Sonntag, April 28, 2013

Handlungsankündigungen

    hc.guth@arcor.de : zwei Anmerkungen
Die erste: Es wäre sinnvoll, die Elemente des "Handlungsbreis" so beim Namen zu nennen, dass der Bezug zu den Objekten deutlich wird; mir ist da immer nur der Ausdruck "Sich-Verhalten-zu" eingefallen. Im Handlungsbrei firmiert alles Objektive, Gegenstände, Sachverhalte, Verläufe, Dispositionen, als jeweiliger "Inbegriff" aller möglichen Verhaltensweisen zu ihm.
Ich sage Verhalten(-zu), weil hier, vorsprachlich, kein kategorialer (logischer) Unterschied zur Zuschreibung motorischer "Akte" auf Basis von "Stimuliertheit" (ebenfalls definiert in motorischen Kategorien) von Tieren existiert.
Aus den Gliederungen des Objektiven ergeben sich entsprechende Untergliederungen des Verhaltens-zu ihm (Sich zu einem Verlauf verhalten, impliziert, sich zu den in ihn involvierten Gegenständen und Sachverhalten verhalten usw)


Zweite Anmerkung:
Es führt leider nicht weiter, und man kann sich kaum einen Aufbau grammatisch komplex organisierter "Artikulatoren" vorstellen, wenn AUFFORDERN oder gar BEFEHLEN zum Basis-Paradigma der Artikulator-Einführung genommen werden.
Diese Elementar-Situation entstammt nicht nur den Phil-Untersuchungen, und nimmt sich sehr materialistisch-arbeitsbezogen aus, sie führt letztlich sogar (aus meiner Sicht) direkt zurück aufs operante Konditionieren (daher Wittgensteins Betonen der "Abrichtung").
Da ist Wittgenstein auf Abwege geraten, die ihn notgedrungen die "inferentialistische" Entfaltung von Artikulationsmöglichkeiten hat verfehlen lassen: Seine Elementarsituation taugt nicht dazu. Sie setzt kontraintuitiv sogar eine vorsprachlicih eher untypische Praxis-Situation voraus, bei der zu fragen ist, ob sie vorsprachlich überhaupt sicher zur Verhaltens-Koordination führt: A will B dazu bringen etwas zu tun.
Vormachen ist was andres; bloß führt es wiederum nicht zum klar verständlichen Einführen von Artikulationen. Zumal Vormachen meist Ausnahmecharakter hat, und für sich schon Verständnisprobleme aufwirft. Das verdoppelt die nötige Verständnisleistung des Adressaten und macht sie unsicher.Mein Vorschlag: Handlungsankündigen als Basis-Einführungssituation ins Auge fassen, und zwar in den beiden Versionen, in denen sie mögliich ist: spielerisches Ankündigen des kollektiv längst sicher ausgeführten Alltags-Routine-Verhaltens (alle kennen Reihenfolge und Zeitpunkt bzw. Auslöser für kollektive reproduktiv wirksame Praktiken).
Und: Spielerisches Ankündigen von willkür-motorischen, NICHT zur momentanen Routine gehörenden, also nicht zweckbezogenen, "bloss vorgeführten" Verhaltensweisen (hochspringen, Arm heben, mit Stock auf Boden schlagen usw)
Die Rolle des SPIELENS bei der Einführung der Sprachspiele und die Voraussetzung des INTERESSES daran ist dabei hervorzuheben.

2 Kommentare:

feigenblaetter hat gesagt…

Kommen wir von Wittgensteins Bau in die Küche! (wir haben vorher gegessen und nun) Ausschnitt aus unsrer Alltagswelt
- 1 ABWASCHEN / Abtropfen lassen
- 2 ABTROCKNEN / Ablegen
- 3 AUFRÄUMEN
(nehmen wir an, es gibt als Ausgangsposition benutzte Suppenlöffel und Teelöffel; für 1 eine Plastikschüssel mit Wasser und ein Behältnis mit Löchern; für 2 ein Tuch in die Hand und ein hingelegtes Tuch; für 3 einen Besteckkasten) Es gibt 3 Leute, vielleicht einen Philosophen A und zwei Kinder B und C. A macht 1 , sagt 1. B und C schauen und hören in der ersten Runde zu. A kann die Ausführung von 1 damit begleiten, dass er das Fingerzeichen 1 macht. Dies ist hier ein kontextsensitiver Artikulator auf der ersten Stufe der Spracheinführung. Auch wenn hier nicht gesprochen wird, ist die Handlung 1 keine "vorsprachliche" ...
Und nun wird wahrscheinlich mit 1,2,3 tatsächlich g e s p i e l t werden (und spielend reproduktive soziale Zusammenarbeit und sprachliche Verständigung darüber eingeübt werden) k ö n n e n.

Es sollen auch kleine Kinder teilnehmen können.

hc.guth hat gesagt…

Nochmal (wenn ich darf):
Die Spracheinführung ohne Sprache (das ist noch radikaler als die radikalste Übersetzung!) ist nur für erwachsene Mitglieder einer vorsprachlich auf hohem Niveau kooperierenden Gruppe denkbar. Tomasello, der in letzter Zeit so hoch-gelobte Primatenforscher, hat da erste Hinweise geliefert, aber bei weitem, soweit ich das derzeit kenne, ausreichende: Es geht beim vorsprachlichien Gruppen-Handeln vor allem um Verhaltens-Verstehen - Erkennen, was die andern machen wollen und sie dabei unterstützen, den "Sinn" ihrer Handlungsstrategien erkennen noch wahrend sie ausgeführt werden (das ist höchst effizient bei einer Jagd-Taktik, die situations-gemäss abgewandelt wird; sowas kommt freilich schon bei Löwen vor...)

Erwachsen müssen sie sein, weil sie zB den Unterschied zwischen Routine und Nichtroutine, vielleicht bei letzterer zwischen "zweckmässig" und "nicht zweckmässig" kennen müssen; schliesslich womöglich noch (da kommt dann vielleicht kein Primat mehr mit, aber Schiller hat Recht: der Homo sapiens ist einer, weil er spielt) den zwischen "ernsthaftem" Tun und "bloss so tun als ob". (All diese Verhaltenssituationen müssen gut eingespielt und beständig Teil der des Gruppen-Alltags sein. Zum Routineverhalten speziell gehören auch Rhythmen, Zeiten, Auslösebedingungen...)

Kinder lernen am Modell, aber auch (ältere) "sinn-verstehend", alles vorsprachlich. Sie begreifen, was ein anderer durch sein Tunerreichen will, weil es Sinn macht, letztlich irgendwie bedürfnisbezogen ist. (Das sind für eine "Letztbegründung" auch noch der Grammatik zentrale Aussagen.)
Kinder wachsen in eine grundsätzlich sprachlich organisierte Praxis (durch den sog. "Spracherwerb") gänzlich anders hinein als in eine nicht sprachlich organisierte; die letztere ist auch primitiver, "offensichtlicher" an einfachen Zwecken orientiert, bedingt durch gemeinsam durchlebte Situationen manchmal auch nicht: Gefahrenmeidung...)
Noch ein Hinweis: Bei der Spracheinführung geht es vor allem um das Verstehen der Modalsprachspiele, zu denen ich auch Negation und Konditional-KOnjunktions-Verwendung zählen würde, Tempora, mentale Zuschreibungen ua. Das ist der grammatische Rahmen; in den wird der Reichtum an Begriffen, der sich aus der konkreten Praxis ergibt, hineingeladen. (Definieren ist auch ein Modalsprachspiel... Die Modalsprachspiele werden gesichert durch grammatische, nämlich Sprechakt-Ankündigungen.)