Freitag, Juli 10, 2009

Protagoras 356 c – 362 a END

Protokoll zum 06.07.2009, Miklos Mihalik

Nach einer längeren Besprechung des Protokolls der vorhergegangenen Woche steigen wir in den Text ein:
In 356 wird erörtert, dass die Messkunde als Bewertungssystem für das Heil oder Unheil des Lebens herangezogen werden muss, anstelle sich von Erscheinungen blenden zu lassen. Letztlich sei die Arithmetik (Rechenkunst) das Ausschlaggebende. Die Anwesenden, inklusive Protagoras, sind hiermit einverstanden. Dies ist nun Voraussetzung gewesen dafür, an dieser Stelle behaupten zu können, dass die Erkenntnis nun doch nicht über alles herrsche und somit auch nicht über die Lust und Unlust. Vor allem ließe sich nun erkennen, dass gerade dann die Wahl zwischen Lust und Unlust, Gut und Böse, auf das Falsche fiele, wenn es nicht nur an Erkenntnis fehle, sondern eben auch Unverstand eine große Rolle spiele. (Protagoras behaupte ja, diesen bekämpfen zu können.) Doch die Anwesenden haben dies bisher nicht auf diese Art (also nicht richtig) gesehen, würden es aber nun verstehen – Sokrates sei Dank. Dies lässt sich Sokrates selbstverständlich vom Publikum bestätigen (358a). Es folgt die Begriffsklärung des Unverstandes. Er sei falsche Meinung und getäuscht sein über wichtige Dinge. Dies bedeute also, dass niemand freiwillig Böses machen würde und wenn jemand in einer Situation gezwungen würde, sich zwischen zwei schlimmen Möglichkeiten zu wählen, die Person stets das kleinere Übel wählen würde (dies entspricht dem Kern der sokratischen Philosophie). Weiter: niemand würde einer Sache nachgehen, vor der sich die selbige Person fürchte.
Doch nun zurück zum übergeordneten Thema der Tapferkeit, die sich ja deutlich von den übrigen Tugenden (Klugheit, Besonnenheit, Gerechtigkeit und Frömmigkeit) unterscheide: es gibt definitiv böse Menschen, die aber tapfer sind. Auch dies wird bejaht. Auf die Frage des Sokrates, ob die Tapferen dreist seien antwortete Protagoras bereits früher mit: „und auch keck zufahrend.“ Ob dies nun auch für die Feigen gelte, lautet die Antwort nein. Doch dies sei unmöglich, so Sokrates, denn niemand gehe dem nach, was er für furchtbar hielte. Es folgt das Beispiel des Krieges, in den zu ziehen als schön gilt. Sowohl der Tapfere als auch der Feige würden in den Krieg ziehen aber aus unterschiedlichen Beweggründen heraus, woraus sich Sokrates zurechtlegt, dass der Feige nicht weiß, dass es schön ist, in den Krieg zu ziehen. Soweit von Protagoras alles angenommen und bejaht folgt ein kleiner Triumph Sokrates´. also ist die Feigheit das Gegenteil von Unkenntnis? Das Gegenteil von Feigheit war doch aber die Tapferkeit. Nun gelingt es Sokrates an dieser Stelle (360e) Protagoras schachmatt zu setzen. Hierauf Protagoras: „Vollende es selbst“, da er selbst eine kurze Zeit still und ohne Worte verharrte. Er zeigte sich in diesem Moment geschlagen.
Selbstlos stellt nun Sokrates fest, es ginge ihm hier lediglich um die Klärung des eigentlichen Themas, ob die Tüchtigkeit lehrbar sei. Doch der Ausgang des Gespräches sei soweit irreführend, da Sokrates einen Weg zu suchen scheint, wie Tüchtigkeit doch am besten lehrbar sei (hinter allen Arten der Tüchtigkeit stecke letztendlich nur Erkenntnis) und Protagoras, der mit dem bisherigen Verlauf des Gespräches eher gegen seine eigene These argumentierte (hinter allen Arten der Tüchtigkeit stecke alles andere als Erkenntnis).
Der Dialog klingt an dieser Stelle mit ein paar Schmeicheleien aus. Sokrates sei sehr entschlossen und die Durchführung der Erörterungen sehr gelungen – so Protagoras. Er selbst sei in keinster Weise neidisch, er würde Sokrates eher bewundern.
„Nachdem wir das gesprochen und gehört hatten, gingen wir weg.“
Meiner Meinung nach ist dies ein triviales Ende des Buches. Ich hätte etwas mehr erwartet, als nur einen kleinen „Stolperer“ des Protagoras. Der große Triumph Sokrates´ bleibt an dieser Stelle aus.
Anm.: "Man hat ... eine Verbindung des PROTAGORAS zum SYMPOSION herstellen wollen. ... handelt ja auch das SYMPOSION von der Frage nach der Lehrbarkeit der arete/Tüchtigkeit"
Ueberweg Antike 2/2, 186

Keine Kommentare: