Donnerstag, Dezember 16, 2021
Beat C. Sauter, homo scarabaeus.Grenzgang
Der Schweizer Autor Beat Claude SAUTER kam in den letzten Jahren zu seinem Kollegen auf die Insel Reichenau und wir diskutierten sein Thema WÜRDE IM LEBEN UND STERBEN.
Nun ist das Ergebnis als Band 8 in der Reihe PHILOSOPHISCHE PRAXIS (2021) erschienen. Anbei meine Vorwort COLLAGE:
...zur Pille des homo scarabaeus
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....Was da gedreht wird – ist´s Philosophie?
Ja, -„dr Beat“ dreht uns mit diesem Text eine Pille: () „Kafka, Rilke, Goethe und Hölderlin, ihnen und den unerwähnten anderen haftet das Philosophische ebenso an wie die Kunst, den Leser in fiktionale Sphären zu bringen. Solche Sphären sollen den Leser in höchste und in niedrigste Sphären locken, in Sinn und Bedeutung die ganze Kontroverse auskostend, wie dies vom Skarabäus (Mistkäfer, scarabaeus sacer) traditionell die Rede ist, von dem, der den ganzen Tag Sonnen mit seinen Bällchen formt. Sonnen, die dann untergehen. Er ähnelt dem ambivalenten Menschen, der Genie und doch Mensch ist, …“ Beat C. Sauter führt in Winterthur die philosophische Praxis ALKYON und war davor Lehrer für Literatur und Philosophie. Wir trafen uns im Netzwerk philopraxis.ch und entdeckten, dass wir Nachbarn sind, die sich unkompliziert miteinander austauschen – auch über Grenzen.
Wird es eine bittere Pille sein?
Zum Einstieg ein Kontrast: () „die Neuprägung homo scarabaeus (ist eine) Absetzung von HOMO DEUS … auch als Abgrenzung vom transhumanistischen Argument gemeint, welches vorsieht, dass der Mensch (biologisch) fit für die Unsterblichkeit gemacht wird. Dieses Argument ist aus philosophischer Sicht ein metaphysischer Fehlgriff“.
O Isis und Osiris lenket …?
Auch in der Philosophie kann es um Weisheit gehen, bezogen auf Leben und Sterben. Mozart verbündet sich in der Zauberflöte mit dem Kern der philosophischen Praxis (entstanden vor und neben der uns bekannten Philo-sophie).
„O Isis und Osiris schenket der Weisheit Geist dem neuen Paar! .Die ihr der Wandrer Schritte lenket, stärkt mit Ge-duld sie in Gefahr! .CHOR: Stärkt mit Geduld sie in Gefahr!“
Geduldig ist er, der scarabaeus und emsig zugleich. (Freilich schafft –um in der Mozartischen Szenerie zu bleiben - der Tempel mit der Mutprobe auch Gefahr) Dr Beat wie dr Amadé bedienen sich der uns beeinflussenden Kulturge-schichte und entnehmen ihr Figuren, der Letztere den singenden Sarastro samt Freimaurertempel, der Autor dieses Buchs den altägyptischen Mistkäfer – als Anregung zur Entwicklung zeitgenössischer Gedanken. Ein „Narrativ" kann weiterhelfen, diejenigen Vorgänge im Vorfeld zu verstehen, die dem menschlichen Verstand in ihrer Endgültigkeit im Nachhinein letztlich verschlossen bleiben. Hier ist die Vorstellung eines homo scarabaeus auch für Sterbeprozesse in seinen Bedeutungen vielschichtig und hilfreich: «Die vielfältigen auf Osiris anspielenden Aspekte des Skarabäus im ägyptischen Totenkult können so zusammengefasst werden: Die Mumie in einem Sarg mit einem Ska-rabäus unter dem Kopf ist eine Figur des Osiris, unter dessen Kopf nach dem Mythos ein Skarabäus gefunden wurde. Gleichzeitig ist der Skarabäus eine Transformation des Osiris selbst, deren Erreichen eine der Voraussetzungen für die Auferstehung eines Verstorbenen ist, und deshalb ist der Skarabäus im Kontext eines Sarges, einer Mumienmaske oder eines Leichentu¬ches auf der Brust oder am Kopf der Ausdruck des Wunsches, in einen Osiris verwandelt zu werden, weil dadurch sich die Mumie einer Osiris Darstellung annähert. Osiris als ein Skarabäus ist ein Sinnbild für die solaren Aspekte des Gottes in seiner unterweltlichen Vereinigung mit dem Sonnengott und zeigt dadurch einmal mehr das Streben des Ägypters, am Lauf der Sonne und ihrer Wiedergeburt teilzuhaben. […] Gerade weil der Skarabäus ein derart vielfältig bedeutungsgeladenes Bild ist, war er so ausgesprochen populär und weit verbreitet und ist, in der Menge an unterei-nander verwobenen Symbolwerten, sehr schwierig in seiner Komplexität voll zu würdigen.» Als wäre dieses alte mythologische Narrativ vom Leben und Sterben in Würde dem heutigen Menschen entsprechend geschaffen."() Freilich wird dabei ein Schritt gemacht vom DEUS SCARABAEUS zum homo scarabaeus. (Siehe auch Assmann, Jan / Ebeling, Florian, Ägyptische Mysterien, REISEN IN DIE UNTERWELT IN AUFKLÄRUNG UND ROMANTIK, 2011 und Jan Assmann, Religion und kulturelles Gedächtnis. Zehn Studien, 5. Auflage, München 2018 zur "Gedächtnisgeschichte des Abendlandes".)
Narrative Philosophie
„Es ist die fehlende Geradlinigkeit, die Vieldeutigkeit der Sinne, die … narrative Philosophie so spannend und philosophisch so interessant macht. Wenn denn hierfür ein Zitat hilft, solches Bemühen (von Hampe u.a.) zu veranschaulichen, bitte: «Ich halte diese Art von Erzählen, das eine ganze Welt von Bedeutung geradlinig, scheinbar unzweideutig trans-portiert, für hohe Kunst, aber nicht für die einzige. Ich ticke nun einmal anders.»… Auch wenn Muschg hier von der Weltliteratur wie z.B. Ernest Hemingway u.a. spricht, meint er dasselbe, was Hampe macht. Der Bedeutungen sind mehrere, die Sache ist komplex.
So, oder ähnlich lässt sich ein anthropopoetisches Leben als scarabaeischer Glücksbringer verstehen. Wie der Skarabäus das Nilhochwasser vorausahnte und in die Häuser floh, was den Bewohnern die vorstehende Veränderung anzeigte, womit er die sinnbringende Botschaft durch seine Anwesenheit überbrachte. Kafkas eingangs erwähntes ungeheures Ungeziefer, Gregor Samsa, bringt ihm kein Glück, wohl aber die Einsicht über seine prekäre Situation. Diese Einsicht birgt aber auch das Potential zur Transformation.“ ()
Ein detailliertes Bild von der eigenen Sicht entsteht in Abschnitt 5 im Dialog mit Michael Hampe, DIE WILDNIS; DIE SEELE; DAS NICHTS. Über das wirkliche Leben. Eine Simulation, München 2020.
Einleitend heißt es: „…so wird man feststellen, dass der Skarabäus/scarabaeus sowohl ein Kotbällchen drehender Mistkäfer als auch ein heiliger Pillendreher ist" (scarabaeus sacer), welcher mit der Mistkugel die Sonne, ihren Untergang und Aufgang symbolisiert. "Dieses Bild auf den Menschen übertragen passt nicht nur in der Ähnlichkeit, sondern vermag eigentlich die Ambivalenz aller Interpretation, allen Streits um die Divergenz von Sinn und Bedeutung, herauszustreichen. Der Mensch ist … das Lebewesen, das ohne jegliche Interpretation (folglich ohne Narrativ) nicht auskommt. Hier liegt auch ein «Vorteil» des Praktischen gegenüber dem nur geistig Geschauten, mit der «richtigen» Geschichte «zur Hand» ist der Mensch auch parat, sich aus Umständen zu ent-wickeln, sich aus … Situationen loszulösen, zu be-freien - um ein Leben in Unwürde oder/UND ein Sterben in Unwürde zu vermeiden“.()
Insel Reichenau 2021..................................
Volkbert M. Roth (Herausgeber zusammen mit Egon Hein)
...............sinnpraxis@gmail.com................................. .................
BEAT C. SAUTER verfasste die folgende Rundmail:
Liebe Philosophie-Interessierte, liebe Neugierige
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Es ist lange her, seitdem ich Sie das letzte Mal zu einer Veranstaltung (Café Philo) habe einladen können. Die gegenwärtige pandemiebedingte Lage lässt solche Anlässe nicht mehr ohne Hürden zu.
Vielleicht kann ich Ihr philosophisches Interesse stattdessen mit der nachfolgenden Botschaft auf meiner homepage (www.alkyon.ch) wecken:
«Seit drei Jahren beschäftige ich mich mit einem Thema, das mich seit Jahrzehnten immer wieder begleitet hat: Würde.
Über dieses Thema habe ich nun ein Buch mit dem Titel homo scarabaeus geschrieben, das soeben veröffentlicht wurde: dieses Buch passt in die heutige Zeit, in eine Krisenzeit. Es zeigt den Unterschied von Sinn und Bedeutung des Würdeverständnisses und betrachtet die Ähnlichkeiten der Beziehung zwischen dem Menschen und dem heiligen Käfer (Skarabäus). Diese Beziehung ist eine Krisenbeziehung und doch eine vielversprechende. In der heutigen Zeit wird der Skarabäus lediglich als Mistkäfer gesehen. Im alten Ägypten wurde dieser Käfer aber wegen seiner mysteriösen Tätigkeit, dem Drehen von Mistkugeln, verehrt. Nicht etwa, weil er nur Mistkugeln drehte, sondern weil daraus junge Skarabäen krochen. Den Zusammenhang des Zeugungsvorganges und des Nestbaus haben die alten Ägypter nicht gekannt und anders gedeutet. Sie haben diesem Käfer übersinnliche, göttliche Kräfte zugesprochen: in seine Mistkugeln deuteten sie die Sonne, worin die Ägypter die höchste göttliche Ausdrucksform sahen. Ihre Beziehung zu diesem Käfer war, obschon auf fiktiver Grundlage, eine intakte und sehr respektvolle. Denn immer, bevor der Nil über die Ufer trat, flüchtete der Käfer in die Häuser der Menschen, er «warnte» sie vor dem Ereignis und brachte in der Krise zugleich die frohe Kunde bevorstehenden Glücks, denn das Wasser bedeutete Fruchtbarkeit der ausgetrockneten Böden und verhiess eine nahrhafte Ernte. Das Vielversprechende dieser Beziehung fusste demnach aus Sicht der Menschen auf leicht überhöhten Annahmen.
Käfer können, zumindest aus der Sicht von Menschen, keine eigene Stellung nehmen und kein Selbstbild von sich machen. Menschen hingegen schon. Käfer können demgemäss nicht erkennen, ob sie von anderen als göttlich oder als banal irdisch empfunden und behandelt werden. Menschen kennen diese Unterschiede aber sehr wohl. Menschen sehen sich und ihresgleichen in ihrer Bedeutung gerne als etwas Wichtigeres, als sie in Tat und Wahrheit sind. Sie überhöhen ihrer Stellung, um besser vor sich selbst und anderen dazustehen. Bedeutung und Sinn ihres Daseins sind immer wieder Grund für Kränkungen und grober Täuschungen ihrer selbst und anderer. Im Unterschied zu den Käfern müssten die Menschen von diesen Täuschungen wissen. Den meisten Menschen ist jedoch im gleichen Masse wie dem Käfer unklar und meistens unbekannt, dass sie sich um Würde als Gut selbst bemühen müssen.
Wenn die Menschen mit ihrem je eigenen, unmittelbaren Tod als Sterbliche konfrontiert werden, erinnern sie sich oftmals an diese Würde, die sie vielleicht nie gekannt, immer gesucht, selten in Anspruch genommen und oft verschmäht hatten. Plötzlich wird ihnen immer klarer, wieviel Sinn es machen würde, sich um Würde zu kümmern…»
Das Buch ist bei Amazon erhältlich, hier ist der Link:
https://www.amazon.de/homo-scarabaeus-Grenzgang-Sterben-PHILOSOPHISCHE/dp/3982298741
Rückmeldungen zum Buch würden mich freuen.
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A L K Y O N
Philosophische Praxis
www.alkyon.ch
Beat Claude Sauter,
Technikumstrasse 98,
8400 Winterthur
kontakt@alkyon.ch
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