Sonntag, Januar 25, 2009

Antiphon & Sisyphos in Korinth



maerchen.net / ΜΥΘΟΣ
Sisyphos
Sisyphos , der Erbauer der herrlichen Stadt Korinth, hielt sich für den listigsten der Sterblichen und scheute sich deshalb nicht, des Göttervaters Zorn auf sich zu ziehen.

Als Zeus die liebliche Nymphe Aigina entführte, verriet Sisyphos ihn aus schnödem Eigennutz dem Vater der Geraubten, dem Flußgott Asopos, der ihm dafür aber versprechen musste, in der Felsenburg der Stadt Korinth (Akrokorinth) eine Quelle entstehen zu lassen.

In seinem Unwillen zögerte Zeus nicht, den Verwegenen zu bestrafen. Thanatos, der Tod, erhielt den Auftrag, den Korintherkönig in den Hades zu führen.

Sisyphos wusste jedoch den ungebetenen Sendboten des Göttervaters zu überlisten und legte ihn in Fesseln, so dass niemand auf Erden mehr sterben konnte, bis Ares kam. Er befreite den Todesgott, der den fürwitzigen König nun ins Reich der Schatten führte.

Indessen wusste Sisyphos mit neuer List seiner Haft im Totenreich zu entgehen. Ehe er in die Unterwelt hinab stieg, hatte er der Gattin streng untersagt, seiner abgeschiedenen Seele die Totenopfer darzubringen. Daher ließen sich Hades und Persephone schließlich bereden, ihn noch einmal zu beurlauben, um auf diese Weise die säumige Gattin an ihre Pflicht zu mahnen.

Der listige Sisyphos dachte aber nicht daran, in die Unterwelt zurückzukehren, und lebte wieder wie vorher unbekümmert und in Freuden.

Doch Zeus' Geduld war nun endgültig erschöpft. Wiederum sandte er den Thanatos, und diesmal half dem König keine noch so klug erdachte List. Während er beim üppigen Mahle saß, kam der Tod, und unerbittlich wurde Sisyphos in die Unterwelt geschleppt.

Dort traf ihn die Strafe. Einen schweren Marmorstein mußte er mit großer Kraftanstrengung einen Hügel hinaufwälzen. Sobald er glaubte, das Ziel erreicht zu haben, entglitt der tückische Stein seinen Händen und rollte den Hang hinunter in die Tiefe. Immer wieder musste Sisyphos unter unsäglichen Mühen ans Werk gehen, doch immer wieder blieb ihm der Erfolg versagt.




ΛΌΓΟΣ
Nach UEBERWEG 2/1 Philosophie der Antike, SOPHISTIK+SOKRATES+SOKRATIK,
§9. Kritias aus Athen - soll der Besuch von Thanatos bei SISYPHOS anders abgelaufen sein. Kritias (oder Euripides?) verfassten ein Satyrspiel, pp. 82f : „Ein schlauer und gedankenreicher Mann“ erfindet die Furcht vor den Göttern (und damit diese selbst).
Der Erfinder der Religion führte diese als Täuschung ein, er verhüllte mit lügnerischen Worten die Wahrheit. Erkannte also die Wahrheit und diese heisst, es gibt keine Götter, sondern ein sich drehendes Himmelsgewölbe, Blitze, Donner, strahlende Masse des Sonnengestirns. Dorthin versetzte der kluge Mann die (angebliche) Wohnung der Götter, um den Menschen Schrecken einzujagen. . .
UND NUN DIE ALTERNATIVE FASSUNG DES MYTHOS als philosophierendes Schauspiel
Sitz im Leben / SchauPlatz: Vor dem Palast des mythischen Stadtgründers, König Sisyphos, KORINTH. Der Chor der Satyrn teilt Sisyphos mit, sie seien hier, um ihn zu fesseln und in den Hades zu bringen. Wir haben uns dies wohl als einen „Fortsetzungs“-comic strip vorzustellen, Sisyphos ist dem Publikum als Schlaumeier, der sich unbekümmert selbst mit „Göttern“ anlegt, schon bekannt... Der Chor kündigt an, Thanatos, der Tod, werde gleich kommen. Da ist er schon (auf der Bühne) und wird gastfreundlich in den Königspalast geführt, bewirtet ... und Thanatos betrinkt sich an dem guten Korinthischen Wein (NEMEA). Und nun folgt das erhaltene Textstück als Ansprache des Königs an die Todesboten. Sisyphos schlägt den sauf- und rauflustigen Satyrn folgenden deal vor: wenn ihr Thanatos statt Sisyphos fesselt und abführt, verspreche ich Euch die Freiheit (offenbar sind diese Satyrn selber ihrer ursprünglichen Freiheit beraubte Diener „höherer Wesen“). Wenn sie nun seinem Vorschlag folgen, erwarte sie auch keine „Strafe der Götter“, denn es gebe keine Götter. Dies sei nur die Erfindung eines Manns kluger Worte
σοφὸς γνώμην ανήρ

Menschen von unbegründeter Furcht zu befreien ist eine der Stoßrichtungen der antiken Philosophie. Siehe das bekannteste Beispiel, Platons Apologie des Sokrates, wonach der Tod nicht zu fürchten ist, da im Leben drohende Übel dann wirkungslos werden.


Solche „talking cure“ wird im UEBERWEG 2/1, § 8 Antiphon aus Athen, dem nur von Xenophon (nicht von Platon) im Streitgespräch mit Sokrates beschriebenen Sophisten in Korinth zugeordnet, der „sich in Korinth (!) nahe dem Marktplatz eine ... Praxis eingerichtet habe (L. Radermacher (ed.), Wien 1951), in der er „die Betrübten durch Worte behandelt und den Leidenden durch Ergründen der Ursachen ihres Zustandes Mut zugesprochen habe“.
OHNE GÖTTER LEBEN kann verstanden werden als Ergebnis der in Sophistik und Sokratik (und seitdem) weitverbreiteten
ϑεραπεία τ̃ης ψυχ̃ης
Therapie der Psyche
Auch bei Antiphon werden (wie in des Sisyphos „Trugrede“ im zitierten Satyrspiel) die Vorgänge im Kosmos himmelsmechanisch erklärt (wie bis heute), das Wirken einer göttlichen Kraft wird nicht zugelassen. In einer Schrift „Über die Eintracht“ soll er ganz lebensnah dargelegt haben, wie der Mensch sich in möglichst ungetrübter Lebensweise , eben philosophischer Lebensart einrichte.

Philosophische LebensART - ohne Götter leben, in: "Das OrientierungsLos", Roth/Staude (Hg.), Konstanz 2008


Eine philosophische Diskussion mit Imre Hofmann und Stephan Schweitzer im Seminar "Eine philosophische Praxis?" zeigt:
streaming.uni-konstanz.de/lectures/wintersemester-2008/eine-philosophische-praxis/