Samstag, September 27, 2014

125 Martin Heidegger


Martin Heidegger 125

27.09.2014  |  von Gregor Moser  |   SK Plus
Festakt zum 125. Geburtstag: Meßkirch feiert Martin Heidegger

 Wie schafft man es die Stadthalle, die zugleich eine Turnhalle ist, in einen Ort zu verwandeln, der einen würdigen Rahmen zum Festakt anlässlich des 125. Geburtstages Martin Heideggers bildet? Den Organisatoren der gestrigen Veranstaltung glückte dies, indem sie mit einer für die Halle ungewohnten Beleuchtung arbeiteten und den großen Raum teilten. Und während vor der Bühne die Orchester-Musiker ihre Instrumente stimmten, trafen im vorderen Teil die Gäste ein. Unter ihnen mehrere Mitglieder der Familie Heidegger. „Ich bin sehr stolz darauf, dass sie heute hier sind“, wandte sich Bürgermeister Arne Zwick später in seiner Begrüßung an die Familie Heidegger. Denn: „Wir sind stolz auf Martin Heidegger, der hier seine erste Prägung erfahren hat und der die Welt nachhaltig geprägt hat.“ 
 Dr. Alfred Denker, Leiter des Meßkircher Heidegger-Archivs, drückte es so aus: „Ein Meßkircher Bub wurde einer der wichtigsten Philosophen des zwanzigsten Jahrhunderts.“ Nachdenklich machen sollten die Feierlichkeiten zum 125. Geburtstag Martin Heideggers, sagte Denker. „Denn eine Gefahr der heutigen Zeit ist, dass den Menschen das Vermögen zu denken verloren geht.“ Denker, so wie auch die anderen Redner des gestrigen Abends setzten sich dabei auch mit der Veröffentlichung der „Schwarzen Hefte“ und den darin enthaltenen Passagen auseinander, die die Antisemitismus-Vorwürfe gegen Heidegger jüngst weltweit wieder hatten werden laut werden lassen. Im Rahmen des Gesamtwerks des Philosophen würden die in ein anders Licht gestellt, stellte Denker fest. Ulf Heidegger, der Enkel des Philosophen und dessen Nachlassverwalter, sprach die Interpretation der entsprechenden Passagen als Zivilisationskritik an, die Heidegger leicht hätte ändern können es aber absichtlich nicht getan habe. Zudem verwies er darauf, dass sein Großvater seines Wissens nie Juden geschadet habe, es in seiner Rektoratszeit an der Universität Freiburg zu keinen Bücherverbrennungen gekommen sei und dass keiner der vielen jüdischen Freunde Martin Heideggers nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges mit seinem Großvater gebrochen hätte.
(UND er erwähnte als Ausnahme Herbert Marcuse, der ihn auf den Holocaust ansprach und keine inhaltliche Anwort erhielt VMR)
 „Es ist ein vielschichtiges, schwieriges und unbequemes Erbe, das jedem Einzelnen die Möglichkeit gibt, seinen Denkweg zu finden“, fasst Ulf Heidegger zusammen. Er dankte auch Heinrich Heidegger, der einen Briefwechsel zwischen den Brüdern Martin und Fritz Heidegger  mit Anmerkungen zu Namen, Beziehungen und Hintergründen versehen habe, ohne welche die Texte heute nicht verständlich  wären. Und er kündigte an: „Der Briefwechsel wird eines Tages erscheinen.“
In seinem Festvortrag beschrieb  Prof.  Alberto Rosales von der Universität Caracas in Venezuela die Wirkung des Denkens Heideggers in Lateinamerika. „Anfang der vierziger Jahre las ich als Elf- oder Zwölfjähriger in einer Zeitschrift erstmals über Heidegger und das ‚Nichts'“, erinnerte der Wissenschaftler, der später mehrere Jahr in Deutschland arbeitete und Heidegger auch einmal in Freiburg in dessen dortigen Wohnung besucht hatte, an den Beginn seiner Beziehung zu dem Denker aus Meßkirch.
 
Prof. Holger Zaborowski lud als Vertreter der Heidegger-Stiftung dazu ein, an dem heutigen Seminar (27.9.2014) „Gelassenheit“ in Schloss Meßkirch teilzunehmen, das dort um 13.30 Uhr beginnt. Am Beispiel der „Herausforderung der technischen Welt“ zeigte er, wie sich Heidegger schon bei seinem Vortrag mit dem Titel „Gelassenheit“ 1955 in Meßkirch mit Themen beschäftigte, die immer noch aktuell sind. „Er ist ein Denker, auf den Meßkirch zu Recht stolz sein kann.“   h.zaborowski@pthv.de
Kompaktseminar Heideggers  "Schwarze Hefte" 13. - 17. OKT Uni Konstanz  9h L 829
Zum "seinsgeschichtlichen" Bezug siehe : Peter Trawny, Rote Reihe Klostermann 2014-  Ulf Heidegger betonte, dass die dort gegebene Interpretation nicht die Position der "Familie Heidegger" wiedergebe.
Über den zweiten Teil des Festakts und die Vorführung des Films „Schwarzwald“ berichtet der SÜDKURIER in seiner Montagsausgabe.

 

Das Schwarz der Hefte

Kurz vor Schluss meldete sich Arnulf Heidegger zu Wort und bedankte sich für die «notwendige Diskussion». Der Enkel des Philosophen sass im etwa fünfhundertköpfigen Publikum in der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt am Main, das einer Buchvorstellung wegen gekommen war. Die druckfrischen ersten drei Bände der «Schwarzen Hefte» Martin Heideggers waren der Gegenstand des Abends. Die in den Jahren 1931 bis 1941 beschriebenen rund tausendzweihundert Seiten, die in der Verlagsankündigung als «Denktagebücher» figurieren, haben bereits vor ihrem Erscheinen zu reden gegeben – wegen einiger vorab bekanntgewordener antisemitischer Passagen.

Wachstuch

Arnulf Heidegger, Rechtsanwalt und Nachlassmitverwalter, stattete, nachdem er sich erhoben hatte, nicht nur Dank ab, er bemühte sich auch, ein eventuell aufgekommenes Missverständnis auszuräumen: Die Hefte würden (im Familienkreis) «Schwarze Hefte» allein darum genannt, weil sie in schwarzes Wachstuch gewandet seien, nicht aber, weil ihr Inhalt dieser Farbe entspreche. Es war nicht ganz deutlich, was mit diesem Hinweis gesagt sein sollte – zumal das Auditorium sich zuvor hatte davon überzeugen können, dass jene Assoziation, mag sie sich auch einer unwesentlichen Beschaffenheit des Wachstuches verdanken und «äusserlich» sein, keineswegs in die Irre leitet.
Die – zwar wenigen – Überlegungen, in denen Heidegger Juden und Judentum zum Thema macht, sind durchaus düster, sie sind sinister und nicht frei von abgründiger Niedertracht; dies nicht zuletzt gerade deswegen, weil «die Juden», wie der Herausgeber der «Schwarzen Hefte», Peter Trawny, es nennt, in ein «seinsgeschichtliches Narrativ» eingefügt werden.
Trawny, dessen Essay über «Heidegger und den Mythos der jüdischen Weltverschwörung» zeitgleich mit den «Schwarzen Heften» bei Klostermann erscheint, brachte in Frankfurt einige Kostproben zu Gehör: «Die zeitweilige Machtsteigerung des Judentums aber hat darin ihren Grund, dass die Metaphysik des Abendlandes, zumal in ihrer neuzeitlichen Entfaltung, die Ansatzstelle bot für das Sichbreitmachen einer sonst leeren Rationalität und Rechenfähigkeit, die sich auf solchem Wege eine Unterkunft im ‹Geist› verschaffte, ohne die verborgenen Entscheidungsbezirke von sich aus je fassen zu können.» – «Die Juden ‹leben› bei ihrer betont rechnerischen Begabung am längsten schon nach dem Rasseprinzip, weshalb sie sich am heftigsten gegen die uneingeschränkte Anwendung zu Wehr setzen.» – «Das Weltjudentum, aufgestachelt durch die aus Deutschland hinausgelassenen Emigranten, ist überall unfassbar und braucht sich bei aller Machtentfaltung nirgends an kriegerischen Handlungen zu beteiligen, wogegen uns nur bleibt, das beste Blut der Besten des eigenen Volkes zu opfern.»
«Die Juden», so sagt uns in der zweiten der zitierten Passagen Heidegger, sind an ihrer Verfolgung und Drangsalierung selbst schuld, und zwar deswegen, weil das «Rasseprinzip», das sich nun gegen sie wendet, von ihnen selbst erfunden worden ist. Eine «Diskussion» über derlei antisemitische Stereotype und Perfidie ist nicht eigentlich notwendig. Notwendig ist auch nicht so sehr die Diskussion darüber, was solche offenkundigen «Stellen» über Heideggers Person oder seinen Charakter sagen. Dazu liesse sich wohl nur bemerken: nichts Gutes. Notwendig und unvermeidlich ist es vielmehr, zu fragen, was die «Schwarzen Hefte» samt diesen schwer erträglichen Sätzen für Heideggers Philosophie im Ganzen bedeuten. In diesem Sinne schloss auch der Verleger Vittorio E. Klostermann seine einleitenden Überlegungen.

Drama

Jürgen Kaube, für das Ressort Geisteswissenschaften bei der «FAZ» verantwortlich und an dem Abend in der Deutschen Nationalbibliothek dafür zuständig, dem Herausgeber Peter Trawny nicht leicht zu beantwortende Fragen zu stellen, verstand unter «Heideggers Philosophie» mehr oder weniger nur «Sein und Zeit», das 1927 publizierte epochemachende Werk Martin Heideggers. Kaube wollte unter anderem wissen, ob es nicht geradezu als «Drama» zu beurteilen sei, dass aus dem Autor von «Sein und Zeit» 1933 ein anderer geworden zu sein scheint – ein Ideologe, der so «weltfremd» war, zu glauben, die Nationalsozialisten könnten der Bündnispartner einer in seinem eigenen Denken aufkeimenden deutsch-griechischen Philosophie bei der Herbeiführung einer geistes- und seinsgeschichtlichen Wende im Weltmassstab sein.
Auch wer unter «Heideggers Philosophie» das Seinsdenken mit einbegreift, das erst im Laufe der dreissiger Jahre Gestalt anzunehmen begann – und das heisst nicht zuletzt: in der Zeit, als Heidegger versuchte, sich aus dem «geistigen Nationalsozialismus», in den er sich zunächst hineingeschrieben hatte, wieder herauszuschreiben –, auch und gerade der, der Heideggers Philosophie nach «Sein und Zeit» nicht als blosse Ideologie taxieren möchte, sollte sich dafür interessieren, wie nahe philosophisches Denken und geistige Verwahrlosung beieinanderliegen können. Andernfalls droht das Heideggersche Werk im Ganzen dereinst von dem Schwarz der «Schwarzen Hefte» wie von einem Schwarzen Loch verschluckt zu werden.

 

24.11.2011  |  von  |  0 Kommentare

Meßkirch Heideggers Enkel beantwortet Fragen

Meßkirch -  Gut besucht war die Vorführung des Films „Nur noch ein Gott kann uns retten“ des Amerikaners Jeffrey van Davis über den Meßkircher Philosophen Martin Heidegger und dessen Rolle zur Zeit des Nationalsozialismus. „Ich habe selbst Philosophie studiert und war ein großer Anhänger von Heidegger“, erläuterte Davis.
Heideggers Enkel beantwortet Fragen    
Ulf Heidegger (stehend), der Enkel von Martin Heidegger aus Konstanz, nimmt an der Diskussion im Anschluss an die Filmvorführung im Herz-Jesu-Heim teil.  Bild: Michelberger
 

 

Keine Kommentare: