Michael Hampe: Das vollkommene Leben Vierte Preisschrift, 5. Kapitel: „Intensität und Sicherheit als Bedingungen von Glückserfahrungen“
1. Einleitung
Williamson beleuchtet in seiner Preisschrift den Einfluss der modernen Gesellschaft auf den Menschen und dessen Möglichkeit Glück zu erlangen.
Dazu definiert er zuerst einmal, was Glück hier bedeutet, worin es besteht. (Abschnitt 1)
Anschließend teilt er die Welt in zwei Teile: Menschenwelt (persönliche Welt des Einzelnen) und Dingwelt (alles andere) und erörtert Wechselwirkung zwischen beiden (Abschnitt 2), die zu dem Menschen als ein Hybrid führt (Abschnitt 3).
Diesen Welten fügt er eine zeitliche Komponente hinzu, die für das Zustandekommen von Glück und Unglück entscheidend ist (Abschnitt 4).
Nach theoretischen Einführungen befasst sich der Autor mit der kapitalistischen Gesellschaft und der Frage, ob und wie Glück in dieser zustande kommen kann. (Abschnitt 5)
2. : Definition des Glücksbegriffs (S. 203 – 208)
„Ob es das Glück gibt und es für Menschen erreichbar ist, hängt davon ab, was man unter Glück versteht.“ (S. 203)
Ist Glück überhaupt möglich?
T1: Da Menschen nach Glück streben muss es grundsätzlich zu verwirklichen sein. Es ist nicht nur eine Hoffnungkjdfgirgnioe4jHoffnung, sondern wirklicher Zustand. (S. 203)
Glück ist ein Begriff, Begriff ist von Relevanz wenn es Unterschied für Welt macht ob Begriff vorhanden oder nicht, es macht Unterschied ob Begriff von Glück vorhanden oder nicht; Glück ist von Relevanz (= zu verwirklichen)
Glück als Erfahrungssituation ist grundsätzlich für jeden möglich, tritt aber nicht notwendig auf und ist auch nicht notwendig herbeizuführen.
T2: Glück ist mehr als nur Abwesenheit von wirklichem Schmerz, Leid und Konflikten und damit unterschiedlich zum Tod. (S. 205)
Aufzählung von Charakteristika des Glücks: lustvoller, angenehmer, intensiver Zustand ohne behindernde, störende oder verletzende Umgebung mit dem Bewusstsein intensiver Erfahrung und der erlebten Anerkennung durch Mitmenschen
Autor kommt nicht auf alle Punkte zurück, Auflistung stellt jedoch klar, dass Glück sich von der völligen Gefühllosigkeit (= Tod) unterscheidet
T3: Glück ist spezifisches Verhältnis von Intensität und Konfliktfreiheit. (S. 206)
Kernpunkte sind intensive Selbst- und Weltwahrnehmung und Balance aus Intensität und Gelassenheit
Hauptbedingungen des Glücks sind daraus entstehende Intensitätserfahrung und das Erleben eines Sicherheitsgefühls
T4: Glück ist relativ zum Menschen. (S. 207)
Da unterschiedliche Menschen unterschiedliche Intensitätsbedürfnisse haben, haben sie auch unterschiedliche Glückserlebnisse.
3. : Subjektive Kompetenzen zwischen Mensch und Dingwelt (S. 208 – 214)
T1: Gesellschaft teilt sich in Mensch und Dingwelt, die sich gegenseitig beeinflussen. (S. 208)
Umgebung in der Mensch aufwächst beeinflusst dessen Entwicklung (= dessen Subjektivität), während Mensch mit dem Aufwachsen Umgebung beeinflusst (durch Interaktion und Fortschritt).
Dinge erfahren Anpassung an Entwicklung des Menschen durch technischen Fortschritt.
T2: Mensch bildet Wahrnehmungs- und Handlungsgewohnheiten (= subjektive Kompetenzen) aus, ohne die er Fremdheitsgefühl entwickelt, welches dem Ausbilden von einem Sicherheitsgefühl entgegen steht. (S. 211)
Ohne Sicherheitsgefühl ist nach Kapitel eins kein Glück möglich Unglück
Bsp.: Umgang älterer Menschen mit älteren Wahrnehmungs- und Handlungsgewohnheiten werden mit moderner Technik konfrontiert.
=> Für Mehrheit mag das stimmen, gibt aber auch viele Gegenbeispiele (s. Videotelefonie mit den Enkeln, Aufbereitung alter Videos, etc.).
Durch Änderung der subjektiven Kompetenzen werden dann auch Dinge wieder verändert (z.B. Anpassung der modernen Technik an Bedürfnisse älterer Menschen).
4. : Zusammenhang von Natürlichem, Technischem und Menschlichem als hybrides Kollektiv (S. 215 – 217)
T1: Anpassung entsteht aus „konfliktträchtigen Zuständen“ (S. 215)
passen subjektive Kompetenzen nicht zur Dingwelt, so werden zum einen diese Kompetenzen und zum anderen die Dingwelt verändert
dies geschieht um Bedrohungssituation, die aus Nicht-Zusammenpassen entsteht zu verhindern und Sicherheitsgefühl zu erlangen
T2: Menschliches, Natürliches und Technisches lassen sich nicht trennen. Sie bilden ein hybrides Kollektiv. (S. 215)
Da Menschen und Dingwelt in gegenseitiger Anpassung bestehen ist es nicht möglich nur eines von beiden, ohne Einfluss auf das jeweils andere zu ändern.
Auch unmöglich nur Einfluss auf Menschliches zu nehmen, da es nichts rein menschliches (also von Natur und Technik Unabhängiges gibt).
„Alles Menschliche ist ein Hybrid aus Natur und Technik.“ (S. 216)
Bsp.: trainierter Muskel; an moderne Mediennutzung angepasstes Gehirn
=> Ist die Vernunft nicht etwas rein Menschliches? (s. Sokrates, bzw. Platon; auch Schopenhauer - Vernunft ist das, was Menschen vom Tier unterscheidet)
5. : Komponente der Zeit und des Zufalls (S. 217 – 221)
T1: Ungünstige zeitliche Abläufe führen zu Unglück. (S. 217)
„Ärger, Not und Trauer sind nicht mit dem Glück vereinbar.“ (S. 217)
Drei Beispiele wie Ärger, Not und Trauer aus ungünstigen zeitlichen Abläufen entstehen können.
=> Unklares drittes Beispiel (Trauer) - Trauer entsteht nicht aus schlechter Zeitlichkeit (eher Beispiel für Not des Kindes), Trauer bestünde egal zu welchem Zeitpunkt die Mutter stirbt - Beispiel für Trauer aus ungünstiger Zeitlichkeit: Kind stirbt vor Eltern - Trauer bei Eltern
T2: Die Welt besteht in Ereignissen, die in Abfolgen und Gleichzeitigkeiten ablaufen. Diese können sowohl glücklich als auch unglücklich sein. (S. 218)
Vier Beispiele für glückliche und unglückliche Abfolgen und Gleichzeitigkeiten:
Glückliche Gleichzeitigkeit: zufälliges Treffen eines guten Freundes
Unglückliche Gleichzeitigkeit: sich zum Zeitpunkt eines Blitzeinschlags an dem Ort desselben zu befinden
Glückliche Abfolge: Reihe von medizinischen Tests und Behandlungen, die erst zur Diagnose und dann zur Heilung einer gefährlichen Krankheit führen
Unglückliche Abfolge: verschiedene menschliche und technische Fehler, die dann zu einer Katastrophe führen (z.B. Flugzeugabsturz)
T3: Zufall hat Einfluss auf das Glück des Menschen. (S. 219)
Gleichzeitigkeiten und Abfolgen erhalten dadurch, dass sie in Zusammenhängen stehen Bedeutung und Bewertung vom Menschen
Gleichzeitigkeiten und Abfolgen haben Einfluss auf Lebensglück (eben durch Bedeutungszuschreibung ihrer eigenen Glücklich- bzw. Unglücklichkeit)
Werden zum Teil oder vollständig durch Zufall bestimmt.
6. : Möglichkeit des Glück in der kapitalistischen Gesellschaft (S. 221 – 231)
T1: Realisierbare Lebensplanung gibt Sinnzusammenhänge und Sicherheitsgefühl.
(S. 221)
Planbarkeit schafft sicheres Umfeld und macht es möglich Sicherheitsgefühl zu erleben (Kernbedingung des Glücks, s. weiter oben)
„Menschen wissen, wer sie sind und was ihre Welt ist, weil sie gewohnheitlich in ihre Welt passen.“ (S.221)
T2: In kapitalistischer Gesellschaft gerät durch ständig verlangte Anpassung Identität des Individuums in Gefahr. (S. 221)
durch Fortschritt ständige Veränderung der Dingwelt
dadurch aufgrund von Wechselwirkung ständige Veränderung der eigenen Gewohnheiten und subjektiven Kompetenzen (welche Identität ausmachen)
keine Konstanz in subjektiven Kompetenzen keine beständige Identität mehr auszumachen
T3: In kapitalistischer Gesellschaft ist keine Ausbildung von Sicherheitsgefühl mehr möglich. (S. 222)
Planbarkeit als notwendige Grundlage von Sicherheitsgefühl geht durch ständige Veränderung der Verhältnisse verloren
Zufall spielt immer größere Rolle
Sicherheitsanspruch des Menschen wird als Wert nicht mehr anerkannt, stattdessen Flexibilität und Risikobereitschaft gefordert
T4: Geplanter Rausch tritt an die Stelle von realisierbarer Lebensplanung als Weg zum Glück. (S. 223)
Im Rausch ist intensives Erleben gegeben (Kernbedingung des Glücks)
Sicherheitsgefühl gegeben, da Rausch „fest umrissene Zeit der Intensivierung [der] Erfahrung unter abgesicherten Bedingungen“ (S. 222)
Rausch bringt aber Gefahren mit sich: Suchtgefahr und Störung der Fähigkeit zur Lebensplanung (nicht weiter relevant, da ohnehin nicht möglich)
Geplanter Rausch funktioniert nur als Ausnahmezustand - Glück nur als Ausnahmezustand
T5: Ständiger und rasanter Wechsel der Verhältnisse im Rausch führt zu sozialer Desorientierung. (S. 225)
Rausch in alltäglicher Form als „Hochgefühl des Wechsels“ (S. 224) durch ständige rasante Veränderung der Verhältnisse spürbar
Ständige Anpassung bringt intensive Erlebnisse / Rausch
Jedoch durch Ungewissheit und Einfluss des Zufalls keine Planbarkeit / kein Sicherheitsgefühl.
Verbrauchen der Ressource Lebenszeit durch ständige Anpassungsanstrengungen
Daraus entstehend Zeitmangel zur vollständigen Anpassung an neue Verhältnisse. Leben in Verhältnissen, an die man nicht angepasst ist : soziale Desorientierung
T6: Glück ist in kapitalistischer Gesellschaft nur unter Einfluss des Zufalls als nicht planbare intensive Erfahrung möglich. (S. 230)
„Intensive Erfahrung tritt unverhofft und nicht planbar ein.“ (S. 230)
Durch ständige dynamische Veränderung des Menschen und der Dingwelt und der daraus entstehenden wechselwirksamen, wieder Veränderung antreibenden Anpassungen ist kein Sicherheitsgefühl möglich.
Planbarkeit guten Lebens geht verloren.
Dementsprechend nur zufällige glückliche Abfolgen als Weg zum Glück in moderner Gesellschaft (neben dem Ausnahmeglück des geplanten Rausches).
Dienstag, April 17, 2012
Paul Schmidt
Montag, April 16, 2012
Tillmann Weißer
Inhalte der ersten Meditation
HAMPE, Vier Meditationen über das Glück
Kapitel 2: Erwin Weinberger ABSCHAFFUNG DES UNGLÜCKS
durch Fortschritt
Einleitung (S.43–44)
Thesen: (S.43)
1. „Unser Weg zum Glück liegt in der Vermeidung des Unglücks.“
2. „Das beste Mittel, das wir [dafür] haben, sind Wissenschaft und Technik.“
„Die erfolgreichste Sicht auf die Welt,[...] sagt uns, dass diese gesetzmäßig ist: Sie ist ein Zusammenhang von Größen, die in Abhängigkeit voneinander variieren. Auch unser Glück variiert in Abhängigkeit von vielen, uns bis jetzt noch nicht bekannten Faktoren,“ die wir aber herausfinden werden. „Irgendwann wird sich uns alles aufschließen.“ (S.43)
Aufgabenstellung: (S.44)
1. Auseinandersetzung mit den Kritikern des Fortschritts und den Verächtern der wissenschaftlichen Wahrheit.
2. Untersuchung der Möglichkeit der Selbsttransparenz und ihrer Konsequenzen für das menschliche Glück.
Es gibt Fortschritt: Was uns die Geschichte der Wissenschaft lehrt (S.44–57)
Die wissenschaftliche Entwicklung hat vieles, was wir für göttliche Wunder gehalten haben, entzaubert. Dies wird durch einige Beispiele belegt (Magnetismus, Astronomie, Beschleunigung, Fortpflanzung).
These: (vgl.S.45) Wir können daraus folgern, dass wir alles, was uns heute unergründlich ist, eines Tages verstehen können. Insbesondere das Bewusstsein und das qualitative Erleben.
Beweis: Das wir das nicht erkennen liegt daran, dass wir das Wort Fortschritt falsch verstehen. Fortschritt ist nicht auf ein Ziel hin ausgerichtet, sondern er geht von einem Punkt weg. Wäre Fortschritt hin zu Wahrheit, so hätte die Wissenschaft noch gar keine Fortschritte gemacht, weil neue Theorien immer wieder nur zeigen, dass alte Theorien falsch waren.
„Daran erkennen wir den wissenschaftlichen Fortschritt, wenn wir den Blick [...], zurückwenden und nicht irgendein abstraktes Ziel wie ‚die absolute Wahrheit‘ oder‚ die unerschütterliche Gewissheit‘ anzupeilen versuchen. Wenn ich weg von Scranton, Pennsylvania, will, dann ist jede Bewegung, die mich von diesem Ort fortbringt, egal wohin sie führt, ein Fortschritt.“ (S.47)
„Doch auch wenn ich nicht weiß, ob Einstein dichter an der Wahrheit und Gewissheit ist als Newton [...], so ist doch klar, dass Einstein weiter vom Aberglauben und Irrtum entfernt ist als Newton, der die Gravitation noch für das Denken Gottes hielt und das Alter der Welt auf 6000 Jahre veranschlagte. Dies ist ebenso bekannt wie die Tatsache, dass Paris weiter von Scranton, Pennsylvania, entfernt ist als New York. Und auch wenn ich nicht weiß, wohin ich reise, so muss ich nur Scranton, Pennsylvania, im Auge behalten, um zu entscheiden, ob ich Fortschritte dabei mache, von dort wegzukommen. Ebenso muss ich nur unser Unverständnis, unseren Aberglauben und die daraus entstehenden Ängste, die uns unglücklich machen, im Auge behalten und festhalten, dass es das ist, von dem wir wegwollen, um zu sehen, dass wir uns in der Zeit zwischen Newton und Einstein tatsächlich davon wegbewegt, also Fortschritte gemacht haben, ohne zu wissen, wohin die Reise der Wissenschaft geht.“ (S.48)
...Ausfug in die Erfolgsgeschichte der Mathematik als Wissenschaft der formalen Sprachen und Kritik an der Redewendung etwas seien „bloße Worte“ (politische Bewegungen, Beleidigung, Verteidigungsrede)...
These: (vgl. S.52) Die Unterscheidung zwischen Sprache und Wirklichkeit ist im Grunde sinnlos, weil Sprache Teil der Wirklichkeit ist.
Beweis: Software ist Sprache die direkt die Wirklichkeit beeinflusst. Es macht keinen Sinn zwischen Wirklichkeit und Konstrukt zu unterscheiden. „Wenn das sprachliche Konstrukt einer Rede einen Arbeiteraufstand auslöst, wird man es kaum als unwirklich bezeichnen können. Wenn das konstruierte Auto, das in einer Nebelbank auf der Autobahn bremst, eine Massenkarambolage verursacht, warum soll man es dann ein‚ bloßes Konstrukt‘ nennen? Wenn das falsch berechnete Gebäude einstürzt und viele Menschen unter sich begräbt, warum soll man dann diese falsche Berechnung und das konstruierte Gebäude im Unterschied zur Butterblume in seiner Konstruiertheit nicht‚ ontologisch ernst‘ nehmen?“ (S.54)
Ob ein Ding ein Konstrukt oder natürlich ist, hängt von unserer Einflussnahme darauf ab. Haben wir es durch Konstruktion oder durch Probieren hervorgebracht? In ihrer Wirklichkeit unterscheiden sich die Dinge nicht. (Wichtiger Punkt für Weinberger)
Wer das Glück sucht, muss die Täuschung als Ursache des Unglücks vermeiden lernen (S.58–64)
„Wir haben gerade zu begreifen gelernt, dass die Bewegung des Fortschritts eine Bewegung weg von gegebenen Problemen darstellt. Genau dasselbe gilt für die Suche nach dem Glück. Sie darf keine Bewegung zu bestimmten Zielen sein, [...] sondern sie muss eine Bewegung weg von dem sein, was uns unglücklich macht, ebenso wie die Bewegung des Erkenntnisfortschritts nicht eine zur absoluten Wahrheit, sondern weg vom Irrtum ist.“ (S.58)
„Wer glücklich ist, sucht nicht, will zu nichts hin und von nichts weg.“ (S.58)
„Was aber ist der eigentliche Grund dieses menschlichen Unglücks [...]? Eine Antwort lautet: der Fanatismus der Identitätssuche und die Gewohnheit der Lüge [...]. Was ist die Hauptquelle von Fanatismus und gewohnheitsmäßiger Lüge[...]? Antwort: Die mit religiöser Intensität betriebene Identitätssuche und die menschliche Schwäche, die Dinge so zu akzeptieren und zu kommunizieren, wie sie sind. Warum verfallen Menschen der religiösen Identitätssuche und der habituellen Schwäche der Lüge? Antwort: Weil sie Begierden haben und sterblich sind.“ (S.58/59)
„Was aber kann man dem Fanatismus und der Lüge, der religiös-kulturellen Scheinidentität, die unsere tierische Natur leugnet, und der menschlichen Schwäche, der Wahrheit ins Auge zu sehen, entgegensetzen? Antwort: das ehrliche Streben nach Wahrhaftigkeit, das vor allem in der aufgeklärten Wissenschaft stattfindet.“ (S.60)
„Wenn das Unglück darin besteht, dass wir unsere Wünsche in der Wirklichkeit nicht realisieren können, dann gibt es im Prinzip zwei Auswege aus dem Unglück: Entweder wir ändern die Wirklichkeit, so dass unsere Wünsche in ihr verwirklichbar werden, oder wir ändern uns selbst, so dass wir nicht mehr die entsprechenden Wünsche haben.“(S.62)
„Wenn wir ernsthaft das Glück suchen, müssen wir uns von allem wegbewegen, was uns zum Selbstbetrug und zur Täuschung anderer verleiten kann, auch von der religiösen Lebensform.“ (S.64)
Relativismus und Kapitalismus (S.65–69)
„Diese Entwicklung der Flexibilisierung macht Menschen orientierungslos und unglücklich, weil zu fexible Menschen nicht mehr wissen, von was sie sich wegbewegen sollen um ihre Lage zu verbessern. Zu sagen, es sei nur tolerant, wenn man den eigenen Standpunkt relativiere und den fremden genauso anerkenne wie den eigenen, bedeutet meist, dass man den eigenen Standpunkt genauso wenig ernst nimmt wie den fremden, dass man ihn von einer Außenperspektive aus ansieht und vergisst oder ignoriert, dass man auf ihn angewiesen ist, um sich überhaupt irgendwohin bewegen zu können.“(S.65)
„Sicher ist es in bestimmten Situationen sinnvoll, eine Außenperspektive auf das eigene Leben einzunehmen, um überhaupt zu erkennen, worin die Probleme [...] bestehen.“ (S.65)
„Wenn man jedoch einmal die eigenen Lebensprobleme erkannt hat, dann muss man sich mit ihnen als den eigenen auch identifizieren, um die Kraft aufzubringen, sie zu lösen.“ (S.65) Der Relativismus existiert nur als Außenperspektive.
Die Ablehnung der Wirklichkeitsrelevanz jeglicher wissenschaftlichen Wahrheit, [...] ist also letztlich eine Auforderung zur Standpunktlosigkeit, die die Anstrengungen entwertet, die wir als Individuen und als Gemeinschaft unternommen haben, um das Unglück zu vermeiden.“ (S.67)
„Beide herrschenden Ideologien: die einer auf das Jenseits bezogenen religiösen Identität und die der nicht vorhandenen Identität der im Kapitalismus flexibilisierten Menschen sind Quellen des Unglücks. Sie sind zu ersetzen durch die Idee einer aufgeklärten Existenz, die durch das Streben nach Wahrheit getragen wird.“ (S.68/69)
Der Wert der Wahrheit (S.69–77)
Alles auf der Welt ist konstruiert. Es gibt keine einfachen im Gegensatz zu konstruierten Wahrheiten. Dieser Punkt ist sehr wichtig für Erwins Lösung des Glückproblems. „Wir können nur da etwas Schwieriges und für das Leben Bedeutsames verwirklichen, herstellen, konstruieren, wo wir genau[...] und wirklich [...] wissen, wie die Dinge tatsächlich beschaffen sind.“ (S.72)
„Das meiste Unglück im menschlichen Leben kommt [...] dadurch zustande, dass wir uns ein falsches Bild von der Wirklichkeit machen, dass wir sie nicht so sehen, wie sie ist, weil wir uns vor den Tatsachen fürchten.“ (S.73)
...Wissenschaftstheorie ...
Intensitätssuche als Täuschungsursache (S.77–81)
Der Mensch hat ein Bedürfnis nach emotionaler Intensität. Dies ist eine wohl möglich urzeitliche Idee, die jetzt unnötig ist und zu Süchten führt. „Das Intensitätsbedürfnis von Menschen ist [...] ein Problem, das wissenschaftlich-technisch zu lösen ist, wen man auf dem Weg weg von den Unglück verursachenden Faktoren im menschlichen Leben vorankommen möchte.“ (S.81)
Das wichtigste Problem, das es dabei zu lösen gilt, ist das wie.
Problemlösung (S.82–86)
Programm: (S.82)
1. Akzeptanz der Tatsachen
2. Veränderung der Tatsachen (Macht aufbauen)
3. nähere Untersuchung der „Konstanten des Unglücks:“ Tod, Begierden, Bedürfnis
nach Intensität.
Angst vor dem Tod (S.86–96)
„Erwachsenwerden bedeutet u.a. zu lernen, sich ‚von außen‘ zu sehen und die eigenen Imaginationen nicht mit den Tatsachen zu verwechseln.“ (S.86)
„[A]uch angesichts des Todes müssen wir lernen, erwachsen zu werden [...].“ (S.87)
„[W]eil wir keine persönlichen Erfahrung vom Tod haben können, aus der wir gelernt haben, wie es ist zu sterben, imaginieren wir alles Mögliche beim Anblick einer Leiche und beim Erwägen der Frage, wie es wohl sein wird, wenn wir selbst einmal in diesem Zustand sind.“ (S.89)
Mathematik erfasst das Individuum (S.97–105)
Der Umgang mit Begierden setzt deren Kenntnis voraus. Um soziale Faktoren wie Scham auszuschalten, müssen wir die Begierden objektivieren und messen lernen. Man kann alles im Menschen messen.
„Welchen Eigenschaften eines Individuums graduierbar und messbar sind, ist keine prinzipielle Frage, sondern eine, die vom Stand der experimentellen und messenden Forschung und der Genauigkeit der Messgeräte abhängt.“ (S.100)
Lösungsvorschlag: Armbanduhr, die alles misst und anzeigt. Auf dieser Grundlage kann durch Handlungen oder Medikamente auf die Begierden Einfluss genommen werden. (vgl.103f)
Handhabung der Begierden (S.106–108)
1. „Eine Person sollte frühzeitig, als jugendliche, ihre affektiven Tendenzen messend kennen- und steuern lernen. Je früher ein solcher Lernprozess beginnt, umso virtuoser und flexibler wird die spätere Handhabung der eigenen Affektivität sein.“
2. „Personen sollten in beruflichen und sozialen Zusammenhängen leben, die ihren affektiven Tendenzen entsprechen. So, wie eine mathematisch-technisch wenig begabte Person nicht Pilot werden sollte, ebenso sollte ein zu Furcht und übermäßiger Aggression neigendes Individuum nicht den Beruf des Soldaten ergreifen, weil das Nichtzusammenpassen von affektiven Tendenzen und Kompetenzen zu den beruflichen Anforderungen zu Unglück führt.“
3. „Eine Person sollte lernen, welche affektiven Muster für sie eine Suchtgefahr darstellen, ob sie etwa die Tendenz hat, einer Spiel- oder Sexualsucht zu verfallen, weil Süchte eine der wesentlichsten Quellen des Unglücks sind.“
4. „Eine Person sollte mit solchen Individuen soziale Kontakte pflegen, die nach der Metrik ihrer Affektivität gut zu ihr passen, das heißt, sie sollte in dem für sie angemessenen sozialen Umfeld ihr Privatleben zubringen, denn affektive Dissonanzen im Sozialleben sind eine wesentliche Quelle des Unglücks.“
5. „Jede Person muss lernen, die Befriedigung ihrer Begierden und das Auftreten von positiven Affekten zu ‚verendlichen‘. Denn sie alle sind mit ‚Kosten‘ auf der physiologischen Seite verbunden, wie die entsprechende Metrik der Substanzen anzeigt, die bei Bedürfnissen und ihrer Befriedigung im Spiele sind. Die Befriedigung von Begierden und die Erzeugung angenehmer Gefühle kann nicht beliebig oft wiederholt werden, wie am ‚Affektspiegel‘ unschwer abzulesen sein wird.“
Intensität und die Erzeugung des Sinns in der aufgeklärten Existenz
(S.109–112)
„Menschen möchten in einzelnen Lebenssituationen möglichst intensive positive Gefühle empfnden, aber sie wollen auch, dass ihr Leben einen Zusammenhang ergibt, den man wie eine gut erzählte Geschichte nachvollziehen kann, und es nicht einfach in Episoden zerfällt.“ (S.109)
„Menschen müssen [...] lernen, Sinnzusammenhänge zu erzeugen, in ihrer Arbeit, indem sie ihren Kompetenzen entsprechend beschäftigt werden, und in ihrem Sozialleben, indem sie mit Menschen zusammenleben lernen, mit denen sie einen alltäglichen Sinnzusammenhang entstehen lassen können, und sich nicht nur in situativen affektiven Konflikten und positiven Intensitäten bewegen.“ (S.110)
„Das Glück aufgeklärter Menschen wird weder in dauernder Lust noch in einem Streben nach jenseitigem Heil bestehen, sondern sich aus der Kompetenz ergeben, das Unglück, das situativ aus dem Streben nach intensiven Gefühlen entstehen kann, zu vermeiden und zu lernen, in der jedem zur Verfügung stehenden endlichen Lebenszeit mit Sinn vereinbare Intensitäten zu erzeugen.“ (S.111)
„Menschen, denen die wissenschaftlich-technischen Möglichkeiten zur objektiven Selbsterkenntnis zur Verfügung stehen und die gelernt haben, sich vorurteilsfrei selbst zu kontrollieren, werden auch die Möglichkeit haben, das Unglück zu vermeiden.“ (S.112)
∆έν ελπίζω τίποτα Ich schaue nicht nach vorne,
∆έ φοβόµαι τίποτα ich schaue nicht zurück,
Ειµαι λέφτερος ich bin (nur) für den Moment – glücklich.
Doch siehe auch: Mike Roth, Philosophische LebensART zu diesem Spruch von Kazantzakis.
Ich hoffe nichts . Ich fürchte nichts. Ich bin frei
Roth/Staude, Konstanz 2010, 99
und den Text in PHILOSOPHISCHE PRAXIS 4, 97 ff:
"Erlebnisse zu Hampes Kanon"
http://www.buchhandel.de/default.aspx?strframe=titelsuche&caller=vlbPublic&nSiteId=11&Func=Search&stichwort=kunsten
HAMPE, Vier Meditationen über das Glück
Kapitel 2: Erwin Weinberger ABSCHAFFUNG DES UNGLÜCKS
durch Fortschritt
Einleitung (S.43–44)
Thesen: (S.43)
1. „Unser Weg zum Glück liegt in der Vermeidung des Unglücks.“
2. „Das beste Mittel, das wir [dafür] haben, sind Wissenschaft und Technik.“
„Die erfolgreichste Sicht auf die Welt,[...] sagt uns, dass diese gesetzmäßig ist: Sie ist ein Zusammenhang von Größen, die in Abhängigkeit voneinander variieren. Auch unser Glück variiert in Abhängigkeit von vielen, uns bis jetzt noch nicht bekannten Faktoren,“ die wir aber herausfinden werden. „Irgendwann wird sich uns alles aufschließen.“ (S.43)
Aufgabenstellung: (S.44)
1. Auseinandersetzung mit den Kritikern des Fortschritts und den Verächtern der wissenschaftlichen Wahrheit.
2. Untersuchung der Möglichkeit der Selbsttransparenz und ihrer Konsequenzen für das menschliche Glück.
Es gibt Fortschritt: Was uns die Geschichte der Wissenschaft lehrt (S.44–57)
Die wissenschaftliche Entwicklung hat vieles, was wir für göttliche Wunder gehalten haben, entzaubert. Dies wird durch einige Beispiele belegt (Magnetismus, Astronomie, Beschleunigung, Fortpflanzung).
These: (vgl.S.45) Wir können daraus folgern, dass wir alles, was uns heute unergründlich ist, eines Tages verstehen können. Insbesondere das Bewusstsein und das qualitative Erleben.
Beweis: Das wir das nicht erkennen liegt daran, dass wir das Wort Fortschritt falsch verstehen. Fortschritt ist nicht auf ein Ziel hin ausgerichtet, sondern er geht von einem Punkt weg. Wäre Fortschritt hin zu Wahrheit, so hätte die Wissenschaft noch gar keine Fortschritte gemacht, weil neue Theorien immer wieder nur zeigen, dass alte Theorien falsch waren.
„Daran erkennen wir den wissenschaftlichen Fortschritt, wenn wir den Blick [...], zurückwenden und nicht irgendein abstraktes Ziel wie ‚die absolute Wahrheit‘ oder‚ die unerschütterliche Gewissheit‘ anzupeilen versuchen. Wenn ich weg von Scranton, Pennsylvania, will, dann ist jede Bewegung, die mich von diesem Ort fortbringt, egal wohin sie führt, ein Fortschritt.“ (S.47)
„Doch auch wenn ich nicht weiß, ob Einstein dichter an der Wahrheit und Gewissheit ist als Newton [...], so ist doch klar, dass Einstein weiter vom Aberglauben und Irrtum entfernt ist als Newton, der die Gravitation noch für das Denken Gottes hielt und das Alter der Welt auf 6000 Jahre veranschlagte. Dies ist ebenso bekannt wie die Tatsache, dass Paris weiter von Scranton, Pennsylvania, entfernt ist als New York. Und auch wenn ich nicht weiß, wohin ich reise, so muss ich nur Scranton, Pennsylvania, im Auge behalten, um zu entscheiden, ob ich Fortschritte dabei mache, von dort wegzukommen. Ebenso muss ich nur unser Unverständnis, unseren Aberglauben und die daraus entstehenden Ängste, die uns unglücklich machen, im Auge behalten und festhalten, dass es das ist, von dem wir wegwollen, um zu sehen, dass wir uns in der Zeit zwischen Newton und Einstein tatsächlich davon wegbewegt, also Fortschritte gemacht haben, ohne zu wissen, wohin die Reise der Wissenschaft geht.“ (S.48)
...Ausfug in die Erfolgsgeschichte der Mathematik als Wissenschaft der formalen Sprachen und Kritik an der Redewendung etwas seien „bloße Worte“ (politische Bewegungen, Beleidigung, Verteidigungsrede)...
These: (vgl. S.52) Die Unterscheidung zwischen Sprache und Wirklichkeit ist im Grunde sinnlos, weil Sprache Teil der Wirklichkeit ist.
Beweis: Software ist Sprache die direkt die Wirklichkeit beeinflusst. Es macht keinen Sinn zwischen Wirklichkeit und Konstrukt zu unterscheiden. „Wenn das sprachliche Konstrukt einer Rede einen Arbeiteraufstand auslöst, wird man es kaum als unwirklich bezeichnen können. Wenn das konstruierte Auto, das in einer Nebelbank auf der Autobahn bremst, eine Massenkarambolage verursacht, warum soll man es dann ein‚ bloßes Konstrukt‘ nennen? Wenn das falsch berechnete Gebäude einstürzt und viele Menschen unter sich begräbt, warum soll man dann diese falsche Berechnung und das konstruierte Gebäude im Unterschied zur Butterblume in seiner Konstruiertheit nicht‚ ontologisch ernst‘ nehmen?“ (S.54)
Ob ein Ding ein Konstrukt oder natürlich ist, hängt von unserer Einflussnahme darauf ab. Haben wir es durch Konstruktion oder durch Probieren hervorgebracht? In ihrer Wirklichkeit unterscheiden sich die Dinge nicht. (Wichtiger Punkt für Weinberger)
Wer das Glück sucht, muss die Täuschung als Ursache des Unglücks vermeiden lernen (S.58–64)
„Wir haben gerade zu begreifen gelernt, dass die Bewegung des Fortschritts eine Bewegung weg von gegebenen Problemen darstellt. Genau dasselbe gilt für die Suche nach dem Glück. Sie darf keine Bewegung zu bestimmten Zielen sein, [...] sondern sie muss eine Bewegung weg von dem sein, was uns unglücklich macht, ebenso wie die Bewegung des Erkenntnisfortschritts nicht eine zur absoluten Wahrheit, sondern weg vom Irrtum ist.“ (S.58)
„Wer glücklich ist, sucht nicht, will zu nichts hin und von nichts weg.“ (S.58)
„Was aber ist der eigentliche Grund dieses menschlichen Unglücks [...]? Eine Antwort lautet: der Fanatismus der Identitätssuche und die Gewohnheit der Lüge [...]. Was ist die Hauptquelle von Fanatismus und gewohnheitsmäßiger Lüge[...]? Antwort: Die mit religiöser Intensität betriebene Identitätssuche und die menschliche Schwäche, die Dinge so zu akzeptieren und zu kommunizieren, wie sie sind. Warum verfallen Menschen der religiösen Identitätssuche und der habituellen Schwäche der Lüge? Antwort: Weil sie Begierden haben und sterblich sind.“ (S.58/59)
„Was aber kann man dem Fanatismus und der Lüge, der religiös-kulturellen Scheinidentität, die unsere tierische Natur leugnet, und der menschlichen Schwäche, der Wahrheit ins Auge zu sehen, entgegensetzen? Antwort: das ehrliche Streben nach Wahrhaftigkeit, das vor allem in der aufgeklärten Wissenschaft stattfindet.“ (S.60)
„Wenn das Unglück darin besteht, dass wir unsere Wünsche in der Wirklichkeit nicht realisieren können, dann gibt es im Prinzip zwei Auswege aus dem Unglück: Entweder wir ändern die Wirklichkeit, so dass unsere Wünsche in ihr verwirklichbar werden, oder wir ändern uns selbst, so dass wir nicht mehr die entsprechenden Wünsche haben.“(S.62)
„Wenn wir ernsthaft das Glück suchen, müssen wir uns von allem wegbewegen, was uns zum Selbstbetrug und zur Täuschung anderer verleiten kann, auch von der religiösen Lebensform.“ (S.64)
Relativismus und Kapitalismus (S.65–69)
„Diese Entwicklung der Flexibilisierung macht Menschen orientierungslos und unglücklich, weil zu fexible Menschen nicht mehr wissen, von was sie sich wegbewegen sollen um ihre Lage zu verbessern. Zu sagen, es sei nur tolerant, wenn man den eigenen Standpunkt relativiere und den fremden genauso anerkenne wie den eigenen, bedeutet meist, dass man den eigenen Standpunkt genauso wenig ernst nimmt wie den fremden, dass man ihn von einer Außenperspektive aus ansieht und vergisst oder ignoriert, dass man auf ihn angewiesen ist, um sich überhaupt irgendwohin bewegen zu können.“(S.65)
„Sicher ist es in bestimmten Situationen sinnvoll, eine Außenperspektive auf das eigene Leben einzunehmen, um überhaupt zu erkennen, worin die Probleme [...] bestehen.“ (S.65)
„Wenn man jedoch einmal die eigenen Lebensprobleme erkannt hat, dann muss man sich mit ihnen als den eigenen auch identifizieren, um die Kraft aufzubringen, sie zu lösen.“ (S.65) Der Relativismus existiert nur als Außenperspektive.
Die Ablehnung der Wirklichkeitsrelevanz jeglicher wissenschaftlichen Wahrheit, [...] ist also letztlich eine Auforderung zur Standpunktlosigkeit, die die Anstrengungen entwertet, die wir als Individuen und als Gemeinschaft unternommen haben, um das Unglück zu vermeiden.“ (S.67)
„Beide herrschenden Ideologien: die einer auf das Jenseits bezogenen religiösen Identität und die der nicht vorhandenen Identität der im Kapitalismus flexibilisierten Menschen sind Quellen des Unglücks. Sie sind zu ersetzen durch die Idee einer aufgeklärten Existenz, die durch das Streben nach Wahrheit getragen wird.“ (S.68/69)
Der Wert der Wahrheit (S.69–77)
Alles auf der Welt ist konstruiert. Es gibt keine einfachen im Gegensatz zu konstruierten Wahrheiten. Dieser Punkt ist sehr wichtig für Erwins Lösung des Glückproblems. „Wir können nur da etwas Schwieriges und für das Leben Bedeutsames verwirklichen, herstellen, konstruieren, wo wir genau[...] und wirklich [...] wissen, wie die Dinge tatsächlich beschaffen sind.“ (S.72)
„Das meiste Unglück im menschlichen Leben kommt [...] dadurch zustande, dass wir uns ein falsches Bild von der Wirklichkeit machen, dass wir sie nicht so sehen, wie sie ist, weil wir uns vor den Tatsachen fürchten.“ (S.73)
...Wissenschaftstheorie ...
Intensitätssuche als Täuschungsursache (S.77–81)
Der Mensch hat ein Bedürfnis nach emotionaler Intensität. Dies ist eine wohl möglich urzeitliche Idee, die jetzt unnötig ist und zu Süchten führt. „Das Intensitätsbedürfnis von Menschen ist [...] ein Problem, das wissenschaftlich-technisch zu lösen ist, wen man auf dem Weg weg von den Unglück verursachenden Faktoren im menschlichen Leben vorankommen möchte.“ (S.81)
Das wichtigste Problem, das es dabei zu lösen gilt, ist das wie.
Problemlösung (S.82–86)
Programm: (S.82)
1. Akzeptanz der Tatsachen
2. Veränderung der Tatsachen (Macht aufbauen)
3. nähere Untersuchung der „Konstanten des Unglücks:“ Tod, Begierden, Bedürfnis
nach Intensität.
Angst vor dem Tod (S.86–96)
„Erwachsenwerden bedeutet u.a. zu lernen, sich ‚von außen‘ zu sehen und die eigenen Imaginationen nicht mit den Tatsachen zu verwechseln.“ (S.86)
„[A]uch angesichts des Todes müssen wir lernen, erwachsen zu werden [...].“ (S.87)
„[W]eil wir keine persönlichen Erfahrung vom Tod haben können, aus der wir gelernt haben, wie es ist zu sterben, imaginieren wir alles Mögliche beim Anblick einer Leiche und beim Erwägen der Frage, wie es wohl sein wird, wenn wir selbst einmal in diesem Zustand sind.“ (S.89)
Mathematik erfasst das Individuum (S.97–105)
Der Umgang mit Begierden setzt deren Kenntnis voraus. Um soziale Faktoren wie Scham auszuschalten, müssen wir die Begierden objektivieren und messen lernen. Man kann alles im Menschen messen.
„Welchen Eigenschaften eines Individuums graduierbar und messbar sind, ist keine prinzipielle Frage, sondern eine, die vom Stand der experimentellen und messenden Forschung und der Genauigkeit der Messgeräte abhängt.“ (S.100)
Lösungsvorschlag: Armbanduhr, die alles misst und anzeigt. Auf dieser Grundlage kann durch Handlungen oder Medikamente auf die Begierden Einfluss genommen werden. (vgl.103f)
Handhabung der Begierden (S.106–108)
1. „Eine Person sollte frühzeitig, als jugendliche, ihre affektiven Tendenzen messend kennen- und steuern lernen. Je früher ein solcher Lernprozess beginnt, umso virtuoser und flexibler wird die spätere Handhabung der eigenen Affektivität sein.“
2. „Personen sollten in beruflichen und sozialen Zusammenhängen leben, die ihren affektiven Tendenzen entsprechen. So, wie eine mathematisch-technisch wenig begabte Person nicht Pilot werden sollte, ebenso sollte ein zu Furcht und übermäßiger Aggression neigendes Individuum nicht den Beruf des Soldaten ergreifen, weil das Nichtzusammenpassen von affektiven Tendenzen und Kompetenzen zu den beruflichen Anforderungen zu Unglück führt.“
3. „Eine Person sollte lernen, welche affektiven Muster für sie eine Suchtgefahr darstellen, ob sie etwa die Tendenz hat, einer Spiel- oder Sexualsucht zu verfallen, weil Süchte eine der wesentlichsten Quellen des Unglücks sind.“
4. „Eine Person sollte mit solchen Individuen soziale Kontakte pflegen, die nach der Metrik ihrer Affektivität gut zu ihr passen, das heißt, sie sollte in dem für sie angemessenen sozialen Umfeld ihr Privatleben zubringen, denn affektive Dissonanzen im Sozialleben sind eine wesentliche Quelle des Unglücks.“
5. „Jede Person muss lernen, die Befriedigung ihrer Begierden und das Auftreten von positiven Affekten zu ‚verendlichen‘. Denn sie alle sind mit ‚Kosten‘ auf der physiologischen Seite verbunden, wie die entsprechende Metrik der Substanzen anzeigt, die bei Bedürfnissen und ihrer Befriedigung im Spiele sind. Die Befriedigung von Begierden und die Erzeugung angenehmer Gefühle kann nicht beliebig oft wiederholt werden, wie am ‚Affektspiegel‘ unschwer abzulesen sein wird.“
Intensität und die Erzeugung des Sinns in der aufgeklärten Existenz
(S.109–112)
„Menschen möchten in einzelnen Lebenssituationen möglichst intensive positive Gefühle empfnden, aber sie wollen auch, dass ihr Leben einen Zusammenhang ergibt, den man wie eine gut erzählte Geschichte nachvollziehen kann, und es nicht einfach in Episoden zerfällt.“ (S.109)
„Menschen müssen [...] lernen, Sinnzusammenhänge zu erzeugen, in ihrer Arbeit, indem sie ihren Kompetenzen entsprechend beschäftigt werden, und in ihrem Sozialleben, indem sie mit Menschen zusammenleben lernen, mit denen sie einen alltäglichen Sinnzusammenhang entstehen lassen können, und sich nicht nur in situativen affektiven Konflikten und positiven Intensitäten bewegen.“ (S.110)
„Das Glück aufgeklärter Menschen wird weder in dauernder Lust noch in einem Streben nach jenseitigem Heil bestehen, sondern sich aus der Kompetenz ergeben, das Unglück, das situativ aus dem Streben nach intensiven Gefühlen entstehen kann, zu vermeiden und zu lernen, in der jedem zur Verfügung stehenden endlichen Lebenszeit mit Sinn vereinbare Intensitäten zu erzeugen.“ (S.111)
„Menschen, denen die wissenschaftlich-technischen Möglichkeiten zur objektiven Selbsterkenntnis zur Verfügung stehen und die gelernt haben, sich vorurteilsfrei selbst zu kontrollieren, werden auch die Möglichkeit haben, das Unglück zu vermeiden.“ (S.112)
∆έν ελπίζω τίποτα Ich schaue nicht nach vorne,
∆έ φοβόµαι τίποτα ich schaue nicht zurück,
Ειµαι λέφτερος ich bin (nur) für den Moment – glücklich.
Doch siehe auch: Mike Roth, Philosophische LebensART zu diesem Spruch von Kazantzakis.
Ich hoffe nichts . Ich fürchte nichts. Ich bin frei
Roth/Staude, Konstanz 2010, 99
und den Text in PHILOSOPHISCHE PRAXIS 4, 97 ff:
"Erlebnisse zu Hampes Kanon"
http://www.buchhandel.de/default.aspx?strframe=titelsuche&caller=vlbPublic&nSiteId=11&Func=Search&stichwort=kunsten
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Roth/Schäppi
Sein in der Gegenwart
Philosophieren (Hampe) & Atmen (Vipassana Achtsamkeit)
Ein Seminarangebot von Volkbert M. Roth
und Monika Schäppi IN VORBEREITUNG
In den 2009 erschienenen Meditationen über Glück und Sterben (Das vollkommene Leben) hat der Philosoph Michael Hampe sich dem Thema auf eine Weise angenommen, die uns auf unterschiedliche Weise hat aufmerken lassen.
V.M. Roth interessiert sich für die Berührungspunkte zur neuen Richtung „Philosophische Praxis“ (siehe Roth/ Staude), einem Philosophieren über Lebensfragen diesseits der universitären modernen Fachphilosophie , und die Sokratische „Sorge um die eigene Seele“ wiederaufnehmend. Er begleitet beim Herangehen an den literarisch philosophierenden Text Hampes als Ganzem.
Für M. Schäppi ist Achten auf den Atem Wahrnehmen der Aktualität des Gegenwärtig - Seins. Es geht ihr in den Atemübungen nicht um die Vorstellung, wie die Atmung oder der Körper künftig sein könnte/sollte, sondern wie sie je gegenwärtig sind. Darin ist nicht nur ein angenehmer Zustand enthalten, sondern beides: Glück und Schmerz. Dies wird in der Vipassana Meditation berücksichtigt und erfahrbar. Bezugspunkte liefert insbesondere Hampes Kapitel Glück der Seelenruhe, das auch entgegenwirkende Momente thematisiert.
Literatur
Michael Hampe, Das vollkommene Leben. Vier Meditationen über das Glück, München 2009 Seminartext – bitte mitbringen
Zur Vipassana Meditation: googeln!
Zur Philosophischen Praxis:
Volkbert M. Roth und Detlef Staude (Hg) für netzwerk philopraxis.ch, Das OrientierungsLos. Philosophische Praxis unterwegs, Konstanz 2010
Ein Seminarangebot von Volkbert M. Roth
und Monika Schäppi IN VORBEREITUNG
In den 2009 erschienenen Meditationen über Glück und Sterben (Das vollkommene Leben) hat der Philosoph Michael Hampe sich dem Thema auf eine Weise angenommen, die uns auf unterschiedliche Weise hat aufmerken lassen.
V.M. Roth interessiert sich für die Berührungspunkte zur neuen Richtung „Philosophische Praxis“ (siehe Roth/ Staude), einem Philosophieren über Lebensfragen diesseits der universitären modernen Fachphilosophie , und die Sokratische „Sorge um die eigene Seele“ wiederaufnehmend. Er begleitet beim Herangehen an den literarisch philosophierenden Text Hampes als Ganzem.
Für M. Schäppi ist Achten auf den Atem Wahrnehmen der Aktualität des Gegenwärtig - Seins. Es geht ihr in den Atemübungen nicht um die Vorstellung, wie die Atmung oder der Körper künftig sein könnte/sollte, sondern wie sie je gegenwärtig sind. Darin ist nicht nur ein angenehmer Zustand enthalten, sondern beides: Glück und Schmerz. Dies wird in der Vipassana Meditation berücksichtigt und erfahrbar. Bezugspunkte liefert insbesondere Hampes Kapitel Glück der Seelenruhe, das auch entgegenwirkende Momente thematisiert.
Literatur
Michael Hampe, Das vollkommene Leben. Vier Meditationen über das Glück, München 2009 Seminartext – bitte mitbringen
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Zur Philosophischen Praxis:
Volkbert M. Roth und Detlef Staude (Hg) für netzwerk philopraxis.ch, Das OrientierungsLos. Philosophische Praxis unterwegs, Konstanz 2010
Freitag, April 13, 2012
Christine Mok-Wendt
Hampes Versuch zur Naturphilosophie (2011):
„Tunguska oder das Ende der Natur“
Das verbindende Element zwischen Das vollkommene Leben 2009 und Tunguska → Naturphilosophie ist die Fortsetzung der literarischen Form des Philosophierens, nun im Bereich der theoretischen Philosophie, 2011 in Form eines Totengesprächs (S.301, S.310 – Literaturhinweis, Bezug der fiktiven Namen zu den Verfassern verwendeter Texte), S.293: beide Bücher sind komplementäre, polyphone Untersuchungen der prakt. u. theoret. Philosophie
Hampes Fragen (seit Dissertation 1984-1989 über Whitehead):
Frage 1: Wie die Gesetzmäßigkeiten der Natur im Rahmen eines Denkens zu verstehen ist? - „Ein Denken, das die Zeit ernst nimmt.“ (Whitehead)
Frage 2: Das Problem der Möglichkeit menschlicher Freiheit in einer gesetzmäßigen und durch und durch historisierten Welt (S.301)
Ereignisse und Einmaligkeit sind wichtig für das Nachdenken über die Natur – denn, sie sind Kontrapunkt zu der Frage der Gesetzmäßigkeit der Natur (S.302) → Tunguska = Ergänzung zu Arbeiten über Naturphilosophie des Gesetzesbegriff ( beide Begriffe auch Themen der Politik und Erkenntnistheorie,) (S.302)
Das Tunguska-Ereignis: 30. Juni 1908 in Sibirien, Blitze und Explosionen haben ein riesiges Waldgebiet in der Nähe des Flusses Tunguska verwüstet, bis heute weiß keiner genau, was passiert ist, wissenschaftlich wird ein Asteroiden-Einschlag vermutet (so das NASA Überwachungsprogramm für NEAs – Near Earth Asteroid, für Asteroiden mit einem Durchmesser von mehr als 1 km), der bis heute allerdings nicht entdeckt wurde – weil der Durchmesser vielleicht kleiner war und der Himmelskörper erdnah verglühte. (S.294): Das Erklärbare und das Unerklärbare
Dieses Ereignis gibt Anlass (S.298: Drei Enden der Natur) und den Gesprächsstoff des fiktiven Gesprächs (Totengesprächs) von 4 Männern (Feierabent, Tscherenkov, Blackfoot, Bordmann), die auf einem Container-Schiff über das Meer treiben, im Nebel...
Im Nachwort (S.290): Einmalige Ereignisse, erklärt Hampe, dass der Begriff des Ereignisses in der neueren Philosophie öfter zu finden ist; Hampe zieht dazu die Philosophiekonzeptionen Heideggers, Badious u. Whiteheads heran.
Heidegger: im späteren Werk: Ereignis → Entwurf → Dasein (geworfenes Sein/lat. existentia) → Geworfenheit ( Fundamental in seiner Ontologie), Seinsvergessenheit (Frage nach dem Sein), Gestell (Wesen der Technik-Vorstellen) (Quelle:Duden Philosophie)
Badiou: (1988: Das Sein und das Ereignis), schlägt Neudefinition der Philosophie vor mit 4 wesentl. Bedingungen: Poesie, Mathematik, Politik, Liebe; Philosophie steht für ihn am Anfang, ist ewig, Becketts Prosa: „..hält sich an das, woraus sich letztendlich jede Existenz zusammensetzt: an die leere Bühne des Seins [ ] und an die Ereignisse, die es plötzlich bevölkern [ ] wie Löcher in der fernen Leinwand des Welttheaters“( Beckett,1995)
Whitehead: (1929: Process and Reality), s.o. Zitat
Bei all diesen Autoren geht es um die Verabschiedung des andauernden Dings mit bestimmten konstanten Eigenschaften als Grundmodell für das, was wirklich ist [ ] d.h. um ein Verständnis (Denkmöglichkeit) unserer Erkenntnis jenseits der Differenz von Realismus und Idealismus (S.290)
Hampes Sicht: = graduell → „Erkenntnis ist ein Prozess, in den sowohl unser Leib, die in ihn versenkte Subjektivität, als auch die Welt außerhalb unseres Körpers involviert sind.“ (S.291), → hypothetisch im Anschluss an Aristoteles und Whitehead: Wahrnehmungen, Gedanken, Erinnerungen u. Evidenzen stellen sich als Phasen (statt Ding) ein.
Ereignis - verschiedene Konnotationen: bei Heidegger u. Badiou: Überwältigung (vs. Pluralisierung) des Individuums durch Wahrheit, das Erhabene (Kant), das Schöne (Schiller), das Heilige; dem gegenüber steht das Ereignis als zeitliche u. räumliche Vereinzelung der Wirklichkeit (Zersplitterung des Weltblocks in für sich stehende Individualitäten – sie wiederholen sich nicht) → letzteres ist Hampes Aspekt für dieses Buch: „...das Problem, was es heißt, dass auch in der Natur, wenn wir sie nicht nur abstrahierend betrachten, Einmaliges, Unwiederholbares geschieht“. (S.292) → Hinweis des Autors auf Parallelität zu: Das vollkommene Leben
Das Ende der Natur (Untertitel des Tunguska-Buchs): >>Wenn die leidenschaftlichen Ökologen schaudernd ausrufen: >Die Natur wird sterben<, so wissen sie nicht, wie recht sie haben. Gott sei Dank, die Natur wird sterben. Ja, der große Pan ist tot! Nach dem Tode Gottes... musste auch die Natur endlich abtreten. Es war an der Zeit: sonst hätte man bald überhaupt keine Politik mehr machen können.<< (Bruno Latour, Das Parlament der Dinge, S.41 – Hampe 2011, Vorspann)
Natur – ihre Historisierung macht es möglich, sie >>als Ganzes<< oder in Ausschnitten als die lange Folge eines einzelnen einmaligen Ereignisses zu betrachten (S.298). - genau wie ihren Anfang (z.B. Urknall) kann man sich auch ihr Ende denken (S.299) → 3 Sinne von Natur: 1. - historisch/zeitlich, 2. - fiktiv (das Ende ist imaginär, das Reich der Toten), 3.- es gibt sie gar nicht (sondern lediglich als >>natürlich<< zu charakterisierende Individuen) (S.300)
Geteilte Natürlichkeiten – der naturphilosophische Versuch (S.221)
Naturphilosophie: - „nach aristotelischer Auffassung neben Logik und der Ethik derjenige Zweig der Philosophie, der die Natur sowie Möglichkeiten und Bedingungen von Erkenntnis der Natur zum Gegenstand seiner Bemühungen macht[ ]Seine Untersuchungen über Raum bzw. Ort, Zeit, Prozess (Bewegung, Wachstum, Entstehen, Vergehen), Kontinuität/Diskontinuität u. Kausalität sind bis heute von grundlegender Relevanz“ (Duden Philosophie)
Die platonisch/sokratische Trennung (S.223)
Beispiel aus Phaidros – Gespräch zw. Phaidros und Sokrates, aus dem hervorgeht, dass Sokrates der Meinung ist, dass die Natur ihm, im Gegensatz zum Leben in der Stadt, nichts lehren kann (Abwendung von der Naturphilosophie des Anaxagoras, S.225) [– hierzu auch: Long, AA, Die frühen griechischen Philosophen, Die Vorsokratiker] → Sokrates nimmt Trennung zw. Natürlichem und moralischem Wert vor; will sich nicht vor allem als natürliches Wesen sehen, sondern als moralisches und politisches.
Sowohl für Sokrates, als auch für die moderne Aufklärung war die Natur ein Zusammenhang von notwendigen Ursachen und Wirkungen (S.226) → Kausalität
Die Gründe und die Suche nach dem Besten einfach zu streichen, wäre die fatalste aller möglichen Folgen der selbst schon fatalen sokratischen Trennung. (S.228)
→ Doch die Natur überhaupt existiert nicht. Niemand hat sie bisher gesehen, ebenso wenig wie die Idee des Guten. (S.229)
→ scharfe Trennung zw. dem Reich der Gründe und der Natur ist nicht möglich, nicht etwa, weil es keine Gründe u. kein freies Handeln gibt sondern: begründetes Handeln hat auch kausale Folgen in der natürlichen Welt, in der nicht begründet wird. (S.230) → Mensch kann Natur nicht wahrnehmen ohne Mensch zu sein, da das ein Aufgeben des Körpers, des Ursprungs unserer Leid-und Freude-Erfahrung wäre, die das Leben ausmacht!
Abschied von den Wesen (S.230)
Tatsächlich zeigt die Epigenetik: Bruno Latour hat recht → keine reinliche Trennung von Natur und Gesellschaft, von einem Reich der Ursachen und einem Reich der Gründe → Reich der frei Gründe austauschenden Wesen u. das der notwendigen Ursachen greifen ineinander (Bsp.: Ozonloch, Regenwald, CO2, Atombombe, Fleischfabrik), (S.233)
Entwicklung eines einzelnen Menschen nicht mehr in klaren kausalen Linien nachvollziehbar → Eine Tatsache ausfindig zu machen, die als die entscheidende einer Pesrson nur sie betrifft, scheint aussichtslos
Sprache und Welt (S.233)
Sprechen ist nicht einfach Abbilden → bei sokratischer Trennung außer Acht gelassen, wir gestalten mit der Sprache immer auch die Welt: „Der Vorschlag, sich selbst und die anderen Menschen als begründungsfähige Wesen zu beschreiben, ist nicht der Versuch, unser inneres Wesen abzubilden, sondern der Vorschlag, unser Leben auf eine bestimmte Art und Weise zu führen. Reden ist Handeln, und Handeln greift, je nachdem mit welcher Macht es geschieht, mehr oder weniger in die Wirklichkeit ein [ ] die antike Aufklärung als die Erfindung einer (vielleicht spezifisch europäischen) Lebensform zu betrachten, in der man das Einschlagen aufeinander durch das Austauschen von Gründen zu ersetzen versuchte...[ ] auch die naturwissenschaftlichen Redeweisen zeigen, dass Menschen auf eine bestimmte Art und Weise, über etwas in der Welt zu sprechen, diese Welt immer auch verändern. “(S.234) → kollektives sprachliches Eingreifen des Menschen in der Welt = Unterschied zu allen nicht sprechenden Lebewesen [ ] sprechende Lebewesen ergänzen diese Reflexivität durch eine weitere Form der Selbstbezüglichkeit. [ ] Doch sie sprechen miteinander...“ (S.235) - [ Intentionalität („I“ =“We“/ Searle: Konstruktion der Wirklichkeit, auch: (S. 275)]
Unterscheidung zw. 2 Sprechweisen: 1. - die soziale u. politische, bei der verhandelt wird (Angabe v. Gründen), 2. - die berichtende u. Behauptende, bei der festgestellt wird (was der Fall ist), (S.236) → Je relevanter das berichtende u. Behauptende Expertenwissen in den menschlichen Angelegenheiten wird, umso weniger ist verhandelbar u. umso unpolitischer wird das menschliche Leben. (S.237) → >>Expertokratie<<
Alles muss erklärt werden (S.238)
Vorstellung der Gesetzmäßigkeit der Natur, beinhaltet gleichzeitig ein definierendes Charakteristikum → moderne Experimentalwissenschaften scheinen Privileg zu haben, Auskunft über Tatsachen der Natur zu geben, Physik und Mathematik herausragend bei den exakten Disziplinen (S.238)- [ für Hampe Sprache auch exakt (Interview DRS: Musik für einen Gast)]
Wissenschaft als Maß aller Dinge → Wer ist jetzt für diese Rede über die Veränderungen des menschlichen Lebens zuständig? Wer ist für eventuell auftretendes Leid verantwortlich,[ ] Gibt es das Leid innerhalb der wissenschaftlich beschriebenen Welt überhaupt? (S.239) - Leid ist Unglück → Verbdg zu Vollkommene Leben [ Thematik Jonas: Prinzip Verantwortung → neue Ethik der Verantwortung/ Zukünftigkeitsethik]
Zurück zur Sprache: An der Wurzel dieser Schwierigkeiten liegt das Ignorieren der Tatsache, dass wir unser Leben mit der Sprache gestalten → wie wir leben wollen (Lebensentwurf) → Deshalb haben wir die Verantwortung für die Art und Weise, wie wir sprechen, so wie wir eine Verantwortung dafür haben, wie wir leben. (S.240) → Menschen denken und handeln auf eine best. Art und Weise
Es ist ein Naturalismus im Sinne der Aussage des Philosophen Baruch de Spinoza (17. Jh., 3. Teil seiner Ethik) nötig: >>Beschlüsse des Geistes nach der selben Notwendigkeit im Geiste [entstehen], wie die Ideen der wirklich existierenden Dinge...<< [Stichwort: fiktive Wirklichkeit] → Notwendigkeit: Begriffe >>Wirklichkeit<< u. >>gesetzmäßige Natur<< müssen sich auf dasselbe beziehen. (S.241) → Naturalismus, der auch den Bereich des Normativen naturalisieren will, bzw. konstitutiv sein muss.
Leben (S.242)
Das gefühlsmäßige Verhalten von Menschen zu Tod u. Leben zeigen, die Tatsache, dass Geburten ein Anlass (= Ereignis) zur Freude (= Glück) sind, Mitteilungen darüber, dass einem der Tod bald bevorsteht, Schrecken hervorrufen → zeigen, dass Trennung von Gründen u. Bewertungen nicht funktioniert. (S.243) → wir bräuchten eine Genealogie der behauptenden Rede, die zeigt, wie das menschliche Behaupten und Begründen im Leben der Menschen entsteht (S.244) - [ Wohlrapp, Begriff im Argument; Lorenzen]
Was von selbst geschieht (S.244)
Zufall vs. synthetischer Evolutionstheorie: Menschen können nicht nur die Naturgesetze nicht ändern, sondern sind auch kontingenten Geschehnissen (Unwetter, Erdbeben, etc.) ausgesetzt. Von selbst geschieht nicht nur das Gesetzmäßige sondern auch das Zufällige → Zufälle sind etwas vom Menschen Hinzunehmendes, nicht beeinflussbar wie manch kulturelle u. technische Entwicklung → Zufälle sind im 2. Sinn von Natur betrachtet etwas Natürliches. (S.245)
Werte u. Normen, an denen sich Menschen orientieren, haben darum oft den selben Effekt wie naturwissenschaftliche Naturalismen (S.246) -[ Aristoteles: Habitus, tugendhaft – wie von selbst]; der das menschliche Leben bestimmenden gesellschaftlichen Faktoren → zweite Naturen (= Könnensdispositionen)
Die göttliche Natur (S.248)
Der Leib als Natur (S.250)
Phänomenologie hat die Erfahrungen der Lebenswelt immer als fundamentaler betrachtet als die wissenschaftlichenErfahrungen → Lebensweltfundamentalismus - Heideggers Fundamentalontologie (S.251)
Übernatürliches und Technisches (S.256)
In der Technik fordern die Menschen nach Heidegger die Natur heraus, enlocken. entbergen → Mensch = Gestell ( Mensch wird zu technischem Apparat), (S.258) innerhalb dieser Epoche des technischen Naturverhältnisses verstehen Menschen ihre Freiheit vor allem als die Macht zu herrschen
Die verborgene menschliche Natur (S.260)
Die Natur liebt es, sich zu verbergen (- Heiddegers entbergen, Hinweis zu Heraklit) → d.h. verborgen muss nicht gleich übernatürlich oder jenseitig heißen (S.260) → >>dunkle Natur<< ( individuelle u. kollektive Selbsttäuschung) → Ein Ziel der Tradition war nicht Aufklärung des Menschen über sein >schwarzes< Selbstbild, sondern Stärkung der Ehrlichkeit [Sartre: Unaufrichtigkeit zeigt Grad an Authenzität]
Die endliche und die unendliche Natur (S.263)
Innere und äußere Komplexitäten des Natürlichen (Affektlebens): 2 Grundvorstellungen: 1. elementaristisch, d.h. natürliche Komplexitäten kommen an ein Ende; 2. transfinit, d.h. es wird von einer Unendlichkeit ausgegangen; erstere entspricht dem naiven Realismus des Physikers Steven Weinberg
Skepsis und Naturfrömmigkeit (S.268)
Das Natürliche und das Falsche (S.273)
Die Natur ist nicht gut oder schlecht. Sie handelt nicht moralisch. >>Unsere Lebensform<< ist durch die sokratische Spaltung in eine Art Sackgasse geraten → Lebensformen sind keine Vereine, die man einfach wieder verlassen kann (S.275)
Zurück zu Kollektiv und Einzelnem: Es könnte sein, dass die Handlungen Einzelner im kollektiv nur da in ihnen wirken, wo die Kollektive schon bereit sind, diese Wirkungen >>aufzunehmen<<.(S.276) →>> vermeiden<< [Ethik/ Verantwortung] → Leid vermeiden (Bsp. Fleischressource/ Vergleich Berwerk – Unterschied= Nachzüchtung ), (S.277)
Denn die Bestimmung des Willens von einzelnen Menschen geschieht ebenso sehr durch das kollektive Gewohnheitssystem [Searle u. s.o.] (S.278), aber: letztlich kommt es auf uns Einzelne an. → doch dieser Individualismus könnte eine Illusion sein → Es muss in Kollektiven eine symbolische Bereitschaft dafür geben, eine Handlung als Signal aufzufassen, dass die Lebensform sich ändern muss (S.279), [Jonas: Nachhaltigkeit, Sloterdijk: Du musst dein Leben ändern!, Scheer: Der Energethische Imperativ]
Furcht [Jonas: Heuristik der Furcht] (S.280)
globale Industrie (S.281) → globales Leben [Planetarische Wohngemeinschaft, Sloterdijk]
Die Rede von Schicksal und Geschick deutet an, dass da, wo viele Menschen zusammenkommen, sich etwas bildet und ereignet, was kein Einzelner geplant hat und sich vorstellen konnte → Zurückweisung von Verantwortung schwer (S:283)
>>Kollektivleib<< (S.284) → Denn die Lüste und die Schmerzen unsres Leibes,verursacht durch Äußeres, sind das, was uns zeigt, dass wir nicht als körperlose Subjekte der Natur gegenüberstehen oder in ihr bloß als ein Ding vorkommen.
Wie >>wirken<< diese Bewegungen des >>kollektiven Leibes<< der Märkte, Diskurse u. Technologien auf die Einzelnen zurück, so dass Einzelne denken können, es sei etwas in ihrem eigenen Denken u. Handeln >>falsch<< → führten das >>falsche Leben<
Zurück zum Ereignis: Gibt es etwa ein Ereignis oder eine Geschichte, die dazu führt, dass unser >>kollektiver Leib<< >>krank<< und ruiniert wird und viele Einzelne untergehen? - Gibt es umgekehrt ein Ereignis, das aus dem vermeintlich falschen ins >>richtige Leben<< führt, eine Revolution oder Erlösung?(S.287/288)
Die sokratische Unterscheidung ist selbst etwas in unserer kollektiven Lebensform, das unser individuelles Denken, Imaginieren und Bewerten und deshalb auch unser Handeln bestimmt: Sie ist ein Denkzwang. (S.288) → den Hampe mit seinen Werken, die mit ihrer Vielstimmigkeit zum Nachdenken anregen, auflösen möchte → statt Denkzwang; Nachdenken /Vordenken.
Und am Ende von Hampes naturphilosophischem Text GETEILTE NATÜRLICHKEITEN S.289 eine Verbeugung vor Paul Feyerabends NATURPHILOSOPHIE:
„ Schöpfung eines Prozesses, der Mensch und Natur (umfasst)... In diesem Prozess verliert der Mensch weder seine Freiheit noch jenes Ausmaß an Wissen , das wir brauchen, um Probleme in stets wechselnder sozialer und natürlicher Umwelt zu bewältigen.“
Literatur
Paul Feyerabend, Naturphilosophie, Frankfurt a.M. 2009
Michael Hampe, Das vollkommene Leben, München 2009
Michael Hampe, Tunguska, München 2011
Hans Jonas, Das Prinzip Verantwortung, Frankfurt a.M. 1979
Volkbert M. Roth (Hg.)Leben ändern? WIR ÜBEN. Philosophische Praxis 2.2 (besorgt von Egon Hein), Konstanz 2011
Hermann Scheer, Der energethische Imperativ, 2010
Peter Sloterdijk, Du mußt dein Leben ändern, Frankfurt a.M. 2009
„Tunguska oder das Ende der Natur“
Das verbindende Element zwischen Das vollkommene Leben 2009 und Tunguska → Naturphilosophie ist die Fortsetzung der literarischen Form des Philosophierens, nun im Bereich der theoretischen Philosophie, 2011 in Form eines Totengesprächs (S.301, S.310 – Literaturhinweis, Bezug der fiktiven Namen zu den Verfassern verwendeter Texte), S.293: beide Bücher sind komplementäre, polyphone Untersuchungen der prakt. u. theoret. Philosophie
Hampes Fragen (seit Dissertation 1984-1989 über Whitehead):
Frage 1: Wie die Gesetzmäßigkeiten der Natur im Rahmen eines Denkens zu verstehen ist? - „Ein Denken, das die Zeit ernst nimmt.“ (Whitehead)
Frage 2: Das Problem der Möglichkeit menschlicher Freiheit in einer gesetzmäßigen und durch und durch historisierten Welt (S.301)
Ereignisse und Einmaligkeit sind wichtig für das Nachdenken über die Natur – denn, sie sind Kontrapunkt zu der Frage der Gesetzmäßigkeit der Natur (S.302) → Tunguska = Ergänzung zu Arbeiten über Naturphilosophie des Gesetzesbegriff ( beide Begriffe auch Themen der Politik und Erkenntnistheorie,) (S.302)
Das Tunguska-Ereignis: 30. Juni 1908 in Sibirien, Blitze und Explosionen haben ein riesiges Waldgebiet in der Nähe des Flusses Tunguska verwüstet, bis heute weiß keiner genau, was passiert ist, wissenschaftlich wird ein Asteroiden-Einschlag vermutet (so das NASA Überwachungsprogramm für NEAs – Near Earth Asteroid, für Asteroiden mit einem Durchmesser von mehr als 1 km), der bis heute allerdings nicht entdeckt wurde – weil der Durchmesser vielleicht kleiner war und der Himmelskörper erdnah verglühte. (S.294): Das Erklärbare und das Unerklärbare
Dieses Ereignis gibt Anlass (S.298: Drei Enden der Natur) und den Gesprächsstoff des fiktiven Gesprächs (Totengesprächs) von 4 Männern (Feierabent, Tscherenkov, Blackfoot, Bordmann), die auf einem Container-Schiff über das Meer treiben, im Nebel...
Im Nachwort (S.290): Einmalige Ereignisse, erklärt Hampe, dass der Begriff des Ereignisses in der neueren Philosophie öfter zu finden ist; Hampe zieht dazu die Philosophiekonzeptionen Heideggers, Badious u. Whiteheads heran.
Heidegger: im späteren Werk: Ereignis → Entwurf → Dasein (geworfenes Sein/lat. existentia) → Geworfenheit ( Fundamental in seiner Ontologie), Seinsvergessenheit (Frage nach dem Sein), Gestell (Wesen der Technik-Vorstellen) (Quelle:Duden Philosophie)
Badiou: (1988: Das Sein und das Ereignis), schlägt Neudefinition der Philosophie vor mit 4 wesentl. Bedingungen: Poesie, Mathematik, Politik, Liebe; Philosophie steht für ihn am Anfang, ist ewig, Becketts Prosa: „..hält sich an das, woraus sich letztendlich jede Existenz zusammensetzt: an die leere Bühne des Seins [ ] und an die Ereignisse, die es plötzlich bevölkern [ ] wie Löcher in der fernen Leinwand des Welttheaters“( Beckett,1995)
Whitehead: (1929: Process and Reality), s.o. Zitat
Bei all diesen Autoren geht es um die Verabschiedung des andauernden Dings mit bestimmten konstanten Eigenschaften als Grundmodell für das, was wirklich ist [ ] d.h. um ein Verständnis (Denkmöglichkeit) unserer Erkenntnis jenseits der Differenz von Realismus und Idealismus (S.290)
Hampes Sicht: = graduell → „Erkenntnis ist ein Prozess, in den sowohl unser Leib, die in ihn versenkte Subjektivität, als auch die Welt außerhalb unseres Körpers involviert sind.“ (S.291), → hypothetisch im Anschluss an Aristoteles und Whitehead: Wahrnehmungen, Gedanken, Erinnerungen u. Evidenzen stellen sich als Phasen (statt Ding) ein.
Ereignis - verschiedene Konnotationen: bei Heidegger u. Badiou: Überwältigung (vs. Pluralisierung) des Individuums durch Wahrheit, das Erhabene (Kant), das Schöne (Schiller), das Heilige; dem gegenüber steht das Ereignis als zeitliche u. räumliche Vereinzelung der Wirklichkeit (Zersplitterung des Weltblocks in für sich stehende Individualitäten – sie wiederholen sich nicht) → letzteres ist Hampes Aspekt für dieses Buch: „...das Problem, was es heißt, dass auch in der Natur, wenn wir sie nicht nur abstrahierend betrachten, Einmaliges, Unwiederholbares geschieht“. (S.292) → Hinweis des Autors auf Parallelität zu: Das vollkommene Leben
Das Ende der Natur (Untertitel des Tunguska-Buchs): >>Wenn die leidenschaftlichen Ökologen schaudernd ausrufen: >Die Natur wird sterben<, so wissen sie nicht, wie recht sie haben. Gott sei Dank, die Natur wird sterben. Ja, der große Pan ist tot! Nach dem Tode Gottes... musste auch die Natur endlich abtreten. Es war an der Zeit: sonst hätte man bald überhaupt keine Politik mehr machen können.<< (Bruno Latour, Das Parlament der Dinge, S.41 – Hampe 2011, Vorspann)
Natur – ihre Historisierung macht es möglich, sie >>als Ganzes<< oder in Ausschnitten als die lange Folge eines einzelnen einmaligen Ereignisses zu betrachten (S.298). - genau wie ihren Anfang (z.B. Urknall) kann man sich auch ihr Ende denken (S.299) → 3 Sinne von Natur: 1. - historisch/zeitlich, 2. - fiktiv (das Ende ist imaginär, das Reich der Toten), 3.- es gibt sie gar nicht (sondern lediglich als >>natürlich<< zu charakterisierende Individuen) (S.300)
Geteilte Natürlichkeiten – der naturphilosophische Versuch (S.221)
Naturphilosophie: - „nach aristotelischer Auffassung neben Logik und der Ethik derjenige Zweig der Philosophie, der die Natur sowie Möglichkeiten und Bedingungen von Erkenntnis der Natur zum Gegenstand seiner Bemühungen macht[ ]Seine Untersuchungen über Raum bzw. Ort, Zeit, Prozess (Bewegung, Wachstum, Entstehen, Vergehen), Kontinuität/Diskontinuität u. Kausalität sind bis heute von grundlegender Relevanz“ (Duden Philosophie)
Die platonisch/sokratische Trennung (S.223)
Beispiel aus Phaidros – Gespräch zw. Phaidros und Sokrates, aus dem hervorgeht, dass Sokrates der Meinung ist, dass die Natur ihm, im Gegensatz zum Leben in der Stadt, nichts lehren kann (Abwendung von der Naturphilosophie des Anaxagoras, S.225) [– hierzu auch: Long, AA, Die frühen griechischen Philosophen, Die Vorsokratiker] → Sokrates nimmt Trennung zw. Natürlichem und moralischem Wert vor; will sich nicht vor allem als natürliches Wesen sehen, sondern als moralisches und politisches.
Sowohl für Sokrates, als auch für die moderne Aufklärung war die Natur ein Zusammenhang von notwendigen Ursachen und Wirkungen (S.226) → Kausalität
Die Gründe und die Suche nach dem Besten einfach zu streichen, wäre die fatalste aller möglichen Folgen der selbst schon fatalen sokratischen Trennung. (S.228)
→ Doch die Natur überhaupt existiert nicht. Niemand hat sie bisher gesehen, ebenso wenig wie die Idee des Guten. (S.229)
→ scharfe Trennung zw. dem Reich der Gründe und der Natur ist nicht möglich, nicht etwa, weil es keine Gründe u. kein freies Handeln gibt sondern: begründetes Handeln hat auch kausale Folgen in der natürlichen Welt, in der nicht begründet wird. (S.230) → Mensch kann Natur nicht wahrnehmen ohne Mensch zu sein, da das ein Aufgeben des Körpers, des Ursprungs unserer Leid-und Freude-Erfahrung wäre, die das Leben ausmacht!
Abschied von den Wesen (S.230)
Tatsächlich zeigt die Epigenetik: Bruno Latour hat recht → keine reinliche Trennung von Natur und Gesellschaft, von einem Reich der Ursachen und einem Reich der Gründe → Reich der frei Gründe austauschenden Wesen u. das der notwendigen Ursachen greifen ineinander (Bsp.: Ozonloch, Regenwald, CO2, Atombombe, Fleischfabrik), (S.233)
Entwicklung eines einzelnen Menschen nicht mehr in klaren kausalen Linien nachvollziehbar → Eine Tatsache ausfindig zu machen, die als die entscheidende einer Pesrson nur sie betrifft, scheint aussichtslos
Sprache und Welt (S.233)
Sprechen ist nicht einfach Abbilden → bei sokratischer Trennung außer Acht gelassen, wir gestalten mit der Sprache immer auch die Welt: „Der Vorschlag, sich selbst und die anderen Menschen als begründungsfähige Wesen zu beschreiben, ist nicht der Versuch, unser inneres Wesen abzubilden, sondern der Vorschlag, unser Leben auf eine bestimmte Art und Weise zu führen. Reden ist Handeln, und Handeln greift, je nachdem mit welcher Macht es geschieht, mehr oder weniger in die Wirklichkeit ein [ ] die antike Aufklärung als die Erfindung einer (vielleicht spezifisch europäischen) Lebensform zu betrachten, in der man das Einschlagen aufeinander durch das Austauschen von Gründen zu ersetzen versuchte...[ ] auch die naturwissenschaftlichen Redeweisen zeigen, dass Menschen auf eine bestimmte Art und Weise, über etwas in der Welt zu sprechen, diese Welt immer auch verändern. “(S.234) → kollektives sprachliches Eingreifen des Menschen in der Welt = Unterschied zu allen nicht sprechenden Lebewesen [ ] sprechende Lebewesen ergänzen diese Reflexivität durch eine weitere Form der Selbstbezüglichkeit. [ ] Doch sie sprechen miteinander...“ (S.235) - [ Intentionalität („I“ =“We“/ Searle: Konstruktion der Wirklichkeit, auch: (S. 275)]
Unterscheidung zw. 2 Sprechweisen: 1. - die soziale u. politische, bei der verhandelt wird (Angabe v. Gründen), 2. - die berichtende u. Behauptende, bei der festgestellt wird (was der Fall ist), (S.236) → Je relevanter das berichtende u. Behauptende Expertenwissen in den menschlichen Angelegenheiten wird, umso weniger ist verhandelbar u. umso unpolitischer wird das menschliche Leben. (S.237) → >>Expertokratie<<
Alles muss erklärt werden (S.238)
Vorstellung der Gesetzmäßigkeit der Natur, beinhaltet gleichzeitig ein definierendes Charakteristikum → moderne Experimentalwissenschaften scheinen Privileg zu haben, Auskunft über Tatsachen der Natur zu geben, Physik und Mathematik herausragend bei den exakten Disziplinen (S.238)- [ für Hampe Sprache auch exakt (Interview DRS: Musik für einen Gast)]
Wissenschaft als Maß aller Dinge → Wer ist jetzt für diese Rede über die Veränderungen des menschlichen Lebens zuständig? Wer ist für eventuell auftretendes Leid verantwortlich,[ ] Gibt es das Leid innerhalb der wissenschaftlich beschriebenen Welt überhaupt? (S.239) - Leid ist Unglück → Verbdg zu Vollkommene Leben [ Thematik Jonas: Prinzip Verantwortung → neue Ethik der Verantwortung/ Zukünftigkeitsethik]
Zurück zur Sprache: An der Wurzel dieser Schwierigkeiten liegt das Ignorieren der Tatsache, dass wir unser Leben mit der Sprache gestalten → wie wir leben wollen (Lebensentwurf) → Deshalb haben wir die Verantwortung für die Art und Weise, wie wir sprechen, so wie wir eine Verantwortung dafür haben, wie wir leben. (S.240) → Menschen denken und handeln auf eine best. Art und Weise
Es ist ein Naturalismus im Sinne der Aussage des Philosophen Baruch de Spinoza (17. Jh., 3. Teil seiner Ethik) nötig: >>Beschlüsse des Geistes nach der selben Notwendigkeit im Geiste [entstehen], wie die Ideen der wirklich existierenden Dinge...<< [Stichwort: fiktive Wirklichkeit] → Notwendigkeit: Begriffe >>Wirklichkeit<< u. >>gesetzmäßige Natur<< müssen sich auf dasselbe beziehen. (S.241) → Naturalismus, der auch den Bereich des Normativen naturalisieren will, bzw. konstitutiv sein muss.
Leben (S.242)
Das gefühlsmäßige Verhalten von Menschen zu Tod u. Leben zeigen, die Tatsache, dass Geburten ein Anlass (= Ereignis) zur Freude (= Glück) sind, Mitteilungen darüber, dass einem der Tod bald bevorsteht, Schrecken hervorrufen → zeigen, dass Trennung von Gründen u. Bewertungen nicht funktioniert. (S.243) → wir bräuchten eine Genealogie der behauptenden Rede, die zeigt, wie das menschliche Behaupten und Begründen im Leben der Menschen entsteht (S.244) - [ Wohlrapp, Begriff im Argument; Lorenzen]
Was von selbst geschieht (S.244)
Zufall vs. synthetischer Evolutionstheorie: Menschen können nicht nur die Naturgesetze nicht ändern, sondern sind auch kontingenten Geschehnissen (Unwetter, Erdbeben, etc.) ausgesetzt. Von selbst geschieht nicht nur das Gesetzmäßige sondern auch das Zufällige → Zufälle sind etwas vom Menschen Hinzunehmendes, nicht beeinflussbar wie manch kulturelle u. technische Entwicklung → Zufälle sind im 2. Sinn von Natur betrachtet etwas Natürliches. (S.245)
Werte u. Normen, an denen sich Menschen orientieren, haben darum oft den selben Effekt wie naturwissenschaftliche Naturalismen (S.246) -[ Aristoteles: Habitus, tugendhaft – wie von selbst]; der das menschliche Leben bestimmenden gesellschaftlichen Faktoren → zweite Naturen (= Könnensdispositionen)
Die göttliche Natur (S.248)
Der Leib als Natur (S.250)
Phänomenologie hat die Erfahrungen der Lebenswelt immer als fundamentaler betrachtet als die wissenschaftlichenErfahrungen → Lebensweltfundamentalismus - Heideggers Fundamentalontologie (S.251)
Übernatürliches und Technisches (S.256)
In der Technik fordern die Menschen nach Heidegger die Natur heraus, enlocken. entbergen → Mensch = Gestell ( Mensch wird zu technischem Apparat), (S.258) innerhalb dieser Epoche des technischen Naturverhältnisses verstehen Menschen ihre Freiheit vor allem als die Macht zu herrschen
Die verborgene menschliche Natur (S.260)
Die Natur liebt es, sich zu verbergen (- Heiddegers entbergen, Hinweis zu Heraklit) → d.h. verborgen muss nicht gleich übernatürlich oder jenseitig heißen (S.260) → >>dunkle Natur<< ( individuelle u. kollektive Selbsttäuschung) → Ein Ziel der Tradition war nicht Aufklärung des Menschen über sein >schwarzes< Selbstbild, sondern Stärkung der Ehrlichkeit [Sartre: Unaufrichtigkeit zeigt Grad an Authenzität]
Die endliche und die unendliche Natur (S.263)
Innere und äußere Komplexitäten des Natürlichen (Affektlebens): 2 Grundvorstellungen: 1. elementaristisch, d.h. natürliche Komplexitäten kommen an ein Ende; 2. transfinit, d.h. es wird von einer Unendlichkeit ausgegangen; erstere entspricht dem naiven Realismus des Physikers Steven Weinberg
Skepsis und Naturfrömmigkeit (S.268)
Das Natürliche und das Falsche (S.273)
Die Natur ist nicht gut oder schlecht. Sie handelt nicht moralisch. >>Unsere Lebensform<< ist durch die sokratische Spaltung in eine Art Sackgasse geraten → Lebensformen sind keine Vereine, die man einfach wieder verlassen kann (S.275)
Zurück zu Kollektiv und Einzelnem: Es könnte sein, dass die Handlungen Einzelner im kollektiv nur da in ihnen wirken, wo die Kollektive schon bereit sind, diese Wirkungen >>aufzunehmen<<.(S.276) →>> vermeiden<< [Ethik/ Verantwortung] → Leid vermeiden (Bsp. Fleischressource/ Vergleich Berwerk – Unterschied= Nachzüchtung ), (S.277)
Denn die Bestimmung des Willens von einzelnen Menschen geschieht ebenso sehr durch das kollektive Gewohnheitssystem [Searle u. s.o.] (S.278), aber: letztlich kommt es auf uns Einzelne an. → doch dieser Individualismus könnte eine Illusion sein → Es muss in Kollektiven eine symbolische Bereitschaft dafür geben, eine Handlung als Signal aufzufassen, dass die Lebensform sich ändern muss (S.279), [Jonas: Nachhaltigkeit, Sloterdijk: Du musst dein Leben ändern!, Scheer: Der Energethische Imperativ]
Furcht [Jonas: Heuristik der Furcht] (S.280)
globale Industrie (S.281) → globales Leben [Planetarische Wohngemeinschaft, Sloterdijk]
Die Rede von Schicksal und Geschick deutet an, dass da, wo viele Menschen zusammenkommen, sich etwas bildet und ereignet, was kein Einzelner geplant hat und sich vorstellen konnte → Zurückweisung von Verantwortung schwer (S:283)
>>Kollektivleib<< (S.284) → Denn die Lüste und die Schmerzen unsres Leibes,verursacht durch Äußeres, sind das, was uns zeigt, dass wir nicht als körperlose Subjekte der Natur gegenüberstehen oder in ihr bloß als ein Ding vorkommen.
Wie >>wirken<< diese Bewegungen des >>kollektiven Leibes<< der Märkte, Diskurse u. Technologien auf die Einzelnen zurück, so dass Einzelne denken können, es sei etwas in ihrem eigenen Denken u. Handeln >>falsch<< → führten das >>falsche Leben<
Zurück zum Ereignis: Gibt es etwa ein Ereignis oder eine Geschichte, die dazu führt, dass unser >>kollektiver Leib<< >>krank<< und ruiniert wird und viele Einzelne untergehen? - Gibt es umgekehrt ein Ereignis, das aus dem vermeintlich falschen ins >>richtige Leben<< führt, eine Revolution oder Erlösung?(S.287/288)
Die sokratische Unterscheidung ist selbst etwas in unserer kollektiven Lebensform, das unser individuelles Denken, Imaginieren und Bewerten und deshalb auch unser Handeln bestimmt: Sie ist ein Denkzwang. (S.288) → den Hampe mit seinen Werken, die mit ihrer Vielstimmigkeit zum Nachdenken anregen, auflösen möchte → statt Denkzwang; Nachdenken /Vordenken.
Und am Ende von Hampes naturphilosophischem Text GETEILTE NATÜRLICHKEITEN S.289 eine Verbeugung vor Paul Feyerabends NATURPHILOSOPHIE:
„ Schöpfung eines Prozesses, der Mensch und Natur (umfasst)... In diesem Prozess verliert der Mensch weder seine Freiheit noch jenes Ausmaß an Wissen , das wir brauchen, um Probleme in stets wechselnder sozialer und natürlicher Umwelt zu bewältigen.“
Literatur
Paul Feyerabend, Naturphilosophie, Frankfurt a.M. 2009
Michael Hampe, Das vollkommene Leben, München 2009
Michael Hampe, Tunguska, München 2011
Hans Jonas, Das Prinzip Verantwortung, Frankfurt a.M. 1979
Volkbert M. Roth (Hg.)Leben ändern? WIR ÜBEN. Philosophische Praxis 2.2 (besorgt von Egon Hein), Konstanz 2011
Hermann Scheer, Der energethische Imperativ, 2010
Peter Sloterdijk, Du mußt dein Leben ändern, Frankfurt a.M. 2009
Dienstag, April 03, 2012
Glücksskeptisch
02 April 2012
Happiness in a brave new world
"The world's stable now. People are happy: they get what they want, and they never want what they can't get. They're well off; they're safe; they're never ill; they're not afraid of death: they're blissfully ignorant of passion and old age; they're plagued with no mothers or fathers; they've got no wives, or children, or lovers to feel strongly about; they're so conditioned that they practically can't help behaving as they ought to behave." (A. Huxley Brave New World 1932 Folio Society ed. 1971 p.151)
Sounds like a neuroscientist's ideal for the future, doesn't it? Totalized efficient causality in linear time.
Posted by Michael Eldred at 13:02 0 comments / artefactphil.arte-fact.org
Happiness in a brave new world
"The world's stable now. People are happy: they get what they want, and they never want what they can't get. They're well off; they're safe; they're never ill; they're not afraid of death: they're blissfully ignorant of passion and old age; they're plagued with no mothers or fathers; they've got no wives, or children, or lovers to feel strongly about; they're so conditioned that they practically can't help behaving as they ought to behave." (A. Huxley Brave New World 1932 Folio Society ed. 1971 p.151)
Sounds like a neuroscientist's ideal for the future, doesn't it? Totalized efficient causality in linear time.
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