Dienstag, April 21, 2009

Uni Konstanz MO 16 h in G 304

Zitat von Judith Rothenberger :

> Guten Morgen,
>
> Wenn Platon seine Akademie 387 ante gründete und ...427 ante geboren wurde, war er beim Tod des Sokrates 28 (damit knapp älter als die Studis im Sokrates-Seminar) und bei der Gründung bereits 40 Jahre alt.

Protokolle (red.) in
www.feigenblaetter.blogspot.com



Seminar: Sokrates
1.Sitzung, 20.04.09
Protokollantin: Judith Rothenberger

Verschiedene Philosophische Einstellungen:
Empirismus
Rationalismus
Skeptiker
Stoiker
Agnostiker
(hier brachen wir ab / kein Anspruch auf Vollständigkeit)

Inwiefern kann man SOKRATES den ersten Philosophen nennen?

Es gibt ja „Vorsokratiker“ (Jaap Mansfeld, vgl. reclam 7965, p9): „Die Bezeichnung „V...“ hat keine tiefe, sondern nur eine konventionelle Bedeutung“ seit den 1920ger Jahren. „Es sei ... gestattet, darauf hinzuweisen, dass es Vorsokratiker gegeben hat, die Zeitgenossen des ΣΩΚΡΆΤΗΣ waren“ (p10). ÜBERWEG 1998,p87:"Im weitesten Sinne gehören der Sophistik alle Denker an, die am intellektuellen Leben in Athen von etwa 450 ante bis nach 380 ante beteiligt waren."

Die frühe Philosophie war wie Dichtung, sie wurde in kurzen, gereimten Kurztexten überliefert (Gnomen). Erst die Sophisten hielten lange, ungereimte Reden und verwandten dabei vermutlich schon "Mnemotechniken" (wie mind maps): dabei denkt der Redner sich Bilder aus, wenn er die Rede konzipiert, aber beim Vortrag schaut nur der sprechende (innerlich) aufs Bild. die anderen hören nur die freie Rede ...

Welche Einstellung vertrat wohl ΣΩΚΡΆΤΗΣ ?
Sicher gibt es einen kräftigen Schuss Rationalismus: dem im Gespräch sich als stärker erweisenden Argument will er folgen. War Sokrates Agnostiker - oder war er auf besondere Weise "fromm" (Prof. Figal/ Fbg)?
Was sind Agnostiker? Was unterscheidet sie von A-Theisten?

Er behauptet ja (in der Darstellung von Platon) „vom Gotte“ (Apoll) dazu beauftragt zu sein zu prüfen: Wissen oder nicht?
(Seine Mutter war Hebamme, sein Vater -und wohl zunächst auch er- Steinmetz.) Er schrieb weder, noch las er. Er diskutierte öffentlich - auf den Straßen und Plätzen Athens. War er ein Sophist? Wie unterschied er sich? (sesshaft und gratis philosophierend - reichen diese Unterschiede?


Manche fühlten sich durch die Zweifel-Fragen ausstreuenden „Sophisten“ gestört und es wurden auch andere wegen Jugendverführung und Blasphemie (Gotteslästerung) angeklagt und verurteilt, so der gut verdienende Protagoras (411 zum Tod verurteilt, der sich der Vollstreckung durch Flucht auf einem Schiff entzog) und Aspasia (410 in Athen hingerichtet).

So wurde auch Sokrates ca. 400v.Chr. von drei Personen wegen Gotteslästerung angeklagt.
"Sokrates tut Unrecht, indem er nicht an die Götter glaubt, an die die Stadt glaubt, sondern andere, neue dämonische Wesen einführt; außerdem tut er Unrecht, indem er die Jugend verdirbt."
Er wurde wegen Religionsfrevels / AS´EBEIA (zu Unrecht?) verurteilt, sagte aber, dass er lieber sterbe als ohne öffentliches Philosophieren am Leben zu bleiben. Denn ist das ein Leben?
In Platons wenige Jahre späterer ( & vor Gründung der Akademie verfasster) „Apologie des Sokrates“ (Reclam 8315) spricht Sokrates zu den ‚Männern von Athen’, darunter seine Ankläger: (Anmerkung: Apologie: altgriech.: apología für Verteidigung, Rechtfertigung, = Verteidigungsschrift)
"In seiner Apologie des Sokrates stellt Platon einen wesentlichen Punkt der Haltung seines Sokrates dar. Die Apologie kann somit sehr gut als Einführung in Platons Werk dienen. Für die Einschätzung des historischen Sokrates ist sie jedoch mit Vorsicht zu genießen. Platons Sokrates sagt: „Offenbar bin ich (...) um eine Kleinigkeit weiser, eben darum, dass ich, was ich nicht weiß, auch nicht zu wissen glaube.“ - Allerdings bleibt Platons Sokrates in den reiferen Dialogen an diesem Punkt niemals stehen, sondern dieser Punkt ist der Anfang zu einem neuen, einem besseren Wissen. Es darf angenommen werden, dass diese Haltung weit mehr von Platon stammt, als dass sie von dem wirklichen Sokrates entlehnt sei. Bei Platon ist jedenfalls die Erkennbarkeit der Welt und das Wissenkönnen nicht geleugnet. Platon ist nicht identisch mit seiner Kunstfigur, dem Sokrates. Außerdem sind die Aussagen, die Platon in seinem Werk trifft, grundsätzlich didaktischer Natur. Es geht immer eher um eine Haltung oder ein Prinzip als um Tatsachen oder eine abgeschlossene Theorie.

Platon stützt die häufig wiederholte These, der Prozess sei eine Rache vieler Beleidigter gegen Sokrates gewesen, weil dieser den Athenern in vielen Gesprächen ihre Fehler und Schwächen aufzeigte. Mit großer Wahrscheinlichkeit war das so, aber man darf ebenfalls nicht vergessen, dass Athen das Pflaster politischer Kämpfe war und gerade aus dem Umkreis von Sokrates viele Personen kamen, die der bestehenden Ordnung Athens die Existenzberechtigung absprachen und vielfach mit Sparta in Bündnissen standen. Es ist also durchaus vorstellbar, dass der Prozess gegen Sokrates sozusagen ein Stellvertreterprozess war." http://de.wikipedia.org/wiki/Apologie_(Platon)
Die 501 gewählten LaienRichter erkennen auf schuldig. Sokrates diskutiert, welchen Antrag zum Strafmaß er vorbringen solle, welche Strafe er sich selbst zusprechen solle. (Was im damaligen Athener Prozessrecht offenbar so vorgesehen ist: "Das athenische Rechtssystem sah vor, dass zunächst über die Frage der Schuld entschieden werden musste und anschließend über die der Strafe. Die Apologie des Platon gliedert sich demnach in drei Teile: in eine Verteidigung gegen die Anklage, in eine Rede zum Strafmaß und eine abschließende Intervention seitens Sokrates, nachdem die Todesstrafe verkündet worden war." wikipedia)
„Dem Haufen“, den Vielen, aus denen sich eine/r in dem Moment hervorhebt, in dem sie/er Philosoph wird, liegen am Herzen Dinge wie Geld, eine Feldherrenstellung oder Reden vor dem Volk. Diese Vielen fürchten den Tod als Übel. Aber ist er das?

Als "nur gerecht und billig" für sein Tun hielte er den Freitisch im Regierungsgebäude.
Ob er ein Übel für sich beantragen solle? Das wäre z.B. ein Aufenthalt im Gefängnis, oder eine Geldbuße, die er aber im Gefängnis absitzen müsste, denn er hatte ja kein Geld. Oder soll er als Strafe die Verbannung anordnen? Dem würden die Kläger wohl stattgeben. Aber Sokrates könnte in einer Verbannung nicht leben, zu der Zeit des Prozesses war er schon ca.70 Jahre alt. Und er liebte das Philosophieren in „seiner Stadt“. Er hinterlässt den Eindruck eines alten, unbeugsamen Philosoph, er hat ein langes, reiches Leben hinter sich mit vielen guten Gesprächen.
So wurde er 399ante durch den Schierlingsbecher hingerichtet, einem Gemisch aus Wasser, (Wein?) und Schierling in einem großen Becher. Dies bewirkt Lähmung, von den Füßen ausgehend - bis man schließlich erstickt. Es ist wohl möglich, bis zuletzt sich mit Freunden zu besprechsen.

Platon (427-s347 ante) gründet die Philosophenausbildungsstätte „Akademie“ im Jahre 387 in Athen. Sie hat bleibenden Einfluss. Durch die überragende Rolle eines in Platons Dialogen auftretenden scharfsinnigen und vorbildlichen Philosophen namens ΣΩΚΡΆΤΗΣ wird Platons Lehrer und literarische Hauptfigur zum ersten und typischen Philosophen - in Abgrenzung von "Vorsokratikern" (frühen Naturphilosophen ("Sophoi") oder - Sophisten).
Nietzsche sieht hingegen in Sokrates den Zerstörer dessen, was an Griechenland wichtig ist.
Hinzugefügt:
Noch zu Lebzeiten wurde ΣΩΚ, stadtbekannte Figur, vom Komödiendichter Aristophanes als Wolkengucker (423ante ff/ ÜBERWEG 1998,p143) auf die Schippe genommen - dies bediente und befestigte ein Vorurteil gegen Philosophen/Intellektuelle überhaupt... Die Saat (eine Verunglimpfung) ging wiederholt (s.o) auf - tödlich. Der Ausspruch, er könne das schwächere Argument zum stärkeren machen, (zugespitzt: aus Unrecht Recht) trifft eher auf Protagoras zu.
Platon seinerseits gibt Aristophanes im "Symposion" (Gastmahl, um 380ante) die dankbare Rolle des Erzählers des Mythos von den runden Doppelmenschen - Grund für drei erotische Orientierungen.
Hat viel gefehlt, und wir wären statt Christen - Sokratisten geworden?



Nächste Lektüre für das Seminar: Platon, Menon

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