phänomen. Es handelt sich also eher um eine Faszinationsgeschichte des Erfolgs. Dabei führt die Spur von den Millionären um 1900, die beispielsweise Heinrich Mann in seinem Roman Im Schlaraffenland porträtiert, zu den freien Schriftstellern der jüngeren Zeit, deren Existenz unmittelbar vom literarischen Erfolg abhängt. Es geht also um die Koexistenz von Erfolg als Spektakel und Erfolg als Lebensnormalität. Die Literatur entwickelt dabei ihr eigenes Erfolgswissen – nicht anders als gleichzeitig Soziologie und Psychologie und im Austausch mit ihnen.
Grundsätzlich wurde Erfolg zu Beginn des letzten Jahrhunderts als Lebenserfolg begriffen; es gab also ein an Idealen wie dem Bildungsweg oder der Beamtenkarriere orien- tiertes ganzheitliches Erfolgskonzept. Doch im Zuge des 20. Jahrhunderts, das heißt nicht erst in der zweiten Hälfte, kamen zunehmend auch Konzepte von Erfolg auf, die darauf abstellten, dass man ständig Erfolg haben muss. Ein Leben wird nur deshalb als erfolgreich angesehen, weil derjenige, der es führt, diesen Erfolg ständig neu erringt und dabei immer wieder das Risiko des Scheiterns eingeht: Das Leben erscheint als ein auf Dauer gestelltes riskantes Erfolgsleben.
Welche Schwerpunkte setzen Sie in Ihrer Forschung?
Suter ⇒ Wir untersuchen Glück und Erfolg als soziales Imaginäres, also als kollektive soziale Vorstellungen und als Leitbilder, die nicht zuletzt bei der Gestaltung individueller Lebensläufe eine Rolle spielen. Diese Leitbilder können zugleich der Steuerung individueller Verhaltensweisen und kollektiver Dynamiken dienen. Unsere Projekte untersuchen also nicht nur die unterschiedlichen Vorstellungen von Glück und Erfolg, sondern auch die Subjektivierungsformen, Praktiken und Anleitungen, die sie begleiten.
Dabei gibt es, zumindest was den Erfolg anbetrifft, ein großes und ein kleines Programm: Zum großen Programm zählt etwa die Vorstellung, Millionär zu werden. Und gleichzeitig laufen differenzierte kleinteilige Programme, die dem Aufstrebenden vorschreiben, wie dieses Ziel zu erreichen sei. Das Versprechen des großen Erfolges, so könnte man sagen, ist im Kleinen immer gekoppelt mit einem Selbstoptimierungsprogramm. Und auf dieser Ebene, so unterschiedlich die Versprechungen einzelner Glücks- und Erfolgskonzepte auch sein mögen, gibt es doch eine große Gemein­samkeit, wie Glück und Erfolg eingesetzt werden, um das soziale Verhalten zu regeln.
Kleiner ⇒ In Bezug auf die großen Glücksutopien und Glücksentwürfe verhält es sich etwas anders, zumindest wenn man sie auf gesamtgesellschaftliche und politische Kontexte überträgt: Das 20. Jahrhundert hat ja mehr als deutlich gezeigt, dass Vorstellungen eines perfekt harmonischen kollektiven Glücks sehr oft in Despotie und Terror ausarten und mit Vorsicht zu genießen sind. In gewisser Weise ist der Begriff dadurch kontaminiert; zugleich bilden Ordnungsmodelle wie der Sozial- und Wohlfahrtsstaat oder die gegenwärtig beliebten Happiness-Indices den Versuch ab, Konstellationen herzustellen, innerhalb derer ein glückliches Leben verwirklicht werden kann.
Was dagegen den kleinen Erfolg anbelangt, verhält sich das ganz synonym auch bei Glück: Bestimmte Vorstellungen von Glück sind, so vermitteln es zumindest Ratge- ber und Anleitungen zum Glücklichsein, im Alltagsleben jederzeit umsetzbar, sie sind erlernbar und einübbar. Das kleine Glück im Sinne eines privaten Glücks ist deshalb im Ratgebergenre allgegenwärtig, hier geht es eher um den Entwurf von Selbstoptimierungsprogrammen, die stets die Möglichkeit offenhalten und bedienen, an sich und seinem Glück zu arbeiten.
Welche Glücks- und Erfolgsrezepte propagierten solche Ratgeber im vergangenen Jahrhundert? Und wie aktuell sind diese?
Suter ⇒ Dass die Erfolgsrezepte, die vor hundert Jahren propagiert wurden, noch immer aktuell sind, kann man schlicht daran ablesen, dass die Ratgeber aus jener Zeit teilweise immer noch aufgelegt werden. Es gibt also eine erstaunliche Kontinuität in der Ratgeberliteratur. Das heißt allerdings nicht, dass nicht trotzdem Wandel stattfände. Am Anfang der Erfolgsratgeberliteratur standen beispielhafte Vorbilder; es erschienen Sammlungen erfolgreicher Männerbiografien. Im Lauf der Zeit kamen immer mehr Anlei- tungen dazu, die zeigten, wie man zum erfolgreichen Mann – es ging tatsächlich meist um Männer – wird. Die Ratgeber wandelten sich von der Exempelliteratur zu einer metho- dischen Anleitung, wie man erfolgreich werden kann.
Insgesamt findet man in den Ratgebern einen fröhlichen Mix von unterschiedlichsten Methoden: Beispielsweise, dass man sein Leben neu aufschreibt, Tagebuch führen soll, um sich besser beobachten und sich entsprechend verbessern zu können; oder dass man zu autosuggestiven Mitteln greift, also sich einreden soll, dass man erfolgreich sein wird, um auch wirklich erfolgreich zu werden. Trotz der oft sehr ähnlich gearteten Vorschläge eröffnet dieser Methodenmix genügend Variationsmöglichkeiten, um immer neue Ratgeber zu produzieren.
Kleiner ⇒ Glücksratgeber sind dagegen schon seit den 1930er Jahren im Hinblick auf ihre Rezipientenkreise sehr ausdifferenziert. Hier gibt es sehr frühe Beispiele, die sich vorwiegend an ein weibliches Publikum richten, also ein deutlicher Unterschied zu den Erfolgsratgebern! So etablieren sich etwa Ratgeber, die sich an berufstätige junge Frauen wenden und sie darin unterweisen, wie sie sich kleiden sollen, wie sie mit ihrem Geld haushalten sollen oder welche Freizeitaktivitäten für sie in Frage kommen. Hier verschwimmen dann auch die Grenzen zwischen Glücks- und Erfolgsratgeber, da die unabhängige, sozial gewandte und beruflich – in Maßen – erfolgreiche Frau zum Ideal einer gelingenden Biografie erhoben wird.
Daneben gibt es eine Vielzahl von Ratgebern, die den Fokus auf das Glück im Kleinen, das Glück der Familie und der Ehe richten. Hier wird einerseits die Pflege von sozialen Beziehungen in den Mittelpunkt gerückt, andererseits werden konventionelle Wertvorstellungen, aber auch normalisierende Verhaltensregeln wie Dankbarkeit und Mütterlichkeit, Selbstdisziplin und Rücksichtnahme vermittelt. In diesen Ratgebern findet man also Selbsterziehungsregeln, die ganz klar auf die alltagspragmatische Ebene gerichtet sind.
Interessant ist außerdem, dass es teilweise sehr deutliche transkulturelle Unterschiede in Bezug auf Glück und Erfolg gibt: Auf dem amerikanischen Ratgebermarkt etwa spielen die religiöse Erziehung und Selbsterziehung eine wesentlich größere Rolle als auf dem europäischen oder deutschen Markt. Die Ratschläge von Predigern und Pastoren werden zudem nicht nur über Ratgeberbücher, sondern auch über Journale, Radiosendungen, später auch über Fernsehan­ sprachen verbreitet.
Inwiefern hat sich im Zuge der Emanzipation der Adressatenkreis von Erfolgsratgebern und Glücksratgebern geändert?
Kleiner ⇒ Genderspezifische Zuschreibungen von Glück und Erfolg verwischen sich bzw. verschwinden in der Tat immer mehr: Während in frühen Ratgebern das Glück der Frauen vor allem im kleinen Glück des privaten (Familien-)Umfeldes lokalisiert wird, ändert sich dies spätestens seit den 1980er Jahren deutlich: Die Lebens- und Arbeitswelten von Männern und Frauen haben sich sukzessive immer mehr aneinander angeglichen, so dass nun auch beide Geschlechter Adressaten eines Geschlechtergrenzen überschreitenden Ratgeberwissens werden konnten. Im Zuge dieser Entwicklung richteten sich daher sowohl Erfolgs- als auch Glücksratgeber an ein männliches wie auch an ein weibliches Publikum.
Anleitungen zum Glücklichsein beziehen sich dabei zu weiten Teilen auf eine intakte Paarbeziehung, auf Familie und Freunde, eine erfüllende berufliche Tätigkeit sowie auf Hobbies und Freizeitaktivitäten. Gleichzeitig steigt so aber auch der Druck, fortdauernd alle Lebensbereiche wachsam zu beobachten und eventuell regulierend einzugreifen, falls die entsprechenden Glückspotenziale nicht optimal ausgenutzt werden. Hier ist mithin die Möglichkeit des Scheiterns und der Enttäuschung stets präsent. Aktuelle Studien gehen denn auch vermehrt dem „Paradox of Declining Female Happiness“ nach: Die Ökonomen Betsey Stevenson und Justin Wolfers haben 2009 mit der gleichnamigen Studie für einigen Wirbel gesorgt und in den USA eine neue Debatte über Feminismus ausgelöst.
In wessen Kompetenzbereich fallen Glückswissen und Erfolgswissen?
Kleiner ⇒ In Bezug auf das Glückswissen haben sich im Verlauf des 20. Jahrhunderts verschiedene akademische Disziplinen hervorgetan. Interessant ist aber, dass Expertenwissen dann auch wieder Eingang in Alltagspraktiken gefunden hat – eben über Ratgeber: Ein besonders prominentes Beispiel wäre etwa Martin Seligman, der seit den 1990er Jahren auch in Deutschland sehr viel gelesen wird. Seligman hat sich in den 1960er und 1970er Jahren als Psychologe an der University of Pennsylvania mit dem Phänomen der Depression beschäftigt. Seit den späten 1980ern und in den 1990ern hat er dann seine Forschungen und Publikationen radikal umgestellt auf das Thema Glück; seit dieser Zeit hat er eine Reihe exorbitant erfolgreicher Glücksratgeber geschrieben. Daran sieht man, wie Expertenwissen aus dem akademischen Umkreis herausdiffundiert und plötzlich eine ganz breite Leserschaft erreicht; sukzessive verschwimmt dadurch die Grenze zwischen akademischem Expertenwissen und populärem Alltagswissen.
Suter ⇒ Um noch einmal diese Unterscheidung vom großen und kleinen Programm von Glück und Erfolg aufzugreifen: Für das große Programm ist entscheidend, dass den Erfolg oder das Glück jemand propagiert, der über ein Erfahrungswissen verfügt, der also selbst glücklich oder erfolgreich war. Dies dient der Authentifizierung. Dagegen bauen die kleinen Glücks- und Erfolgsprogramme auf der Selbstoptimierung auf, die den jeweiligen populärwissenschaftlichen Moden folgt: von der Autosuggestion bis hin zum Stress.
In der Medien- und Informationsgesellschaft wird dabei das Wissen um die erfolgreiche Selbstinszenierung zu einem Schlüsselwissen, was neu die Frage aufwirft, wie sich Leistung und Erfolg zueinander verhalten. Genau dort setzen auch die ersten erfolgssoziologischen Schriften in den 1920er Jahren an, etwa von Walter Benjamin oder Gustav Ichheiser: Sie fragen, ob Erfolg wirklich aus Leistung hervorgeht – oder ob es sich nicht eher umgekehrt verhält. Hierin konstituiert sich eine Ästhetik des Erfolgs im engeren Sinne und es ist kein Zufall, dass dies gleichzeitig mit der Entstehung des Massenmediums Film geschieht.
Dieser Prozess wird von der Literatur nicht nur reflektiert, er betrifft sie auch selbst. Zwar gibt es immer wieder Versuche, zwischen der Propaganda für ein literarisches Werk und dem Werk selbst zu unterscheiden. Doch schon die Dadaisten führten mit ihren Bluffinszenierungen vor, dass sich die Unterscheidung von Kunst und Reklame immer subvertieren lässt. Die Literatur wird also in mehrfachem Sinn ein Ort des Wissens um Erfolg. Sie stellt Praktiken zur Selbstinszenierung bereit und reflektiert sie. Sie bietet zugleich praktische Anleitungen und kritische Überlegungen. Darüber hinaus wird die Literatur als ‚Beobachterin am Rande‘ zum Begleit- und Kommentiermedium von Erfolgsinszenierungen jener anderen Medien, die im multimedialen Zeitalter des 20. Jahrhunderts immer mehr Einfluss auf den Alltag gewinnen: vom Radio über das Fernsehen bis hin zum Internet.
Inwiefern wurden auch die negativen Seiten des Strebens nach Glück und Erfolg wahrgenommen?
Suter ⇒ Als Kehrseite von Erfolg wird meist ein asoziales Verhalten angeführt, etwa dass die Konzentration von Börsenmaklern auf das Kursgeschehen dazu führe, dass sie sich um die sozialen Konsequenzen ihrer Geschäfte nicht mehr kümmerten. Der Egoist verkörpert das Defizitäre von Erfolgsgesellschaften. Aber es klingt in dieser Kritik auch immer die Frage mit, wie man das Erfolgsstreben des Individuums so einspannen kann, dass es einen sozialen Mehrwert ergibt. Mit Kritik wird also stets die praktische Frage verbunden, wie man diese eigensinnigen, ehrgeizigen Individuen in den Dienst des Ganzen stellen, ihre auf das Eigene gerichtete Motivation in ein soziales Betriebskapital verwandeln kann. Hieran schließt sich dann natürlich die Frage nach sozialer Steuerung an: Kritische Verhandlungen über Erfolg sind immer auch Verhandlungen darüber, wie man Erfolg bestmöglich zur Steuerung kollektiven Verhaltens einsetzen kann.
Kleiner ⇒ Im Falle von Glück ist das ganz ähnlich. Da geht es auch nicht darum, Glück an sich kritisch zu sehen, sondern es geht immer darum, bestimmte Glücksvorstellungen als einseitig zu identifizieren, zum Beispiel eine Fokussierung auf Konsumglück oder Erlebnisglück. Es wird also vor falschen Glücksphantomen gewarnt, zumal dann, wenn sie konventionell gut geheißene Sozialformen wie Familie und Freundschaft zu sprengen drohen. Und zugleich wird zumindest unterschwellig die Vorstellung mitgeführt – auch in wissenschaftlichen Kontexten –, es gäbe eine irgendwie authentische Vorstellung eines wirklich glücklichen, eines wirklich gelingenden Lebens, sei es das Gefühl, lebendig zu sein, oder das Gefühl des Flow, um bekannte Stichworte aus den jüngsten Debatten aufzunehmen. Hier zeigt sich einmal mehr die diskursive Vermischung von markt- und alltagskompatiblem Wissen einerseits und dem von Experten generierten andererseits.
Wie steht es nun um die Menschen, die zwar erfolgreich sind, aber dabei nicht glücklich?
Suter ⇒ Das Interessante ist ja, dass man nicht über Erfolg reden kann, ohne auch über das Scheitern zu reden, und genauso wenig über das Glück, ohne auch über das Unglücklichsein. Es geht im 20. Jahrhundert nie einfach nur um Erfolg oder Glück sondern um Normalitätszonen von Erfolg und Glück, die der Aushandlung von Grenzen dienen: Wie erfolgreich kann man sein, ohne sich durch eine zu einseitige Konzentration auf die eigene Karriere unglücklich zu machen? Oder welches Maß von Scheitern ist normal für eine Biografie und ab wann gilt man als Versager? Und letztlich lautet die Frage nicht, ob jemand erfolgreich oder gescheitert ist, sondern wie erfolgreich man sein muss, um eben noch glücklich zu sein. Es handelt sich um eine Frage des richtigen Maßes: Es braucht ein Mindestmaß an Erfolg, um glücklich zu sein. Zuviel Erfolg kann aber auch unglücklich machen. Darum auch unser Interesse an Glücks- und Erfolgspathologien.
Kleiner ⇒ Dazu passt ein Beispiel aus der ökonomischen Glücksforschung. Hier geht man davon aus, dass es zwar ein bestimmtes Mindesteinkommen braucht, um glücklich – im Sinne von materiell abgesichert und sorgenfrei – zu sein. Zugleich wird aber auch versichert, dass ein Millionengewinn eben nicht glücklich macht. Auch hier spielen Vorstellungen von Maß, Gleichgewicht und Normalität eine wichtige Rolle.
Das Interview führte Claudia Marion Voigtmann.
Stephanie Kleiner
Stephanie Kleiner forscht am Exzellenzcluster über „Glückswissen. Zur Geschichte einer Reflexionsform gelingender Integration im 20. Jahrhundert“.
Robert Suter
Robert Suter koordinierte die Forschungsinitiative „Doing Truth. Praxeologien der Wahrheit“ an der Universität Konstanz und forschte zur Literaturgeschichte von Erfolg und Scheitern im 20. Jahrhundert. Er ist im Herbst 2014 verstorben.
Die Historikerin und der Literaturwissenschaftler geben eine Reihe zu „Glück und Erfolg im 20. Jahrhundert“ heraus, deren erster Band Guter Rat. Glück und Erfolg in der Ratgeberliteratur beim Berliner Verlag Neofelis erscheinen wird.