The
Adventure of SEARCHING for Orientation in Doing Philosophy
übersetzt von Mike Roth
Philosophieren als Abenteuer der Orientierung
Ran
Lahav interviewt Detlef Staude
Detlef Staude ist ein philosophischer Praktiker, der in Bern / Schweiz lebt und seine Philosophische Praxis philocom führt. Er ist Koordinator des Netzwerkes philopraxis.ch , macht Gesprächsgruppen, Seminare, Workshops, Vorträge, Philosophische Cafés (mit Mike Roth u.a.) sowie Philosophische Beratungen.
Er bemüht sich die 14.
ICPP in der Schweiz stattfinden zu lassen. (Stand: Dezember 2014)
Hallo, Detlef!
Hallo, Ran!
Ran: Du bist ein philosophischer Praktiker hier in der Schweiz und in Deiner philosophischen Praxis gibt es eine ganze Reihe von Aktivitäten. Du bist auch der Koordinator der Schweizer Dachorganisation für Philosophische Praxis. Detlef: Ja
Ran: Du hast mir gesagt, dass für Dich der Prozess philosophischer Praxis
sich als ein Abenteuer darstellt. Es ist das Abenteuer des
Verstehens. Erkläre doch, was das heißt!
Detlef: Da beginne ich mit einem Beispiel. Wir sind in einem Seminar zur Ideengeschichte… Ran:
Also in der Universität … Detlef:
In der Volkshochschule in Bern. Da denken sich die Teilnehmenden hinein
in diese “Ideen” und in die Weise, wie ich diese ihnen präsentiere. Sie beschäftigen
sich mit der Lebenswelt der Menschen jener Zeit und mit den Begriffen, die sie
gebildet haben. Dies wird nicht geschehen ohne eine “Inspiration”. Und die macht die gesamte Gedankenreise
zu einem Abenteuer des Geistes. Das Abenteuer liegt im
Philosophieren. Es bezieht
sich auf unsere Geistesgeschichte, auf unsere eigene Kultur. So verwurzeln sie
sich fester in dem, was sie sind, sich aber
noch nicht bewusst sind oder bewusst waren.
Ran:
Also: Du meinst, das ist wie auf einer Reise, Abenteuerreise ins Reich der
Ideen. Zu den Hintergründen unserer Kultur und Geschichte.
Detlef: Ja,
das denke ich. Zur „Reise“ fällt mir ein weiteres Beispiel ein. Ich habe auch “Philosophische
Reisen” angeboten. Da fuhren wir etwa in andere Länder. “Gedankenreise” geht aber auch als eine
Veranstaltung mit mehreren PhilosophInnen. Wir waren da 5 Philosophinnen /
Philosophen mit recht unterschiedlichen Weisen philosophischen Denkens. Ran: Aha, Ihr 5 geht auf die Reise … Detlef: Etwa
zum Ort im Engadin, wo Friedrich Nietzsche manchen Sommer verbrachte, Sils
Maria. Jede/r von uns präsentiert ihr/sein Denken zu einem alIen vorgegebenen
gemeinsamen Thema. Die etwa 12 Teilnehmer im Kurs können da sehen, wie
unterschiedlich die 5 Praktiker denken. Ran: Was geschieht dann im “Retreat”?
Detlef: Ja,
das hat Züge von einem “Retreat”. Was passierte?
Es fand eine sehr inspirierte Diskussion statt. Inspirierend im
Gespräch zwischen den Philosophen, zwischen Teilnehmern und Philosophen und zwischen den Teilnehmenden
untereinander.
Ran: Locals …Leute vom Ort?
Detlef: Leute, die zur Philosophischen Woche gekommen waren. Es war ein
sehr inspirierendes Abenteuer. Ran: Und wie hat dies das Leben berührt? Philosophische Praxis will ja in
Kontakt kommen mit dem Leben. Detlef: Ja, das ist nicht leicht zu bestimmen. Denn Philosophie berührt
das Leben ja nicht direkt. Wir sind ja nicht im „Retreat“ um Probleme zu lösen.
Wäre die Philosophin problemlösend tätig, würde sie auf alternatives Verhalten hin
"coachen". Wir philosophieren um unsere Sicht zu erweitern.
Philosophierende möchten zu einem tieferen Verständnis ihrer selbst kommen,
einem angemesseneren Verstehen der Welt und der „Menschheit“, Verstehen der
eigenen Kultur. Wenn jemand sich als Teil von etwas sieht, Teil einer Kultur, Teil
der Menschheit, Teil der ganzen Welt – dann erscheinen die Lebensprobleme als
kleiner. Manche lösen sich als Probleme auf und werden nun besser verstanden
als Züge des Lebens. Sie waren schon Teil des Lebens in der ganzen Geschichte
menschlicher Existenz. Ich denke, solches Philosophieren macht es den Menschen leichter ihre Einstellungen zu ändern.
Denn wenn die Sicht sich weitet, dann sehen wir: dies hat ja mehr Bedeutung als das, worin ich
bisher drin verwickelt war. Ran: Da gibt es nun eine größere Welt, die sich mir
eröffnet…
Detlef: Ja, und darum spreche ich vom Abenteuer!
Worauf ich die Betonung legen möchte ist die besondere Art von Gesprächen,
die „tief“ gehen können (bei Einigen, selten Allen). Zwischen einigen baut sich
eine Verbindung auf. Sie nehmen nicht nur an dem Kurs teil und sind dann wieder
weg. Es gibt hier eine Verbindung, die
nicht nur emotional verbindet. Emotionale Verbindung habe ich auch als Teilnehmer
in anderen Kursen und in anderen Lebensbereichen erlebt: alle fühlen sich verbunden,
doch das bleibt auf der emotionalen Ebene. Aber im gemenisamen Philosophieren
kommt es auch zu einer anderen Verbindung: auf Gedankenebene und da hält die
Verbindung länger an. Dies berührt eben Essentielles.
Ran: Was
passierte durch diesen “Retreat”? Wie wirkte es sich aus auf Dich und auf die
anderen, die TeilnehmerInnen? Detlef: Es brachte sie dazu Bestimmtes zu lesen, an Themen für sich selbst
zu arbeiten, an weiteren Kursen teilzunehmen und auch sich zu treffen. Leute,
die sich vorher nicht kannten, kamen anschließend wieder zusammen und treffen
sich nun. Und für mich persönlich ergab sich die Inspiration, neue
philosophische Gesprächsgruppen aufzubauen und in schon bestehenden neue Themen
zu diskutieren. Ran: Diese Idee,
die Du uns nahelegst, die größere Welt der Ideen zu betrachten, den Kontext von
Ideen, in denen wir leben … Du hast beschrieben, wie das funktionierte bei
dieser besonderen Gelegenheit – gibt es noch Aktivitäten in anderem Format, wo
Du demselben Ansatz folgst? Detlef: Ja, für
mich war das Format des Aufeinandertreffens verschiedener Philosophischer
Praktiker immer von besonderer Wichtigkeit. Daraus
ist übrigens auch das Netzwerk philopraxis.ch hervorgegangen. Und mehr oder weniger
dieselbe Idee wirksam: wir kommen zusammen um miteinander zu philosophieren,
wir wollen in Kontakt mit dem kommen, was
Jede/r von uns tut in philosophischer Praxis und die verschiedenen
Weisen des Philosophierens in Erfahrung bringen. Das
inspiriert uns bis heute. Wir bestehen nun 11 Jahre (eine recht lange Zeit).
Ran: …Vor unserem Interview hast Du von ORIENTIERUNG gesprochen … Detlef:
Ich denke Menschen haben ein OrientierungsLos*,
sie brauchen Orientierung in ihrem Leben. Wir leben nicht „nur so“. Wir müssen
ein (von uns) bestimmtes Leben führen. Drum müssen wir unserem Leben „Form“
geben. Daher suche ich Orientierung, in welcher Weise ich mein Leben formen
will. Was gibt es auf dieser Welt? Nun gibt es ja viele Möglichkeiten diese
Orientierung zu bekommen. Doch wenn man eine gründliche Orientierung sucht,
kommt man auch sehr rasch zur Philosophie. Ich denke die wichtige Sache der
Philosophischen Praxis ist, dass da Orientierung gesucht und gefunden werden
kann. Nicht so, wie das durch Religion geschieht, nicht durch Konzepte, die nur
mehr oder weniger bestimmt sind und interpretiert werden müssen. Sondern durch
eine Pluralität von Ansätzen. Ich kann auswählen und sehen, was gut für mich
und die Welt ist. Vielleicht forme ich meine eigenen Konzepte, meine eigene Richtung
für mein Leben. Vielleicht kann ich mit
anderen Menschen zusammen in Bewegung kommen. Ich denke, Philosophie und insbesondere
Philosophische Praxis hat auch die Bedeutung: „you got to move!“ – auf reflektierte
Weise. Ran: In Verbindung mit dem, was Du über das
Abenteuer gesagt hast – ist es möglich zu sagen, dass Philosophische Praxis ein
Abenteuer ist, eine anregende Suche in der Welt der Ideen nach Orientierung? Detlef:
Ja, das fasst es treffend!
*Siehe: Das OrientierungsLos. Philosophische Praxis unterwegs
(2008) mit Beiträgen von Martina Bernasconi, Willi Fillinger, Thomas Gutknecht, Hans Haessig, Bernadette Hagenbuch, Imre Hofmann, Roland Neyerlin, Mike Roth, Detlef Staude, Dominique Zimmermann, Eva Zoller (Hartung-Gorre Verlag Konstanz) für Netzwerk philopraxis.ch
http://www.philopractice.org/detlef-staude
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