Donnerstag, Mai 07, 2009

MENON b

Seminar: Sokrates
3. Sitzung, 04.05.09
Protokollantin: Jennifer Hahn
 
1)   Vertikalspannung
2)   Parallelität zwischen Leidensgeschichten
3)   Wiedergeburt und Unsterblichkeit der Seele
4)   Argumentationsverlauf Seiten 25-49
( Platon Menon, Reclam)
 
 
1)   Vertikalspannung

Die Sitzung wurde mit einem Auszug aus Peter Sloterdijks Buch 2008: "Du musst dein Leben ändern" begonnen. In diesem Auszug sprach Sloterdijk, wie auch in seinem gesamten Buch von Übungen, Trainings, Exerzitien, Askesen und Athletiken, sowie von einem vertikalen Zug. Diese "Vertikalspannung ist eine metaphysische Kraftlinie, ein unsichtbares Gerät, an der wir unser Dasein übend, wiederholend, ausrichten. Menschen sind prinzipiell dazu verurteilt, sich übungstechnisch, spirituell asketisch oder athletisch, oder modern anthropotechnisch in diese Vertikale einzuüben, die ihn im günstigen Fall gelingend aufsteigen lässt und im schlechten Fall unter die Grasnarbe bringt."
( http://timboso.wordpress.com/tag/menschen/ )
 
2)   Parallelität zwischen Leidensgeschichten

ARS MORIENDI – SterbensKunst als Abschluss der Lebenskunst
Weiter ging es mit der Betrachtung/ Überlegung über die Parallelität zwischen Tod des Sokrates und Jesu Leidensgeschichte, vgl. Sloterdijk 2008, 315ff


So stellt der Tod die stärkste Bewährungsprobe da, weil er den Menschen in eine Passivität drängt und ihn dazu nötigt, mit Schrecklichem eins zu werden.
In diesem Zusammenhang wurde herausgestellt, dass die Askese
 (gr. ασκησις askesis, von ασκεω askeo „üben“, „sich befleißigen“), einen zentralen Terminus in der antiken Philosophie darstellt.
Indische Völker, die den Suizid bevor ziehen, wenn das Leben länger geht, als ihre Ehre, könnten dadurch eine Emanzipation aus „der Tyrannei des Todes“ erlangen, da sie quasi aus der Passivität ausbrechen.
So auch in den Passionsgeschichten Jesu und Sokrates, in denen das "müssen" in "können" umgewandelt wird- der Verurteilte nimmt das Urteil auf und kooperiert damit.
Dies wurde durch den Dialog zwischen Sokrates und Kriton deutlich, in dem „die Gesetze“ sagen: Du ,Sokrates, bist nie auf Reisen gegangen , da du Athen bevorzugtest, weshalb er auch den Tod der Verbannung vorzog. Sie fordern ihn auf, seinen "Weg zu beenden", da er nun 70 Jahre Zeit hatte zu gehen und dennoch blieb und weil die Menschen "Tugend und Gerechtigkeit" mehr achten müssen, als sonst etwas.
Dass Sokrates "seinen Weg beenden" möchte, darin kann man eine Parallele zu Jesus ziehen (430 Jahre später), der am Pfahl sagte: "Es ist vollbracht".
 
 
3)   Wiedergeburt und Unsterblichkeit der Seele
 
An dieser Stelle wurde diskutiert, ob es dieses Phänomen überhaupt gebe, was uns wiederrum zu der Frage führte, was dies eigentlich bedeutet.
→Ein Leben in einer anderen Welt?
Eine „andere Existenz“- würde es dann einen Unterschied zwischen Seele 1 und Seele 2 geben oder wäre es dieselbe Seele und nur ein „anderes Sein“?
Diese Überlegungen führten zu einem weiteren philosophischen Problem und zwar, dass der Begriff „Welt“ einen Überbegriff darstellt unter den „alles“ fällt, da es demnach nur eine Welt gibt.
 
Ein weiterer Exkurs führte nach Australien, dort gibt es die Vorstellung vom Existieren von Seelen in einer „Traumzeit“ in die man durch bestimmte Rituale eintauchen könne („Supermarktbeispiel“ : black fellers träumen die Geburt eines Kinds, dessen Seele Kontakt aufnimmt)
 
 
5)   Argumentationsverlauf ab Seite 25-49
 
Zu dem Argumentationsverlauf kommt es eigentlich ja erst dadurch, dass Sokrates Menon in ein Gespräch zieht ( zwischen S. 18 und 20), obwohl dieser nur eine Auskunft von Sokrates wollte. Doch anstatt zu antworten gebraucht Sokrates die Ausrede, dass sein Gedächtnis so schlecht sei und Menon ihm erst einmal Gorgias Meinung sagen solle. Es folgen fünf Erklärungsversuche seitens Menon.
Schließlich kommt Menon zu dem Schluss:„Gutsein“ bedeute sich Gold und Silber zu verschaffen (Seite 29). Auf die Frage hin, ob es einen Unterschied mache, ob man  sich dies auf gerechte Weise verschaffe oder nicht, kommt Menon noch zu der Ergänzung, dass „Gerechtsein, Besonnensein und Frommsein oder ein anderer Bestandteil von Gutsein mit dem Verschaffen verbunden sein“ müsse.
 
Es wird eine Elision (Auslassung) gemacht.
So wird keine Unterscheidung zwischen „gutem für mich“ und „gutem für andere“ gemacht. Dies lässt schließen, dass „Gutes“ und „Schlechtes“ einstellig sind.
DOCH: „Etwas ist gut für eins und fraglich für zwei“

 
Zudem wird eine Unterscheidung zwischen „wollen“ und „begehren“ gemacht (es trat die Frage nach einem Übersetzungsfehler in Menon auf).
Demnach könne man „wollen“ auch in dem Sinne verwenden, dass man etwas für andere „will“. „Wollen“ wäre zudem ein „Willensbildungsprozess“, also ein Abwägen von verschiedenen Möglichkeiten.
Der Ausdruck „begehren“ beziehe sich vielmehr auf sich selbst, also man „begehrt“ etwas für sich (nicht nur Dinge, sondern auch Verhältnisse ( „Ich begehre deinen Tod“)).
Daran wird ersichtlich, dass diese Begriffe unter Umständen ein „Einführen“ in den Kontext benötigen, um sie „gut“ verwenden zu können.
 
 
4 Aspekte von „Gutsein“ sind:
- die ethische Seite (Gerechtigkeit)
 -die ästhetische Seite (Gute (Menschen) sind schön)
 -die Glücksseite ( Gute sind glücklich)
 - die praktische Seite (wer gut ist, ist lebenstüchtig)
 
Doch wer sagt, dass Platon die Dialoge auf höchster Stufe formuliert hat? Halten doch Philosophen je nach Gegenüber auch Einsichten zurück.
„Es muss nämlich nicht immer alles auf höchster Überzeugungshöhe sein“. Einen Dialog ohne Lösung des Problems nennt man „aporetischen Dialog“.
→Von Aporie =griech. ἀπορία, Ratlosigkeit, von gr. ho πόρος, der Weg, a-poros eigtl. „Ausweglosigkeit“
In diesem Dialog versucht Sokrates in seinem Gegenüber, durch seine
( Sokrates) geschickte „Hebammenkunst“, etwas „aufleuchten“ zu lassen. Sokrates führt seine Gesprächspartner also absichtlich in die Aporie, um sie so auf die Suche nach Wahrheit (griech. ἀλήθεια) zu leiten.
 
So verwirft Sokrates eine Antwort von Menon auf die Frage, was „Gutsein“ bedeute, da in dieser Antwort ein Bestandteil von „Gutsein“, was noch nicht bestimmt wurde, verwendet wird (Seite 32/33).
Sokrates baut nun auf Seite 35 einen eristikós lógós =έϱιστικòς λόγος ein. Eine Rede in der es durch Verschiebung von Begriffen auf den Sieg ankommt, also quasi besteht solch eine Rede darin, andere „an die Wand“ zu reden.
 
Im letzten Drittel von Seite 35 kommt es zum „Bruch“, indem Sokrates von „Männern und Frauen“ spricht, die sich „in göttlichen Dingen auskennen“.
(Daraus besteht später auch die Anklage gegen Sokrates, nämlich dass er neue Götter einführe. (Die Athener gingen nicht von Seelenwanderung aus) Anytos, ein wohlhabender Anführer der wieder an die Macht gekommenen demokratisch-konservativen Partei, war Ankläger in diesem Prozess.)
Jedenfalls gibt es laut Sokrates Leute, nämlich Priester und Priesterinnen, die Dinge begründen können (Seite 35/37). So vertreten diese auch die Meinung „ die Seele des Menschen sei unsterblich“ (Seite 37), weshalb man ein möglichst frommes Leben führen sollte. Wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, würde man ins „Fegefeuer“ kommen, aus dem man erst von Persephone (der Göttin der Unterwelt) freigelassen wird, wenn man für seine Fehler genügend Buße geleistet hat.
So kommt es allerdings auch dazu, dass die Seele „alles hier und im Hades geschaut hat“ (Seite 37).
Hieraus schlussfolgert Sokrates, dass „das Suchen und das Lernen Wiedererinnerung“ seien( Seite 37).
Dies versucht er anhand eines Sklaven von Menon zu beweisen, indem er diesen in eine Situation führt (wie zerlege ich ein Quadrat?), um ihn „nicht zu belehren“, sondern (an sein Wissen) wiederzuerinnern.
 
→“innate ideas“: Menschen bringen „etwas“ mit, damit sie erkennen können
 
 
 
 

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