Mittwoch, Juli 16, 2014

Erinnernd an




Abschied von einem Unbequemen : 
Thomas F. Mastronardi starb im Juni 2014

 

Vor 2 Jahren, 2012, vertraute Thomas mir 2 Texte an, die ich im Sammelband PHILOSOPHISCHE PRAXIS IV  „Viel Glück!“ veröffentlichte. Der eine trägt den Titel: „Buddhismus/ Existenzialismus“. Der andere: „Drum prüfe“ – ist eine sehr zarte philosophische Trauungsrede. Einen dritten Beitrag „Was mir fehlt“ (in den Überlegungen Sloterdijks) hatte ich schon 2010 aufgenommen in PHILOSOPHISCHE PRAXIS II „Leben ändern? – WIR ÜBEN“. Hier agiert der scharfzüngige Anwalt Mastronardi und fordert Gerechtigkeit ein. Und in diese Richtung gingen auch typische Vorstösse  von Thomas beim café philo in Bern (Mastronardi/Roth/Staude).

Daher werde ich  nun aus WAS MIR FEHLT etwas anführen. Thomas war ein Advocat des öffentlichen Philosophierens.  Dabei dachte er bis zuletzt auch daran, wie guten Gedanken auch eine wirksame Verbreitung verschafft werden könne. Daher regte er auch eine Video-Aufnahme unseres Philosophierens an.  Dies lässt sich aber bei einem café philo nicht so unproblematisch machen, wie ein Veranstaltungsmitschnitt in der Uni.

Und nun lasse ich Mastronardi selber zu Wort kommen. Da spricht er von Sartre, „der seine Philosophie der Freiheit und der Wahlfreiheit sowohl privat, wie politisch, schriftstellerisch wie philosophisch, in der französischen Résistance und auch… (später) auf der Straße in oppositionellen Demonstrationen engagiert gelebt hat.“ (87)

Und weiter: „Was nützen private Übungen, wenn den Übenden, den Tugendhaften die Macht fehlt? Was bringt das Ethos der machtlosen acht Milliarden Menschen, wenn letztlich ein paar hundert Banker, welche die zehntausend Reichsten und Mächtigsten vertreten, alles zugunsten ihres Kapitals entscheiden?“ (87)

Mastronardi war durchaus zu handfesten (utopischen) Vorschlägen aufgelegt: „das Erbrecht könnte weltweit so verändert werden, dass an Privatvermögen „nur“ zehn Millionen € zu erben/vererben sind und der Rest über die UNO direkt für Selbsthilfeprojekte für die Ärmsten der Welt eingesetzt wird.“ (88)

  Sein kurzer Beitrag endet mit Hinweisen zur >Anerkennungsgesellschaft< (Hegel, Honneth), ein Thema, das ihn noch weiter beschäftigen sollte. Ein noch nicht abgeschlossener Text dazu ist in seinem Nachlass. Im Text von 2010 heisst es: „Durch Anerkennung des Differenten, des (uns) Fremden können wir … multikulturelle Gemeinschaften und Gesellschaften gründen (siehe Brasilien) … Der Kynismus … führt… zu Respekt und Anerkennung… durch Einübung neuer, guter Gewohnheiten.“

Thomas Felix - amigo, R I P !

 

Diskutieren wir im Andenken an (und aufnehmend  Anliegen von) Thomas F. Mastronardi  nicht über einen philosophischen Text, sondern ausgehend von dem Film der Regisseurin  ICÍAR BOLLAÍN (*1967 Madrid) UND DANN DER REGEN nach einem Drehbuch von Paul Laverty (Anwalt in Glasgow, seit den 1980ger Jahren  aktiv in Menschenrechtsgruppen in Mittelamerika, Bread and Roses 2000, It´s a Free World 2007). In der ersten Fassung des Drehbuchs spielte die erzählte Geschichte  vollständig in der Zeit von Kolumbus und seiner Entdeckung der (für die Europäer) >Neuen Welt<. Die Regisseurin schreibt: „Der >Wasserkrieg<, der im Jahr 2000 im bolivianischen Cochabamba stattfand, war ein eindrucksvolles Beispiel für den zivilen Widerstand gegen die (von der Weltbank zur Bedingung von Krediten gemachte VMR) Privatisierung eines Rohstoffs, der heute  (wie sie sich ausdrückt) so wertvoll und lebenswichtig ist, wie damals das Gold“.

Schon darüber lässt sich ergiebig diskutieren. Auch mit Bezug zu Gedanken von Mastronardi.

Der Drehort des Films ist in den Anden (doch darstellend  des Kolumbus küstennahe Conquista in Santo Domingo)  und dies ermöglicht das Verbinden des historischen Stoffs mit gegenwärtigen Kämpfen um Autonomie im Rahmen unseren Einen Welt.
Thomas Felix
Mastronardi

Fürsprecher

10. März 1943 – 30. Juni 2014

 

hat in Brasilien seine letzte Ruhestätte gefunden. Er ist in seinem geliebten Sitio in Fortaleza völlig unerwartet einem Herzversagen erlegen. Wir haben ihn im brasilianischen Freundeskreis bereits verabschiedet; eine Erinnerungsfeier findet demnächst in Horw im privaten Rahmen statt; eine öffentliche Gedenkveranstaltung ist für das von ihm bisher mitgeleitete „Café philo“ vom 18. Oktober um 14 h im Alten Schloss in Bern Bümpliz geplant.

 

Wir bitten alle, ihn als einen unermüdlichen Kämpfer für die Gerechtigkeit, als einen Suchenden nach Weisheit und vor allem als einen zutiefst liebenden Menschen in Erinnerung zu behalten.

 

Im Namen seines trauernden Freundeskreises:

 

Philippe Mastronardi

 

Keine Kommentare: