Mittwoch, Mai 16, 2007

Das philosophische Café / Julia Knapp

Das philosophische Café ist eine bestimmte Art, praktische Philosophie zu betreiben. Wie Sokrates auf dem Athener Marktplatz philosophische Dialoge führte, wie Diogenes durch öffentliches Onanieren Aufsehen erregte und sein Treiben philosophisch begründete, wie Descartes die Erlebnisse und Erkenntnisse seiner intensiven Meditationen in langen Briefen an seine Freunde verarbeitete, wie Kant einen philosophischen Mittagstisch mit Freunden hielt, so werden auch heute Wege gesucht, um Philosophie zu praktizieren – und einer davon ist der Besuch eines philosophischen Cafés.
Das erste philosophische Café wurde 1992 in Paris an der Place de la Bastille von Marc Sautet gegründet, einem akademischen Philosophen, der bereits durch das Betreiben einer eigenen philosophischen Praxis Auswege aus der „Krise“ der akademischen Philosophie suchte. Den philosophischen Mittagstisch im Kant´schen Sinn hatte er bereits verwirklicht, die Öffentlichkeit stieß sozusagen zufällig dazu, die Treffen etablierten sich. Seitdem ist das philosophische Café – welches übrigens stets ein gesellschaftliches Ereignis und keinen Ort bezeichnet – über die Pariser Stadtgrenzen hinausgewachsen und erfreut sich Nachahmern in ganz Europa.
Sautets Treffen verlaufen ohne Struktur und Plan. Die Teilnehmer treffen sich, daraufhin wird spontan ein Thema ausgewählt, bei mehreren Themenvorschlägen wird demokratisch entschieden. Der Leiter hat somit nicht die Möglichkeit sich inhaltlich auf das Treffen vorzubereiten – es besteht also durchaus die Möglichkeit, dass er selbst nicht viel mehr an gesichertem Wissen zu bieten hat, als seine Caféhausteilnehmer.
Aber das stellt die Grundlage des Sautet’schen Prinzips dar: Der Dialog als höchste Form der philosophischen Kommunikation, ganz im Sinne Sokrates.
Der sokratische Dialog ist die Bildung einer moralisch korrekten Haltung im theoretischen Dialog, das Entwickeln von Kommunikationsfähigkeit, das Anerkennen von Gleichwertigkeit und das Ernstnehmen des Gesprächpartners. In sokratikoi logoi, dem argumentativen Zwiegespräch, wird eine Meinung zur Wahrheit entwickelt.
Sokrates geht davon aus, dass jeder Wissen in sich trägt, welches durch den Dialog herausgekitzelt werden kann. Somit fungiert er (und im übertragenen Sinn Sautet) als Geburtshelfer des neuen Gedankenguts.
Der Ausgangspunkt des sokratischen Dialog ist stets eine „Was ist…“- Frage, also beispielsweise „Was ist Gott?“ „Was ist Liebe?“ „Was ist Heimat?“ Viele sokratische Fragen findet man übrigens in dem hervorragenden „Fragebogen“ von Max Frisch.
Das – meist besserwisserische und vorschnelle – Gegenüber antwortet mit einer Floskel „Gott ist der Erschaffer der Welt“, „Liebe ist das höchste Gut der Menschheit“, „Heimat ist Griechenland“ etc. Sokrates stellt immer weitere Fragen und sucht nach Gründen für diese Behauptung. Am Ende muss der Gesprächspartner einsehen, dass seine Annahme falsch oder zumindest nicht begründbar ist – und hier öffnet sich der Weg für die Suche nach dem wahren Wissen. „Ich weiß, dass ich nichts weiß“ – der ideale Start für wahre Suche nach episteme.
Zu Beginn der Zwanziger etablierte Nelson die sokratischen Gespräche erneut und entwickelte daraus eine Methode für den philosophischen Unterricht. Hauptpunkt des Neo-Sokratismus ist die Aufhebung des klassischen Dialogs durch die Umgestaltung zum Gruppengespräch. Die Rolle des Sokrates erhielt nun der Leiter der Gruppe.
Marc Sautets Modell des café philo hält sich insofern vollkommen an Sokrates, als dass es sich auch auf die reine Mündlichkeit beschränkt.
Wichtig hier ist nicht unbedingt das Weitervermitteln der Inhalte philosophischer Werke sondern vielmehr das Selbst-Philosophieren der Caféteilnehmer, das Entwickeln eigener Gedanken und Kritik zum gestellten und gewählten Thema.
Einer der vielen Nachahmer Sautets in Deutschland ist Lutz von Werder. Sein philosophisches Café kann in Berlin besucht werden. Werder bemängelt, dass das französiche Modell nicht ausgereift sei. Für ihn reicht Reden nicht, er vertritt die These, dass Philosophie der Schrift, des Schreibens und der Schreibdidaktik bedarf.
In seinen 11 Thesen zum philosophischen Café unterstreicht er die für ihn wichtigsten Punkte. Demnach hat jeder Mensch eine eigene, unbewusste Lebensphilosophie (Handlungsgrundlage), welche durch philosophisches Schreiben bewusst weitergedacht werden kann – und auch nur dadurch. Werder beruft sich auf die Schriftlichkeit der Philosophie und vertritt klar die Meinung, dass ohne Schrift keine Philosophie auf hohem Niveau stattfinden kann. Das heißt aber nicht, dass er ein Annhänger der akademischen Philosophie ist, obwohl habilitiert lehnt Werder die akademische Philosophie klar ab.
Er bringt seien Caféhausbesuchern die Philosophie durch philosophierende Schreibübungen näher. Beispielsweise stellt er Epikur mit vier Sätzen vor:
- An den Tod nicht denken
- Gott nicht fürchten
- Das Schlechte dauert nicht lange
- Das Gute ist leicht zu haben
Im Anschluss sollen alle Teilnehmer ebenfalls vier Sätze festhalten – ihrer eigenen Lebensphilosphie – einen Satz zum Glück, einen zu Gott, und jeweils einen zum Schlechten und zum Guten. Im Anschluss kann, wer will, seine vier Sätze vorlesen. Diese Texte bilden die Grundlage für die weiterführende Diskussion.
Andere Möglichkeiten für „philosophische Schreibübungen“ finden sich in der Literatur. Von Werders Gäste erstellen sowohl Vierzeiler als auch Haikus, fiktive Dialoge (gerne zwischen Philosophen), Gedichte, Kurzprosa, Aphorismen etc.
Er teilt den Erkenntnisgewinn durch das Schreiben in sechs Phasen ein:
1) Präparation: Auftauchen eines Gedankens der über die eigene Lebensphilosophie hinausgeht
2) Inkubation: der Gedanke setzt sich
3) Inspiration: Ideenbruchstücke werden zu einem Gedankengang zusammengefügt
4) Explikation: Schriftliches Ausführen des Gedankens
5) Evaluation: Bewertung des Gedankens
6) Verifikation: Überprüfen des Gedankens auf Tauglichkeit.

Ohne das Verschriftlichen des Gedankens sieht Werder keine Möglichkeit, den Gedankengang festzuhalten und differenziert zu betrachten.
In Werders Café werden drei Hauptthemen behandelt: Gott, Tod und Glück. In seinem Buch (und zahlreichen von ihm sowohl verfasst als auch empfohlenen Nachschlagewerken) gibt er zahlreiche Beispiele für die Herangehensweise und etliche Tipps für (werdende) Caféveranstalter.
Werders Haken besteht für mich darin, dass er die Universitätsphilosophie verteufelt. Sie sei in ihrem Elfenbeinturm eingefroren und beschäftige sich nur noch mit dem Interpretieren großer klassischer Philosophen denn mit dem Philosophieren selbst.
Als Vertreter dieser Meinung müsste er Sautets Prinzip des Cafés anhängen, was aber nicht der Fall ist, er entwickelt sein eigenes Modell, in welchem der Philosoph vorgestellt wird, in welchem sich der Caféhausleiter vorbereitet und didaktische und pädagogische Schreibübungen abgehalten werden – von einem akademischen Philosophen. Will Werder nun sagen, dass ein jeder ein café philo leiten könnte? Würde das aber nicht genau in dem Zustand enden, den er Sautet vorwirft: In zügellosem und unstrukturiertem Diskutieren auf emotionaler und psychologischer Ebene? Ich meine doch.
Peter Vollbrecht hat sich aus beiden Theorien gute Aspekte herausgesucht und zu einem schönen Neuen vermengt.
Auch er vertritt die Meinung, dass Sautets café philo an Strukturmangel leide, und dass der reine Austausch von Meinungen noch lange nicht den Erkenntnisgewinn garantiere.
Er baut sein café philo strukturiert auf: Er legt das Thema im Vorhinein fest und arbeitet Vorträge aus, welche in das Thema und die spezifische Philosophie bzw. das zu behandelnde Problem einführen. Zwischen den Vorträgen liegen die Diskussionsblöcke, in denen es natürlich nicht nur um die Interpretation der Originalstimme sondern auch um das eigene Philosophieren geht.
Unser philosophisches Café in Konstanz ist wiederum anders beschaffen.
Hier ein Auszug aus dem Text der Homepage:

Das Café Manuscript begreift sich ausdrücklich nicht als ein Ableger der Marc Sautetschen Idee. Im Unterschied zu diesem steht nicht der Vortragende im Mittelpunkt. Vielmehr soll die Diskussion angeregt durch eine schauspielerische Darstellung einer historischen Persönlichkeit von der Mitte des Cafés ausgehen.
Ein jeder soll sich frei entscheiden können, ob er das aufgeworfene Thema aufgreifen und dieses in kleinerer oder größerer Runde diskutieren will oder ob er lediglich bei einer Tasse Café die Atmosphäre unseres Cafés genießen möchte.
Das Cafe Manuscript findet man in der Rheingasse 4 (Stadtteil Niederburg), im Internet unter http://www.cafe-manuscript.de/, Kontakt: studer@cafe-manuscript.de




Verwendete Literatur:
Werder, Lutz von. Das philosophische Café ein Kreativer Weg zur Philosophie. Milow, 1998
Sautet, Marc. Ein Café für Sokrates. Philosophie für jedermann. Düsseldorf, 1999
Vollbrecht, Peter: Kant und Cappuchino? Zu Vision und Wirklichkeit Philosophischer Cafés. In: Staude, Detlef (Hrsg). Lebendiges Philosophieren Philosophische Praxis im Alltag. Bielefeld, 2005
Prechtel, Peter (Hrsg): Metzler Philosophie Lexikon. Stuttgart, Weimar, 1999.


susisReferat (JuliaK) : Philosophisches Café
Themen: ► Definition des Begriffes „Philosophisches Café“ ► Klärung der Frage WO es philosophische Cafés gibt oder an welchen Orten sie stattfinden ► Klärung der Frage WIE ein Philosophisches Café abgehalten wird und ob es unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten gibt
Vertreter dieser Diskussionsform mit jeweils unterschiedlichen Auffassungen : (- Nelson: erarbeitet Methode für philosophischen Unterricht)

-Marc Sautet
-Lutz von Werder
-Peter Vollbrecht
Was ist ein „Philosophisches Café“?
Ein „Philosophisches Café“ ist ein Ort, an dem man im gemeinsamen Gespräch das Kritik- und Urteilsvermögen schulen kann, indem man Begriffen, Grundannahmen und gewohnten Denkweisen fragend nachgeht. Man erschließt reflektierend neue Perspektiven und lernt die Gründe zu erfragen, die zu unterschiedlichen Denk- und Sichtweisen führen.
Wo findet man ein Philosophisches Café?
Eigentlich kann man ein Philosophisches Cafe überall finden, da es überall stattfinden und zustande kommen kann (gesellschaftliches Ereignis und kein Ort). Idealerweise ist ein Ort, an dem für das leibliche Wohl gesorgt ist und zusätzlich auch die Räumlichkeiten und das Publikum stimmt. Üblicherweise werden philosophische Cafés jedoch geplant und als fester Veranstaltungstermin (teilweise mit Eintritt!) bekannt gegeben.
Wie kann man sich die Gestaltung eines philosophischen Cafés vorstellen? Hier können unterschiedliche Ablaufsformen zustande kommen, da die Leiter der philosophischen Cafés unterschiedliche Persönlichkeiten sind und somit auch auf verschiedene Dinge wert legen.
Marc Sautet überlässt die Themenfindung den Besuchern und stimmt bei mehreren Vorschlägen demokratisch ab. Er lässt solche Treffen ohne Struktur und Plan stattfinden und ist deshalb auch inhaltlich nicht auf die Themen vorbereitet. Er handelt nach dem Prinzip Sokrates: Der Dialog ist die höchste Form der philosophischen Kommunikation. Bei ihm geschieht alles auf der mündlichen Basis.
Lutz von Werder dagegen meint Philosophie muss niedergeschrieben werden. Hierzu hat er 11 Thesen formuliert. Er ist davon überzeugt, dass nur so ein hohes Niveau in der Philosophie erreicht werden kann! Die Themenwahl wird durch ihn vorgegeben und die Diskussion findet erst anhand von den in Worten gefassten Gedanken der Besucher statt. Der Erkenntnisgewinn durch das philosophische Schreiben wird von ihm in sechs Phasen eingeteilt (Präparation, Inkubation, Inspiration, Explikation, Evaluation, Verifikation). Bei ihm spielen die drei Themen: Glück, Tod und Liebe eine zentrale Rolle beim Abhalten seines philosophischen Cafés.
Peter Vollbrecht scheint beide Vorgängermodelle zu vereinen. Er bereitet kurze Vorträge zu bestimmten, von ihm gewählten Themen vor. Zwischen den einzelnen Vorträgen wird dann eine Zeitspanne gewährt, um den Besuchern die Möglichkeit des Diskutierens und Philosophierens zu geben.
Es gibt jedoch auch ganz andere Formen: Hierzu die Homepage vom philosophischen Café Konstanz: www.cafe-manuscript.de
Diskussion handelte von folgenden Punkten:
- Lebensberatung? - Kann man für solche Veranstaltungen Geld verlangen? - Berufsverband notwendig? - GPS im Hirn: Erkenn dich selbst!

Freitag, Mai 11, 2007

Automatisches Schreiben. Ein Selbstversuch

Seminarprotokoll vom 30.04.2007
Lebenskunst in Philosophischer Praxis
Referat (Andrea) : Martina Bernasconis Konzept der Denkpraxis. Philosophische Beratung und psychoanalytisches Denken

Diskussionsprotokoll: Lebendiges Philosophieren Resultierende Themen aus dem Referat :
Generelle Unterscheidung/ Abgrenzung zwischen den Bereichen der Psychotherapie und einer Philosophischen Praxis eindeutig möglich ? Problematik : - Zu 95% wird bei der Psychotherapie keine Psychoanalyse angewandt(Überbetonung) - Viele Menschen, die zum Psychotherapeuten gehen, sind nicht krank - Teilweise Überschneidung der Aufgabenbereiche - Frage: Was entspringt aus was - Definition der zu beschreibenden Form sollte nicht durch Abgrenzung geschehen
Unterschiede bei der Textbearbeitung: - Bei der Psychotherapie nur im weiteren Sinne möglich - In philosophischer Praxis: Lesen philosophischer Texte mit Bezug auf das eigene Leben, unbewusstes Schreiben von Texten
Kurze Erläuterungen zu Freuds Person: Philosoph und Naturwissenschaftler in Einem, Freuds Kulturkritik muss vor seinem historischen Hintergrund betrachtet werden
Die Frage, ob es sinnvoll ist vom Unbewussten zu sprechen ( Gerd Achenbach ) und das Thema der Identitätsverlagerung über Eltern, Schule zu den Therapeuten wurden kurz angesprochen
Feldversuch:
Probanden mussten innerhalb von 5 Minuten ein vorgegebenes Textfeld beschreiben und zwar nachdem sie kurz davor einen Begriff genannt bekommen haben. Wichtig ist, dass man versucht nicht zu reflektieren und schon im Vorfeld zu bewerten und nur ausgesuchtes Aufzuschreiben….., sondern alle in den Sinn kommenden Gedanken niederzuschreiben! (Begriff : „ Kranke Gesellschaft“)
(Tafelbilder sind im Anhang beigefügt)
Resultat: Durch örtliche Gegebenheiten und Ungeübtheit fiel es allgemein schwer wirklich nur unbewusst zu Schreiben….sehr unterschiedliche Ergebnisse (Gesellschaftskritik, Medienkritik, Konsumkritik, Sozialkritik,…..), gute Veranschaulichung wie man jetzt an Hand des Geschriebenen weiter in das Gespräch mit dem Klienteneinsteigen kann….!
Anschließend noch Erfahrungsmitteilung der Probanden und teilweise Erklärung ihres Tafelabschnitts. Susann Schmidt Uni Konstanz

Mittwoch, Mai 09, 2007

Philosophieren mit Kindern

­­­­­­­­­­­­
Philosophieren mit Kindern? Was heisst das überhaupt? Können Kinder denn überhaupt philosophieren? Welche Virulenz in dieser letzten Frage steckt, zeigt sich schon daraus, dass, sollte sie negativ beantwortet werden, ich mit meinem Referat schon zu Ende wäre. Im positiven Fall müssen wir uns fragen, worum es sich hierbei genau handelt, inwieweit es Übereinstimmungen mit der tradierten akademischen Philosophie gibt, welche didaktischen Prinzipien gelten sollen und welches denn die Methoden einer Kinderphilosophie sind. Nicht zuletzt müsste man sich auch noch über die möglichen Themen einigen, die darin Platz finden sollten.
Ich erinnere mich noch an die Vorlesung von Jürgen Mittelstrass „Einführung in die Philosophie“. Auf die damals von einem Kommilitonen gestellte Frage, ob die neugierige, manchmal ätzende Fragerei der Kinder schon irgendetwas mit Philosophie zu tun hätte, war die Antwort negativ. Mindestens Kleinkindern würde das abstrakte Denken völlig fehlen, weshalb ihr neugieriges Fragen bei der Entdeckung ihrer Umwelt nicht mit Philosophie verwechselt werden dürfe.
Vor einigen Jahren weckte mich mein damals etwa fünfjähriger Sohn David mitten in der Nacht auf und fragte mich: „Du, Papa, warum sind denn gerade Mama und Du meine Eltern? Ich könnte ja auch bei irgendjemand anderem sein.“ Ich kriegte wohl kaum meine Augen auf, wobei dies nicht der einzige Grund war, weshalb ich keine pfannenfertige Antwort parat hatte. Ich habe ihn gefragt, ob er sich denn schon Gedanken dazu gemacht hätte. Den weiteren Verlauf des Gespräches kann ich nicht mehr genau rekapitulieren. Ich weiss nur noch, dass die Konklusion unserer Debatte war, dass wir ihn eben besonders lieb hätten und wir ihn uns deshalb so sehr gewünscht hätten. Dieser Schluss ist zwar aus argumentatorischer Sicht nicht einwandfrei, doch ich denke, David war damit zufrieden und ich konnte weiterschlafen.
Ich fragte Eva Zoller, ob denn diese Episode etwas mit Kinderphilosophie zu tun haben könnte. Sie meinte, dies könne sie nicht genau sagen, denn dies hänge davon ab, ob und in welchem Ausmass ich meinen Sohn manipuliert hätte. Wie sie dies denn meine, fragte ich zurück. Philosophieren mit Kindern verlange von den Erwachsenen, diese in ihren Gedanken und Phantasien als gleichwertige Partnerinnen und Partner wahrzunehmen. Philosophieren in diesem Sinne bedeute, eine spezifische pädagogische Haltung einzunehmen und somit einen Erziehungsstil annehmen, der Kindern viel zutraue und ihnen Mut mache, eigene (auch gedankliche) Wege zu gehen. Dabei gehe es nicht darum, sie einfach machen zu lassen, was sie wollten, sondern ihnen die Möglichkeit zu geben, herauszufinden, was für sie das Richtige sein könnte. Ziel soll es also sein, so schreibt es Eva Zoller auch in ihrem Aufsatz, dass Kinder und Jugendliche sowohl ihre rationalen als auch emotionalen Fähigkeiten entwickeln und erweitern, um sich damit auf achtsame und vernunftgeleitete Art ihren Platz im Leben zu erobern.
Als Hauptmethode für das Philosophieren mit Kindern hat sich die sokratische Mäeutik etabliert, wobei wir also darauf achten sollten, dass jene Gedanken, denen zur Geburt verholfen werden soll, nicht schon durch uns Erwachsene in die Gehirne der Kinder projiziert werden – eine Forderung, die selbst Sokrates bei seinen Gesprächen nicht immer befolgte. Eva Zoller wünscht sich nicht „Philosophie“ als Schulfach, sondern vielmehr Philosophie als didaktisches Prinzip, mit Hilfe dessen eine Art ABC oder Einmaleins des Philosophierens eingeübt werden könne. Als die grundlegendste dieser Techniken bezeichnet Eva das nicht wertende Vergleichen, mit dem man Unterschiede und Ähnlich-keiten herausarbeiten könne. Ich zitiere aus dem Buch „Die kleinen Philoso-phen“: „Mit dieser Technik üben wir, genauer und differenzierter wahrzuneh-men (auch die inneren Bilder, die Gedanken und Gefühle!) exakter und kriti-scher zu denken und zu sprechen, bewusster zu entscheiden und variantenreicher zu handeln.“ Dieses nicht wertende Vergleichen bräuchten wir sehr häufig und für alle drei Grundmuster des Philosophierens, die da wären:
1. Das in Frage stellen und Weiterfragen
2. Das Klären und Erklären von Begriffen
3. Das Begründen und Argumentieren.
Bezüglich des In-Fragestellens ergeben sich gerade bei Kindern in aller Regel keine Probleme. Sie sind in dieser Beziehung vielleicht sogar die natürlichsten Philosophen.
Bei der Klärung von Begriffen geht es um das Wesentliche einer Sache, um das, was sie eigentlich ausmacht, wobei die Abklärung, wie sich eine Sache nicht nur im Einzelfall, sondern im Allgemeinen verhält, ja gerade eine philosophische Angelegenheit ist. Wenn es zum Beispiel darum geht, Begriffe wie Stern – Planet – Erde – Welt zu klären, würden wir sie vorerst von den Kindern zeichnen lassen, dann vergleichen und die gefundenen Merkmale nach notwen-digen und zufälligen Eigenschaften sortieren. Nachdem Begriffsinhalt und Begriffsumfang in etwa geklärt sind, sollte es und leicht fallen, z.B. die folgen-den Fragen zu beantworten: Was ist bei diesen vier Begriffen gleich? Wann und wie benützen wir die Wörter? Gibt es Doppeldeutigkeiten (Erde als Planet – Erde als Material)? Dabei liegt es in der Sache der Natur, dass wir selten eine einzige gültige Antwort finden werden. Begriffsklärungen führten aber dazu, so meint Eva Zoller, zwar nie alles, aber doch mehr von einer Sache zu verstehen als zuvor.
Der dritte Punkt, das Begründen und Argumentieren, stehe vor allem im Zusammenhang mit Werten, mit Ethik und Moral. Der Hintergrund sei eben, dass erst gute Gründe unseren Standpunkten Halt und Festigkeit gäben und nur gut begründbare Behauptungen und Meinungen kritische Menschen überzeugen könnten.
Bei konsequenter Anwendung dieser Techniken wäre ein Ergebnis, dass Kinder lernten, kritisch zu sein und noch einen Gedanken mehr zu machen. Zudem ent-laste es uns von der vermeintlichen Pflicht, immer eine Antwort parat zu haben. Es ist somit auch eine Chance, wegzukommen von der Vorstellung: „Ich weiss es!“, hin zu der realeren Bedingung: „Wir fragen uns, wie es sein könnte“.
Nebst der sokratischen Mäeutik gibt es noch weitere methodische Möglichkei-ten, um mit Kindern ins philosophische Gespräch zu kommen, so z.B. Kinder-bücher oder –texte als Ausgangspunkt zu benützen, indem wir uns einige gezielte Fragen zu diesen überlegen. Andere Methoden wären Rollen- und Bewegungsspiele, Zeichnen, Malen, Collagen kleben, Tagträume oder Phanta-siereisen usw.
Bezüglich der Thematik sollten wir uns weitgehend an dieselben Fragen halten,
wie sie bereits Immanuel Kant formuliert hat und in den Disziplinen der Erken-ntistheorie, der Ethik, der Metaphysik und der Anthropologie verankert sind. Eva Zoller meint, wir sollten diese jedoch nicht nur allgemein abhandeln sondern uns bemühen, immer wieder den Bezug für uns als Einzelmenschen herzustellen.
Die Ausbildung von Kindergärtnerinnen, LehrerInnen und interessierten Eltern könne eine lohnende und dankbare Aufgabe für praktische Philosophen sein. Dass viele Vertreter der akademischen Philosophie bestreiten, dass Kinder bereits philosophieren könnten, stört Eva nicht besonders. Ein Punkt hat mich dann allerdings doch etwas stutzig gemacht: Früher, d.h. bis vor etwa zwanzig Jahren war das Thema „Kinderphilosophie“ kaum bekannt. Man darf sich des-halb mit Fug und Recht die Frage stellen, ob es das Ziel eines Philosophierens mit Kindern nicht auch sei, vorhandenen „Mitteln“, nämlich ausgebildeten PhilosophInnen einen „Zweck“, ein neues Betätigungsfeld zuzuweisen. Oder etwas anders gefragt: Wird damit nicht künstlich ein Bedürfnis geschaffen, dass ohne Zutun interessierter Kreise gar nicht vorhanden wäre?

Sollte dem wirklich so sein, wäre dies eine fatale Diagnose: In einer von vielen Philosophen kritisierten, von übersteigertem zweckorientierten Handeln geprägten Gesellschaft würde dann gerade durch Philosophen eine solche Entwicklung weiter gefördert.
-M.R.Einspruch: diese Kritik kritisiert den „höchsten Zweck“ Eigennutz/Profit

Was ich damit meine, möchte ich mit einem anderen Beispiel illustrieren: Ich war eigentlich bis vor einigen Jahren immer der Meinung, die Forschung würde nach Medikamenten suchen, um Krankheiten zu heilen oder zu lindern. Heute läuft dies, mindestens teilweise, anders herum, so absurd dies auch klingen mag. Man hat ein chemisches Mittel und sucht nach der passenden Krankheit, wogegen dieses eingesetzt werden könnte. Ein Beispiel gefällig? In einer klinische Studie eines Medikamentes zur Behandlung einer vergrösserten Prostata stellte man fest, dass es bei einem Teil der Probanden, die eine hormonell bedingte Glatzenbildung zeigten, es wieder zu einem vermehrten Haarwuchs kam. Nun, bei dieser Glatzenbildung, der sogenannten „androgenetischen Alopezie“ handelt es sich um einen absolut physiologischen Vorgang. Da die Wirkung des chemischen Stoffes nun mal bekannt war - und man schliesslich möglichst viel davon mit Profit (mein Punkt M.R.) verkaufen will - wurde ein neues Medikament kreiert und die Glatzenbildung kurzerhand zur behandelbaren Krankheit erklärt.
Um auf unser Thema zurückzukommen: Kinderphilosophie als neue Entität zur Arbeitsbeschaffung unterbeschäftigter Akademiker? (Im Weiteren könnte jedoch auch die Frage diskutiert werden, inwiefern es in einer modernen Gesellschaft ohne Sklavenhaltung nicht erforderlich oder mindestens wünschenswert ist, dass Philosophen, die auf Gelderwerb angewiesen sind, sich auf dem Markt besser positionieren).
Selbstverständlich wollte Eva Zoller diesen Einwand nicht gelten lassen. Wozu also mit Kindern philosophieren? Ich zitiere nochmals aus „Die kleinen Philoso-phen:“ Wir leben in einer Zeit des rasanten Wandels. Was gestern gültig war, kann morgen schon überholt sein. Diese Veränderung betrifft vor allem auch die Sinn und Orientierung gebenden Werte und Normen von Religion und Traditi-on. Wer heute und morgen sein Leben bewusst und selbstverantwortlich führen will, muss fähig sein, kritisch und kreativ immer neue, eigene Wege zu finden. Das Philosophieren mit Kopf, Herz und Hand kann Kindern, aber nicht nur Ihnen dabei helfen. Es macht Spass und fördert den Mut, auf sich selbst und das grosse, uns alle umgreifende Ordnungsgefüge zu vertrauen.“(Zitatende).
Eva Zoller glaubt aber nicht, dass Philosophie für alle Menschen das sozusagen „allein Seligmachende“ sei, also auch nicht dazu dienen könne, jedermanns Probleme zu lösen. Während die Religion früher über Jahrhunderte die Vorga-ben machte, wie jemand zu leben hatte, sind die tradierten Orientierungshilfen stark am Bröckeln. In ihrer Desorientiertheit suchen Menschen die Gemein-schaft in sektenartigen Gruppierungen zwecks persönlicher Sinnfindung. Eva hat es sehr schön ausgedrückt: “Lebensgeborgenheit geht nicht ohne emotionale Beheimatung“. Darin liegt aber eben auch die Gefahr. Die Autorin erzählt von ihren Erlebnissen als Primarlehrerin im Thurgau, als Schulkinder, die zur Sekte von Paul Kuhn in Dozwil gehörten, andere aufforderten, sich ihnen anzuschlies-sen, um dann als Auserwählte zusammen mit Ihnen in das erwartete Raumschiff steigen zu können, bevor die Erde dann zerstört werden würde. Dabei, so Eva Zoller, sei die Religion zweifelsohne der einfachere Weg zur emotionalen Beheimatung, doch müsse man sich fragen, was es zum Beispiel bedeute, mit sich eins zu sein, weil man Jesus im Herzen trage. Die Philosophie als Binde-glied zur Theologie könnte dem Einzelnen helfen, trotz oder gerade wegen seines Glaubens kritisch zu bleiben. Die Philosophie als die fragende, bzw. suchende Wissenschaft wäre dann das Gegengewicht zur Apodiktik vieler Religionen. Wer eine philosophische Grundausbildung genossen habe, werde daher nicht alles akzeptieren, ohne es zu hinterfragen und werde sich kaum einer blinden Form des Dogmatismus hingeben. Daneben, und in diesem Punkt stimme ich mit Eva Zoller überein, wird es bezüglich der Fragen nach Normen und Moral im Dialog mit Kindern einen weitgehenden Konsens geben, mindes-tens, was elementare Wertvorstellungen betrifft. Wie das hübsche Beispiel in Matthews Buch „Philosophische Gespräche mit Kindern“ zeigt, dürften die Vorstellungen jedoch bereits bei der Anwendung der „Goldenen Regel“ ausei-nandergehen, während utilitaristisches Gedankengut – mindestens in diesem Beispiel – auf weitgehend taube Ohren stiess. Eva Zoller fordert dennoch, gemeinsam mit den Kindern unsere Wertvorstellungen und Normen zu hinter-fragen und im partnerschaftlichen Dialog Entscheidungen zu erarbeiten, bei denen keiner von uns als Verlierer dastehen müsse. Durch gegenseitige Achtung und Toleranz könnten wir wenigstens in der Familie einen Teil der autoritären Machstrukturen abbauen und vielleicht den Kindern dadurch sogar ermöglichen, auch ausserhalb des Elternhauses freundschaftlich und einfühlsam mit anderen umzugehen und Meinungsverschiedenheiten auszudiskutieren, statt Machtmittel anzuwenden.
In diesem Punkt habe ich in zweierlei Hinsicht Bedenken: Zum einen halte ich aufgrund anthropologischer Daten und historischer Erfahrungen die gewaltfreie Gesellschaft auch unter Kindern für eine Illusion. Zum anderen würde es mich persönlich zuviel Zeit und Nerven kosten, jede Aufforderung an meine Kinder, dies oder jenes zu tun, in ein philosophisches Gespräch ausufern zu lassen. Manchmal schon, aber nicht immer. Und wenn wie vorhin, während ich dieses Referat am Schreiben war, im ganzen Haus ein grosser Lärm ist, werde ich eben auch laut, spätestens dann, wenn ich vorher schon zweimal um etwas mehr Ruhe gebeten habe. Eva Zoller hätte mein Vorgehen wahrscheinlich abgelehnt und anstelle dessen von mir ein philosophisches Gespräch mit meinen 2 Jungs gefordert. Nur, es hätte mich bei diesem Geräuschpegel sowieso niemand verstanden und immerhin habe ich mit meinem „unphilosophischen“ Vorgehen den gewünschten Zweck der Verringerung des Lärmpegels erreicht. Und wie hat Immanuel Kant doch seinen hypothetischen Imperativ formuliert: “Wer den Zweck will, muss auch das Mittel wollen.“ Und siehe da – unversehens haben wir noch den Brückenschlag von der Kinder- zur akademischen Philosophie geschafft....

Arnegg, 02.05.07 Paul Bischof


Lebenskunst in der philosophischen Praxis
Protokoll zur 3. Sitzung am 7. Mai 2007 (Julia Knapp)


Thema: Kinderphilosophie/ Philosophieren mit Kindern
Literatur:
Eva Zoller Morf: Philosophieren mit Kindern. Eine zukunftsträchtige Aufgabe für pädagogisch begabte Philosophische Praktikerinnen und Praktiker. In: Detlef Staude (Hrsg.): Lebendiges Philosophieren, Bielefeld, 2005, S.57-71
Weitere Informationen:
s’Käuzli/ Schweizerische Dokumentationsstelle für Kinder-und Alltagsphilosphie/ http://www.kinderphilosophie.ch/ / Eva Zoller Morf, Kirchrain 2, CH 8479 Altikon/
Tel 052-3362233
Referent: Paul

Ziele der Kinderphilosophie
sind die Entwicklung und Erweiterung der Gedanken, vor allem des abstrakten Denkens. Dabei ist besonders wichtig, dass der gesprächsleitende Erwachsene nicht seine eigenen Gedanken und Vorstellungen in das Bewusstsein des Kindes projizieren will, sondern dem Kind im Gespräch die Möglichkeit eines eigenen Lösungsansatzes für die vorliegende Frage/ das vorliegende Problem geben soll.
--- --- --- --- --- ---
In der ans Referat anschließenden Diskussion fragten wir uns, ob Kinder von dem Anspruch, philosophieren zu sollen, nicht überfordert seien. Inwiefern Kinder abstrakt denken, können wir nicht beurteilen – andererseits – inwiefern ist abstraktes Denken für das Philosophieren notwendig?
Des Weiteren wurde uns aber klar, dass Kinderphilosophie nicht einfach so als „Hobby“ oder „Beschäftigung“ neben der Erziehung herlaufen kann. Wenn Eltern mit ihren Kindern philosophieren bedeutet das, sich regelmäßig in eine bestimmte Art von Gesprächssituation zu begeben. Gleichzeitig ist vollkommen offensichtlich, dass nicht jede Frage („Warum muss ich Deine Gäste grüßen, Papa?“) philosophisch ausdiskutiert werden kann und soll.
In die Erziehung von Kindern fließen Werte und Normen der Eltern mit ein. Mit dem philosophischen Gespräch soll das Bewusstsein geschult werden, eine Gesprächskultur vorgestellt und geübt und letztendlich die Kommunikation trainiert werden. Ziel ist es also (sowohl für den Erziehenden als auch für das Kind) zu einer philosophischen Haltung zu gelangen, und nicht, die Frage nach Gummibärchen an der Schlange vor der Kasse im Supermarkt diskutieren zu müssen – und auch wichtige bzw. für das philosophische Gespräch relevante Themen können rein zeitlich leider nicht immer dann behandelt werden, wenn sie auftreten. In der Praxis kann das durchaus bedeuten, z.B. eine Fragestunde einzurichten, und die unter der Woche anfallenden Fragen anzusammeln.

Die Methoden der Kinderphilosophie
Fragestellung (Einkreisen des Themas) Als Ausgangspunkt kann z.B. auch ein Kinderbuch dienen.
Klärung von Begriffen um eventuellen- und oftmals wahrscheinlichen – Missverständnissen aus dem Weg zu gehen, und um Umfang und Inhalt des Begriffs zu klären. Dies kann auf kreative Art geschehen, man kann das Kind auffordern den erfragten Begriff zu malen, Kollagen zu kleben, Rollenspiele mit ihm spielen. So wird spielerisch das zu erforschende Thema eingekreist.
Begründen und Argumentieren. Wichtig hierbei ist, dass sowohl der Erwachsene als auch das Kind argumentieren.
--- --- --- --- --- ---
In der ans Referat anschließenden Diskussion fragten wir uns jedoch trotzt dieser methodischen Anleitung nach dem WIE – wie funktioniert das eigentlich?
Was ist die spezifische Methode der Kinderphilosophie und wie sehen Gespräche mit Kindern aus (z.B. im Gegensatz zur Philosophie als Wissenschaftstheorie)
Als besonders wichtig erkannten wir, dem Kind niemals direkte Antworten zu geben, sondern stets zu neuen Fragen zu ermutigen, also auf die Frage „Können Blumen traurig sein?“ weder eindeutig mit Ja oder Nein sondern mit einer weiterführenden Frage zu antworten (z.B. „Kannst Du dir das denn vorstellen?/ Warum kannst Du dir das vorstellen? etc.)
Das Wichtige an der Kinderphilosophie ist nicht das Ergebnis des Gesprächs im Sinne einer hieb- und stichfesten Antwort auf das vorliegende Problem, sondern vielmehr dem Kind durch Offenheit und Vertrauen, dadurch, es als gleichwertigen Gesprächspartner zu akzeptieren und ihm keine Meinung/Fakten zu diktieren, die Möglichkeit zu geben, selbst auf Antworten und Lösungsansätze zu kommen.






Die Thematik der Kinderphilosophie
hält an den von Kant formulierten vier Hauptfragen fest:
Was kann ich wissen?
Was soll ich tun?
Was darf ich hoffen?
Was ist der Mensch?
Hierbei muss aber immer der Bezug zum einzelnen Menschen/Gesprächsteilnehmer hergestellt werden.
--- --- --- --- --- ---
Im Seminar stellte sich für uns die Frage, ob das Kind nicht dadurch verunsichert wird, sich statt Antworten nur noch mehr und noch mehr Fragen aufzuzeigen. Z.B. „Warum gibt es keine rosa Elefanten“ oder „Wo ist die Oma, was heißt das, sie ist tot?“
Der Erwachsene soll im philosophischen Gespräch zugeben, dass es auch für ihn Fragen gibt, die er nicht beantworten kann.
Was an diesen Gesprächen mit Kindern aber das Philosophische ausmacht, inwiefern ein solches Gespräch dem bekannten Bild und Begriff von Philosophie entspricht konnte nicht eindeutig geklärt werden.

Schlussendlich stellte sich die Frage, ob der Beruf des auf Kinderphilosophie spezialisierten Philosophischen Praktikers nicht eine Kompetenz zum Inhalt hat, welche sowohl für Eltern als auch für Erzieher und Kindergärtnerinnen selbstverständlich sein sollte, und durch das neu entdeckte Feld der Kinderphilosophie Arbeitsplätze für „studierte Philosophen“ geschaffen werden sollen, also einen Zweck für die vorhandenen Mittel (arbeitslose Akademiker) gesucht wird.
Es stellt sich die Frage, ob der philosophische Praktiker im Kindergarten wirklich die ‚Märchentante’ ersetzen kann – bzw. ob für das Philosophieren mit Kindern wirklich das Studium der Philosophie notwendig ist. Wenn wir die Meinung vertreten, dass bereits Kinder philosophieren können, dann heißt das im Umkehrschluss, dass wir alle philosophieren können,
(ZU DIESEM SCHLUSS WÄREN ZUSATZannahmen ERFORDERLICH,
wie: was Hänschen konnte, kann Hans immer noch)
und brauchen also (? M.R.) kein Studium der Philosophie.
Und wenn wir es doch benötigen stellt sich dennoch die Frage, ob es für das Philosophieren mit Kindern wirklich wichtiger ist als eine pädagogische Grundausbildung.
(UND WAS UNTERSCHEIDET DIESE? M.R.)

Montag, Mai 07, 2007

(m)eine philosophische praxis

Unter diesem Titel stellte uns die Basler Philosophin Martina Bernasconi ihr Tätigkeitsfeld vor. Bereits während ihres Studiums hatte sie sich die Frage gestellt, welchen Bezug antike Denkanstösse zu ihrem persönlichen Leben haben könnten, da sie sich mit dem reinen Vermitteln von Wissen nicht zufrieden geben wollte. Dies bestärkte sie auch in dem Ent-schluss, ihre eigene „Denkpraxis“ zu gründen (www.denkpraxis.ch).
Martina Bernasconi ist Mitglied der „internationalen Gesellschaft für philosophische Praxis“ (IGPP), die 1982 durch Gerd B. Aschenbach in Bergisch Gladbach bei Köln/Bonn gegründet
wurde. Diese sieht sich nicht primär als Berufsverband, sondern vereinigt Mitglieder, die Interesse daran haben, dass dem Wort „philosophische Praxis“ ein „vernünftiger, aber noch zu entwickelnder und zu klärender Inhalt zukommen soll, angesprochen in der Idee, dass den Menschen Ressourcen zugänglich werden , die in der philosophischen Tradition teils vorbereitet, teils ausgestaltet und in den Möglichkeiten des Philosophierens selbst stets gegeben sind“ (www.igpp.org). Die IGPP führt zahlreiche Veranstaltungen wie z.B. Kollo-quien und Seminare durch und verfolgt gemeinsame Projekte zum Thema der „philoso-phischen Praxis“.
Man bezeichnet die Personen, die in eine philosophische Praxis kommen, als „Klienten, Rat- und Hilfesuchende, Kundschaft“ oder auch als „Gäste“. Obwohl sie der Überzeugung ist, dass Psychotherapie und philosophische Beratung sehr viel Gemeinsamkeiten haben, sieht Martina Bernasconi den grundlegenden Unterschied darin, dass philosophische Beratung nicht heilen will, also keinen therapeutischen Zweck verfolgt, weswegen sie auch den Begriff „Patient“ bewusst vermeidet. Zwar sei es durchaus vorstellbar, dass auch kranke Menschen in eine philosophische Beratung kämen, doch dürfe es nicht Ziel sein, durch die Beratung zu gesunden. Wichtige Themen einer philosophischen Beratung seien die Frage nach dem Lebenssinn, nach Krankheit sowie dem Tod.
Mit der philosophischen Beratung allein ist ihr Tätigkeitsfeld aber noch lange nicht abgesteckt. So führt Martina Bernasconi z.B. Lektürekurse mit interessierten Kreisen durch, entwirft Leitbilder für Firmen und leitet Seminare zum Thema „Philosophieren mit Kindern“. Die Grenze zwischen einem Lektürekurs und einer philosophischen Beratung zieht die Philosophin dort, wo es um die Frage gehe, was dieser oder jener Text konkret für das Leben eines Klienten bedeuten könnte. Martina vollzieht im Weiteren auch Trauungen für Leute, die sich mehr als eine amtliche Eheschliessung wünschen, wenn kirchliche Trauungen jedoch ausgeschlossen sind oder nicht gewünscht werden.
Das weite Tätigkeitsspektrum, das eine philosophische Praxis bietet, zeigt aber auch klar, in welchem Spannungsfeld sie sich befindet. Zum einen muss sie sich gegenüber der akade-mischen Philosophie etablieren, von dessen Vertretern ihr oft eine Existenzberechtigung abgesprochen wird. Reibungsflächen bestehen aber auch mit der Theologie und der Psychotherapie. Martinas Wunsch für die Zukunft wäre die Integration Ihrer Praxis in ein Netzwerk (Philosophische Beratung/Arzt/Notdienst/Polizei).
Die anschliessende rege Diskussion zeigte auf, dass gerade die von Martina propagierte Abgrenzung gegenüber der Psychotherapie gelegentlich schwierig sein kann. So lässt sich u.a. auf der Homepage der IGPP lesen: „ ‚Philosophische Praxis’ ist daher in ihrer Mitte zwar nicht Therapeutik – aber deshalb nicht bloss strikt Gegenteil der bzw. Alternative zur Thera-pie, sondern selbst orientierend für Therapieformen.“ Auch Martinas Plan, im nächsten Jahr mit anderen Spezialisten an einem Camp in Südafrika zur Begleitung von Patienten mit einem Burnout-Syndrom teilzunehmen, lässt die Überschneidung der philosophischen Beratung mit Psychotherapie erahnen. Mindestens, so könnte man sagen, scheint der therapeutische Zweck, wenn schon nicht intendiert, wenigstens in Kauf genommen zu werden.....
Martina Bernasconi zeigte uns einen höchst interessanten Einblick in ihr breites Tätigkeits-feld und füllte so den Begriff der „philosophischen Praxis“ mit zahlreichen Inhalten.

Biographie:
1965-1972 Geboren in Basel; aufgewachsen in Reinach/BL

1972-1979 Schule in Münsingen/Bern

1979-1985 Internat in Beromünster/LU. Matura an der Kantonsschule Beromünster

1985-1992 Studium der Philosophie, Literatur-, Sprach- und Medienwissenschaften an der Universität Basel. Lizentiatsarbeit bei Annemarie Pieper: „Hanna Arendt: Gedanken zum Denken“.

1992-1995 Promotionsstudium an der Freien Universität Berlin. Schwergewicht: Politische Philosophie. Dissertationsprojekt: „Suspekte Subjekte- Aufklärungskritik im 20. Jahrhundert“.

1995-1996 Forschungsstipendiantin des Schweizerischen Nationalfonds an der New School for Social Research in New York. Schwergewicht: Philosophie und Psychoanalyse.

1997-2000 Lehrauftrag am Philosophischen Seminar der Universität Basel.

2000-2001 Ausbildung zur Gymnasiallehrerin für die Fächer Philosophie und Deutsch

2001-2003 Praktische Philosophiekurse an verschiedenen Institutionen. Dozentin an der freien Kunstakademie Basel. Gründung: „Denkpraxis“.

2005 Beginn Ausbildung am Psychoanalytischen Seminar Zürich

2007 Organisation des Sommertreffens der philopraxis.ch in Basel

Arnegg, 28.04.2007 Paul Bischof